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Die sich wohl clever vorkommenden kirchlichen Spendensammler arbeiten mit gezinkten Karten, die überdruckt sind und dadurch mehrdeutig gelesen werden können. Immer noch erkennbar ist jene Bedeutungsebene, die den Kirchen in den vergangenen Jahrhunderten dazu diente, an die Gewissen der tatsächlich oder vermeintlich Habenden zu appellieren: »Gebt etwas ab von eurem Reichtum, damit euch auch vergeben werde!« Oder, für die Hardliner: »Gott hat doch allen vergeben, also auch jenen, die vielleicht selber schuld sind an ihrem Elend. Deshalb sorgt euch um das Wohl eures Nächsten, versorgt die Armen, heute vor allem in der Dritten Welt, verteilt etwas aus eurem Überfluß!« Das greift aber bei jenen Zeitgenossen nicht mehr, die in der schönen Konsumwelt der vollendeten Marktgesellschaft angekommen sind. Also muß ein Modewort her, möglichst ein Anglizismus. Die aus dem Englischen übernommene Vorsilbe »fair« übermalt das deutsche »ver«. »Fair« bedeutet laut Duden »gerecht; anständig; den Regeln entsprechend«. Doch an »gerecht« denkt bei »fair« kaum noch einer, fair hat auch im Englischen das alte »just« längst verdrängt. »Den Regeln entsprechend.« Beim Boxen ist der Kampf so geregelt, daß der Stärkere oder Geschicktere gewinnen soll. Wer aber regelt den Weltmarkt derart, daß alle gegen alle kämpfen und die Gesellschaft durch und durch gespalten wird? Wie akzeptabel sind Regeln, nach denen am Ende jener armen Bäuerin auf dem Plakat mit ihren fünf Kindern das letzte Stück Land genommen werden kann, weil die Agrokonzerne das Geschäft mit Biodiesel gewinnbringender einschätzen? Wer die Ergebnisse der Marktkonkurrenz – zum Beispiel zwischen denen, die nur ihre Arbeitskraft anzubieten haben, und jenen, die sie und alles andere kaufen können, aber nicht müssen – als »gerecht« bezeichnen will, muß das Wort schon arg in seinem Sinn verdrehen. Und nun will auch »Brot für die Welt« »fair« sein und gar »Gottes Spielregeln für eine gerechte Welt« gefunden haben. Wir sollen fair geben, fair sorgen, fair teilen. Soll das heißen, daß wir die Regeln der Marktgesellschaft als fair anerkennen und einhalten müssen? Oder dürfen wir sie ein wenig korrigieren? Im Sport soll der faire Gewinner den Verlierer achten, ihm die Hand geben, ihn zum nächsten Kampf ermutigen. So sieht jetzt offenbar das Programm von »Brot für die Welt« aus. Aber der Gott der Bibel hat niemals Regeln für Kampfspiele aufgestellt. Jesus Christus verkündet den Willen seines Gottes und Vaters für alle Menschen: Gerechtigkeit, Gleichheit, Liebe = Solidarität. Und er lehrt in seiner Bergpredigt beten und tun danach, zum Beispiel im Vaterunser, wo dieser Wille Gottes für jede Gegenwart und jeden Ort herbeigesehnt wird: »wie im Himmel« (als Dimension der Glaubens- und Hoffnungsgewißheit) »so auf Erden!« Es empfiehlt sich, die drei durch »fair« verdorbenen Begriffe in ihrem biblischen Kontext zu lesen und ernst zu nehmen. Das erste Wort »geben« und »vergeben« steht im Vaterunser: »Unser täglich Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.« Das tägliche Brot für »uns« hängt davon ab, ob wir alle von »Schuld« und »Schulden« frei werden. Im griechischen Urtext ist ganz real »das Geschuldete« gemeint; verschuldete Menschen waren den reichen Wucherern ausgeliefert. Es blieb kaum Brot für die eigene Familie, die Schuldknechtschaft drohte. Um da herauszukommen, fordert die Bergpredigt Jesu einen Macht- und Systemwechsel: »Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.« Wo das Geld zum allbestimmenden Götzen Mammon (heute: Kapital) wird, muß das tägliche Brot für viele von »uns« fehlen. Das zweite Wort »sorgen« ist ebenfalls aus der Bergpredigt genommen und schließt an die Bitten des Vaterunser an. Das neue Glaubens- und Gesellschaftsprojekt wird präzisiert: »Sorget nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet … was ihr anziehen werdet. … Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.« Die tägliche Sorge, die Lebensangst um ausreichende Versorgung wird aufgehoben sein, sobald die Menschheit sich auf Gleichheit, Gerechtigkeit, Liebe = Solidarität einläßt. Das dritte Wort »teilen« schließt sich hier nahtlos an, es charakterisiert den Lebensentwurf, den die urchristlichen Gemeinde aus der Lehre Jesu gezogen hat: »Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nach dem es einer nötig hatte.« Und heute? Die arme Kleinbäuerin mit der Hacke über der Schulter? Sie und ihre Familie, ihr Dorf, ihre Region brauchen Entschuldung, brauchen Schutz vor dem Zugriff der Großgrundbesitzer. Die Versorgung aller heute Lebenden mit Brot und frischem Wasser, mit Kleidung und Wohnung, Bildung und Heilmitteln ist technisch möglich. Ein Systemwechsel ist nötig, eine Veränderung der Machtverhältnisse, eine Verständigung auf andere Regeln und Gesetze. Sozialismus im 21. Jahrhundert? Oder besser gleich Kommunismus für und mit allen! Hierüber aufzuklären, wäre Aufgabe einer Kirche, die sich auf ihre biblischen Ursprünge besinnen wollte. Sie hätte die Beseitigung von Not und Elend zu fordern – auch im eigenen Land mit zwei bis drei Millionen überschuldeten Haushalten, mit Sozialhilfesätzen, die 20 Prozent aller Kinder in Armut aufwachsen lassen. Ihre ersten Aufgaben wären, den Markt- und Kapitalfetisch und die Verschuldungsdynamik zu enttarnen, die Gemeinpflichtigkeit des Eigentums, die Vergesellschaftung der Produktionsmittel zu verlangen, den gleichberechtigten Zugang aller zu sinnvoller Tätigkeit und den notwendigen Gütern einzufordern. Aber unsere Kirchenleute haben Angst. »Sterben muß, wer an Götzen rührt« – so der Buchtitel des Befreiungstheologen Jon Sobrino mit dem Bericht darüber, wie die Militärs in El Salvador 1990 alle seine Mitbrüder sowie die Köchin und deren Tochter ermordet haben. Die Kirchen-Werbestrategen hierzulande üben da lieber vorauseilende Anpassung an die »Spielregeln« des kapitalistischen Marktgottes. Und so ernst, wie ich sie und ihre verqueren Werbesprüche genommen habe, wollten sie wohl gar nicht verstanden werden. Sie haben nur nach peppiger Aufmachung gesucht und nicht gemerkt, wie sie dabei »fairblöden« – um es nachsichtig auszudrücken.
Erschienen in Ossietzky 25/2007 |
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