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Die Bundestagsabgeordnete Luc Jochimsen und der Berliner Ex-Kultursenator Thomas Flierl legten in einem län-geren Beitrag in der Zeitung Neues Deutschland gewichtige Argumente für die Ablehnung des »groß-koalitionären Leitkultur-Projektes« dar. Eines davon macht stutzig. Nach Auffassung der Autoren »muß sich DIE LINKE zuallererst zum politischen Erbe der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung, die auf eine durchgreifende Demokratisierung der DDR zielte, bekennen.« Und weiter: »Für DIE Linke ist das Erbe der ostdeutschen Bürgerechtsbewegung nicht vor allem ein Gegenstand retrospektiven Gedenkens, sondern prospektive Ermutigung eigener kritischer Intervention.« Das klingt nicht übel, geradezu wissenschaftlich. Doch welche Rolle spielte die »Bürgerrechtsbewegung«, wer gehörte ihr an? Wie der Zufall so spielt, lief mir kurz nach der Lektüre einer der vielgerühmten Bürgerrechtler, Stephan Hilsberg, über den Weg, genauer, via Fernsehen suchte er mich zu Hause auf: in der Talkshow »Klipp und Klar« des Radios Berlin-Brandenburg mit dem Aufarbeitungsthema »War die DDR Heimat oder Stasi-Staat?« Die Antwort des SPD-Bundestagsabgeordneten war »klipp und klar« und aufschlußreich: »Meine Heimat war ein Stasi-Staat. Er hat zig Millionen außer Landes getrieben, er war verlogen, kulturelle Traditionen sind gebrochen worden ... Er hat Leistungsverhinderung gemacht en masse, und das war total traurig.« Und weil es so »total traurig« war, machte der ehemalige »Bürgerechtler« aus seinem Herzen keine Mördergrube: »Ich habe mich bemüht, mit meinen Kräften – und das war ja auch die sozialdemokratische Partei – die DDR zu beseitigen. Ich sag das mal so deutlich. Ich hatte keinen Reformwillen, und ich habe auch nie eine Chance für eine Reform gesehen, und für mich war diese sozialdemokratische Partei die Basis, westliche Verhältnisse in der DDR herzustellen.« Als Gründungsmitglied der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) muß er es schließlich wissen: Ziel war die Restauration kapitalistischer Verhältnisse in der DDR. In den Gründungsdokumenten des ostdeutschen Ablegers der SPD las sich das ein wenig anders. In dem am 24. Juli 1989 in Niederndodeleben verabschiedeten Aufruf zur Gründung einer sozialdemokratischen Partei in der DDR wurde feierlich von den »Traditionen« und der »Vision des Sozialismus« gesprochen und als Punkt 1 der außenpolitischen Ziele die »Anerkennung der Zweistaatlichkeit Deutschlands als Folge der schuldhaften Vergangenheit« proklamiert. Doch damit nicht genug, zweieinhalb Monate später, am 7. Oktober, schwang sich die SDP auf ihrem Gründungstreffen in Schwante (Kreis Oranienburg) gegenüber der SED gar zum Verteidiger des Sozialismus und der Existenz der DDR auf. Vor etwa 40 Personen, die im Gemeindehaus zusammenkamen und vorwiegend aus dem Umfeld der evangelischen Kirche stammten, erläuterte Pfarrer Markus Meckel die Programmatik der SDP: »Durch eine 40jährige Geschichte hat sie (die SED) den Begriff des Sozialismus so sehr diskreditiert, daß er gegenüber vielen DDR-Bürgern kaum noch benutzbar ist als Bezeichnung eigener Zielbestimmung. Dabei wollen wir genau das, was in der Vision des Sozialismus angesprochen ist: ein gerechtes und soziales Gemeinwesen. Die Chancen des Aufbaus eines solchen Gemeinwesens in einer nicht-kapitalistischen DDR schwinden jedoch bei längerer SED-Herrschaft immer mehr, deshalb wollen wir nicht warten, sondern tun, was wir selbst tun können.« Meckel, der sich auch explizit für die Anerkennung der Staatsbürgerschaft der DDR durch die BRD aussprach, wurde zum stellvertretenden Sprecher der Partei gewählt. Sein Chef, erster Sprecher des Parteivorstandes, wurde Stephan Hilsberg, der sich nach Schwante in wenigen Monaten wie die meisten seiner Kampfgenossen vom Verteidiger einer nichtkapitalistischen DDR zu ihrem verbissenen Gegner wandelte. Die politische Metamorphose des »Bürgerrechtlers« Hilsberg ist beeindruckend, aber keineswegs einzigartig. Die Liste der Namen führender Vertreter der ostdeutschen »Bürgerrechtsbewegung«, die einst die DDR demokratisieren oder gar den Sozialismus retten wollten, um beide alsbald zu verteufeln, ist lang. Auf ihr stehen unter anderen: Konrad Weiß, Ehrhart Neubert, Bärbel Bohley, Katja Havemann, Joachim Gauck, Rainer Eppelman, Vera Wollenberger (Lengsfeld), Wolfgang Schnur, Angelika Barbe, Freya Klier, Günter Nooke, Lutz Rathenow, Marianne Birthler, Arnold Vaatz und eben auch Stephan Hilsberg. Natürlich wäre es unsinnig, alle »Bürgerrechtler« über einen Kamm zu scheren, aber gleichermaßen widersinnig ist es zu behaupten, ihre Aktionen von 1989/90 hätten »auf eine durchgreifende Demokratisierung der DDR gezielt«. Als die Abgeordnete Jochimsen im Plenum des Bundestages die Ablehnung der Errichtung des Freiheits- und Einheitsdenkmals seitens ihrer Fraktion unter anderem mit den Worten »weil wir uns dem politischen Erbe der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung besonders verpflichtet fühlen« begründete, brachen die Befürworter des »Mahnmals unseres historischen Glücks« (Wolfgang Thierse) in Gelächter aus. Schallend lachte auf der Gästebank auch der »Bürgerrechtler« und oberste »SED-Diktatur«-Aufarbeiter Rainer Eppelmann. Er kennt seine Pappenheimer, seine Brüder und Schwestern im Geiste, besser als jeder andere.
Erschienen in Ossietzky 24/2007 |
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