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Das waren die ersten Europaarmeen, die ab 1096 unter dem Vorwand, »die heiligen Stätten aus der Gewalt der Ungläubigen zu befreien«, und unter der päpstlichen Losung »Gott will es« 200 Jahre lang Raub- und Vernichtungsfeldzüge gegen die Bewohner der »Heiligen Landes« führten. Sie betätigten sich zunächst in der Krankenpflege, verwandelten sich aber bald in eine kämpfende Truppe, weil sie glaubten, es sei Gott wohlgefälliger, Ungläubige abzuschlachten, als Kranke zu heilen. Als die christlichen Barbaren endlich aus dem »Heiligen Land« vertrieben wurden (1291), fanden die »Deutschritter« mit päpstlichem Segen ihr neues Betätigungsfeld in Osteuropa, um dort »die Heiden zu christianisieren«. Sie waren die »ersten Repräsentanten jenes deutschen Dranges nach Osten, der mit Hitlers Einfall in Russland ... endete« (Ernle Bradford: »Kreuz und Schwert«, 1983). Die Johanniter hingegen kamen über Zypern nach Rhodos, das sie mit einem Netz von Burgen zu einer Festung ausbauten, zum »Vorposten des christlichen Abendlandes im Kampf gegen die Osmanen«, wie man im »Marco-Polo-Reiseführer« liest. Auch nach innen gab sich der Orden kämpferisch gegen »Ungläubige«, die jüdischen Bewohner. Um die Insel »judenfrei« zu machen, vertrieb der Großmeister des Ordens, Pierre d’Aubusson, um 1500 alle erwachsenen Juden und ließ ihre Kinder gewaltsam taufen. So wurde es für die Vertriebenen zum Segen, als 1522/23 die Osmanen kamen und die christlichen Ritter von der Insel vertrieben. Die Osmanen waren nämlich im Gegensatz zu den Christen tolerant gegenüber »Andersgläubigen«. Diese konnten wieder eine Gemeinde bilden. Hinzu kamen viele Juden, die, von der Inquisition in Spanien verfolgt, auf Rhodos Zuflucht fanden. Sie bauten 1577 eine eigene Synagoge, die älteste Griechenlands. Im 20. Jahrhundert wurde das grausame Werk d’Aubussons fortgesetzt. Bis 1943 lebten die etwa 2000 Juden auf Rhodos, das 1912 Teil Italiens geworden war, weitgehend unbehelligt. Doch nach der Kapitulation Italiens Anfang September 1943 besetzten deutsche Truppen unter Generalleutnant Ulrich Kleemann die Insel und entwaffneten die italienischen Truppen, die sich verteidigten. Schon wenige Tage später erhielt Kleemann das Ritterkreuz mit Eichenlaub – ein hochdekorierter Mörder, der nie zur Rechenschaft gezogen wurde. In den folgenden Monaten war Kleemann als Kommandant von Rhodos damit beschäftigt, die Insel wieder zu einer Festung auszubauen, zum Teil genau an den Stellen, wo schon Festungsanlagen der Johanniter gestanden hatten, zum Beispiel auf dem Berg Filérimos. Vor allem aber betrieb er die Erfassung und Enteignung der Juden, um Rhodos wieder einmal »judenfrei« zu machen. Am 23. Juli 1944 wurden sie festgenommen und auf einem der letzten Schiffe, das wegen der englischen Seeblockade aus Rhodos auslaufen konnte, und dann per Bahn nach Auschwitz gebracht und ermordet. Ein Jude konnte bei der Festnahme fliehen. Die Deutschen suchten darauf mit der ihnen eigenen Gründlichkeit die unwegsame Insel ab, bis sie den Flüchtling auf einem Berg und dort in einer Scheune unter Stroh versteckt fanden und sogleich erschossen. In den Monaten zuvor hatte der türkische Diplomat auf Rhodos, Selahattin Ülkümen, für mehr als 200 Menschen jüdischen Glaubens falsche türkische Pässe ausgestellt; sie entgingen der Deportation. An ihn als »Gerechten unter den Völkern« erinnert ein Baum im Ehrenhain von Yad Vashem. Die schwarze Marmorstele inmitten des »Platzes der Märtyrer« in der Altstadt von Rhodos zum Gedenken an die »1604 jüdischen Märtyrer von Rhodos und Cos, die in den Nazi-Konzentrationslagern ermordet wurden« fand ich in keinem Reiseführer erwähnt. Kleemanns Nachfolger als Militärgouverneur von Rhodos und Kommandant Ost-Ägäis war von September 1944 bis zum 8.Mai 1945 Generalmajor Otto Wagener. Dieser Doktor der Philosophie hatte vor 1933 Hitler in Wirtschaftfragen beraten. Auf Rhodos ließ er für die italienischen Kriegsgefangenen und für Zivilisten das »KZ Calitea« (beim Kurort Kallithea) und ein Internierungslager errichten. Sein Terrorregiment steigerte sich bis kurz vor Kriegsende. In einem Artikel des Spiegel vom 14.2.1951 (»Sie haben etwas gutzumachen«) heißt es dazu: »März und April 1945 wurden 1300 Todesurteile vollstreckt ... Auch der Diebstahl eines Kohlkopfes oder eine unbedachte kritische Äußerung kostete den Tod.« Trotz aller Schwierigkeiten, in den letzten Kriegstagen von Rhodos aus noch Nachrichten ins Oberkommando der Wehrmacht zu übermitteln, erfuhr man dort, was auf der Insel geschehen war. Unter dem 5. Mai wird im »Kriegstagebuch des OKW« vermerkt: »Die Inselstützpunkte in der Ägäis erfüllen auf vorgeschobenen Bastionen ihre Pflicht für Deutschland.« Das war die letzte Erfolgsmeldung der NS-Herrschaft überhaupt! Drei Tage später mußte Otto Wagener sich den Engländern ergeben. Im Oktober 1948 verurteilte ihn ein italienisches Militärgericht wegen seiner Verbrechen zu 15 Jahren Haft. Doch schon nach drei Jahren wurden er und drei seiner Mittäter auf Initiative des Bischofs Alois Hudal, der beim Vatikan tätig war und sich für viele Nazi-Verbrecher einsetzte, und dann auf Kanzler Adenauers Fürsprache hin vorzeitig entlassen. Sie waren nun wieder deutsche Ehrenmänner, und Wagener konnte fortan, mit »ungebrochenem Glauben an Hitler«, dessen »Gedankengut« in »nationalistischen politischen Kreisen« unbehindert verbreiten (so die Einleitung zu seinem Buch »Hitler aus nächster Nähe«). Von seiner Schreckensherrschaft, seinem KZ und dem Massenmord an italienischen Soldaten hörte man nichts mehr, und die Reiseführer (Baedeker, Du Mont und andere) schweigen dazu bis heute, auch wenn sie die deutsche Besatzung und die Judendeportation erwähnen; deshalb ist der Hinweis darauf hier nachgetragen.
Erschienen in Ossietzky 24/2007 |
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