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Die zusätzliche Truppe soll die Zivilbevölkerung und die Flüchtlinge aus dem Sudan schützen und die Bewegungsfreiheit für humanitäre Helfer in den Grenzregionen sichern. Diese UN-Truppe besteht zunächst aus 300 Polizisten, 50 militärischen Verbindungsoffizieren und zivilem Personal. Die Mission wird MINURCAT genannt, was sich aus den französischen Anfangsbuchstaben von UN-Mission in der Zentralafrikanischen Republik und im Tschad zusammensetzt. Eine solche Truppenstärke mag uns gering und kaum beunruhigend vorkommen. Doch zusätzlich wird in der Resolution die EU autorisiert, diese Mission mit einer militärischen Operation zu unterstützen. Am 15. Oktober beschloß der Europäische Rat dementsprechend eine sogenannte Gemeinsame Aktion unter dem Titel EUFOR TCHAD/RCA. Nach derzeitigem Planungsstand wird die EU 2.500 bis 3.000 Soldaten in die Region entsenden. Die Hälfte der Truppe wird aus Frankreich kommen, den Rest stellen andere EU-Staaten. Eine Entscheidung über die Teilnahme deutscher Soldaten wurde bislang nicht bekannt gegeben, nach einer Internetmeldung auf heise.de sollen vier Bundeswehroffiziere im Hauptquartier in Frankreich arbeiten. Die Kosten des Einsatzes werden auf alle Mitgliedsstaaten umgelegt. Der Tschad ist gelegentlich in den Medien, die Zentralafrikanische Republik kaum. Deshalb sind ein paar Informationen sicher von Nutzen: Die zentralafrikanische Provinz, die in der Ecke zwischen Tschad und Sudan liegt, heißt Vakaga und ist etwa so groß wie Niedersachsen. Ihre Hauptstadt ist Birao. Nach dem letzten Zensus von 2003 hat die Provinz Vakaga nicht ganz 40.000 Einwohner, weniger als einen pro Quadratkilometer. Unter dem Boden der Vakaga wird Erdöl vermutet, gefördert wird es bislang nicht. Richtig ist, daß in der ZAR Flüchtlinge aus dem sudanesischen Darfur Zuflucht gefunden haben, das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR spricht von etwa 10.000 Menschen. Gleichzeitig leben nach Angaben des UNHCR in der Zentralafrikanischen Republik 220.000 Binnenvertriebene, also Menschen, die aus den Dörfern im Norden Zentralafrikas geflohen sind und in den größeren Städten Zuflucht suchen. Diese Binnen-Fluchtbewegung geht auf einen schwelenden Bürgerkrieg im Landesinneren zurück, der mit Darfur wenig zu tun hat. Seit Mitte der 1990er Jahre ist das Land nicht mehr zur Ruhe gekommen. Verschiedene Regierungen haben einander durch Militärputsch abgelöst, aber eins war ihnen allen gemein: Es ging ihnen um die Hauptstadt, die ländlichen Regionen und deren BewohnerInnen waren ihnen gleichgültig. Öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser und Rathäuser im ländlichen Raum wurden öfters geplündert, private Unternehmen, soweit sie überhaupt je außerhalb der Hauptstadt angesiedelt waren, ebenfalls. Ein Wiederaufbau hat nie stattgefunden, vor allem nicht im Norden, wo die Rebellen weiter agieren. Die Straßen sind so schlecht, daß eine UN-Mission, die im Januar 2007 von der Hauptstadt Bangui nach Birao reiste, mit ihren Jeeps für diese 800 Kilometer lange Strecke sieben volle Tage brauchte. Derzeit kämpfen im Land zwei Rebellenorganisationen, die Armée Populaire pour la Restauration de la Démocratie (APRD) im Nordwesten und die Union des Forces Démocratiques pour le Rassemblement (UFDR) im Nordosten, gegen die Regierung Bozizé; ihre Gewalt richtet sich teilweise auch gegen Zivilisten. Unter anderem fordern die Rebellen, daß mehr Geld in die ländlichen Regionen fließt. Inwieweit sie mit Rebellenorganisationen in Darfur und Tschad in Verbindung stehen, ist größtenteils Spekulation, ebenso wie der Vorwurf, sie seien vom verflossenen Präsidenten Patassé finanziert. Der Vorwurf dient der Unterminierung ihrer Glaubwürdigkeit, da Patassé während seiner Amtszeit ebenfalls nichts gegen die ländliche Armut unternommen hat und seine Menschenrechtsbilanz kaum besser war als die des derzeitigen Präsidenten. Die Krise in der Vakaga ist weniger eine militärisch-politische, sie ist eine Unterentwicklungs-, eine Armutskrise. Was aber sollen 3.000 EU-Soldaten dagegen ausrichten? Die bisherigen Erfahrungen mit militärischer Zusammenarbeit sind nicht ermutigend: Frankreich, die ehemalige Kolonialmacht, arbeitet seit langem militärisch mit der Regierung der ZAR zusammen und hat bereits Truppen dort stationiert. Das französische Militär half beispielsweise der ZAR, Birao zurückzuerobern, das im Oktober 2006 von Rebellen eingenommen worden war. Menschenrechtsorganisationen kritisieren zwar auch APRD und UFDR, sind sich jedoch weitgehend einig darüber, daß die meisten Menschenrechtsverletzungen in der ZAR vom staatlichen Militär begangen werden. Human Rights Watch berichtet in einem umfassenden Bericht vom September 2007 (»State of Anarchy«), daß das zentralafrikanische Militär in Reaktion auf Rebellenangriffe Zivilisten erschießt und deren Häuser oder ganze Dörfer verbrennt. Laut Human Rights Watch haben die bei der Rückeroberung Biraos anwesenden französischen Militärs die Verbrennung von Häusern nicht verhindert. In dem Bericht wird außerdem ein Fall geschildert, in dem französische Soldaten teilnahmslos zusahen, als Gefangene vor ihren Augen vorbeigeführt wurden, die offensichtlich gerade verprügelt worden waren.
Erschienen in Ossietzky 24/2007 |
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