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Bei ihren Kämpfen gegen die japanische Armee wurden sie sehr tapfer von den Timoresen unterstützt, desgleichen von den »Deportados« – Portugiesen, die 1936 einen Aufstand gegen ihren faschistischen Diktator Salazar versucht hatten und zur Strafe hierher deportiert worden waren. Anfang 1943 zogen die letzten Australier aus Osttimor ab. Ihre osttimoresischen Helfer blieben zurück. Den japanischen Eroberern fielen rund 50.000 Timoresen zum Opfer. Die australische Luftwaffe warf Flugblätter über dem Land ab, auf denen stand: »Wir werden euch nie vergessen!« (»We will never forget you!«) Im Gegensatz zu den heute noch lebenden australischen Soldaten, die sich wegen ihres damaligen Rückzugs immer noch schuldig fühlen, haben die australischen Regierungen die Timoresen sehr schnell und sehr gründlich vergessen. Erst nach der portugiesischen Nelkenrevolution von 1974 wurde Osttimor unabhängig. Nach einem kurzen Bürgerkrieg kam dort die linke Befreiungsfront Fretilin an die Macht, was den Militärdiktatoren des Nachbarlandes Indonesien – sie hatten zehn Jahre zuvor im eigenen Land eine Million tatsächliche und angebliche Kommunisten ermordet – nicht gefiel. Die Fretilin war zu links und konnte verderblichen Einfluß auf die Indonesier entwickeln. Sollte man in Osttimor einmarschieren? Was würden Australien und die USA dazu sagen? Australien, damals unter dem sozialdemokratischen Premier Gough Whitlam, war den Timoresen schließlich vieles schuldig. »Wir werden euch nie vergessen!« Indonesien und Australien verhandelten hinter den Kulissen. Auch die australische Regierung in Canberra fand die Fretilin-Regierung untragbar: »Die sind ja Marxisten. Wir brauchen kein zweites Kuba im Pazifik!« Aber eine indonesische Invasion konnte man offiziell nicht hinnehmen. So erklärten Australien und später auch die USA und England den Indonesiern: Regelt die Sache, aber laßt euch dabei nicht erwischen. Wir könnten gut damit leben, wenn es in Osttimor einen Bürgerkrieg gäbe, bei dem die Fretilin-Regierung gestürzt wird ... Im Oktober 1975 kam es zu Feuergefechten an der Grenze zwischen dem indonesischen Westtimor und Osttimor. Die australische Regierung versuchte, alle Zeugen, auch Journalisten, von dort fortzubringen. Trotz erschwerter Reisebedingungen gelangten fünf Fernsehjournalisten – zwei Australier, zwei Engländer, ein Neuseeländer – von Australien nach Osttimor. Ihre Reise endete im Grenzort Balibo. Am Morgen des 16. Oktober 1975 waren sie, alle fünf, tot. Laut indonesischen Erklärungen waren die Journalisten unglücklicherweise ins Kreuzfeuer zwischen den linken Fretilin und rechten, pro-indonesischen Guerillas geraten. Die Leichen, ihre Kameras und alle Filme wurden durch einen Volltreffer leider total zerstört. Von den Toten blieben nur kleinste Reste, die in einer Schuhschachtel im indonesischen Djakarta begraben wurden. Die australische Regierung behauptete tagelang, nichts zu wissen – nicht einmal, ob alle fünf bereits tot oder nur vermißt waren. Der australische Botschafter nahm am Schuhschachtel-Begräbnis teil. Die Regierungen von Australien, Neuseeland, England und den USA akzeptierten diese amtliche Version der Ereignisse – obwohl auch die Amerikaner durch ihre CIA-Abhörstationen in Australien die Wahrheit kannten. Die australische Regierung wußte bereits am 16. Oktober aus verschiedenen Quellen, daß die »Balibo 5« von der indonesischen Armee ermordet worden waren, verneinte dies aber jahrelang hartnäckig ... – bis das jetzige Urteil die Wahrheit hervorbrachte. Nur ein anfangs kleiner Haufen meist linker Querulanten, unter ihnen Angehörige der Toten, stellten die offizielle Geschichte in Frage. Im Dezember 1975 begann Indonesien dann eine massive Invasion Osttimors. Die Fretilin-Regierung mußte sich in die Berge zurückziehen, von wo aus sie mit Guerilla-Truppen den Kampf weiterführte. Die Invasion kostete rund 200.000 – jedem vierten – Osttimoresen das Leben. Die australische und andere Regierungen unterstützten de facto die indonesische Armee und deren oft grausames Besatzungsregime. Sie versuchten lange, alle Verbindungen mit Timor zu unterbinden. Aktivisten, die von Nordaustralien aus bis 1978 Funkkontakt mit den Fretilin-Guerillas aufrechterhielten und Nachrichten über den Genozid veröffentlichten, wurden von den australischen Behörden verfolgt. Ähnlich gingen die Regierungen der USA, Englands und Neuseelands vor. Was in Osttimor geschah – so wie einst in den Ghettos in Polen – sollte niemand im »freien Westen« erfahren. Vor allem das große Geschäft – Waffenverkäufe an die indonesische Diktatur – sollte geheim bleiben. 24 Jahre lang waren die Osttimoresen, die man in Australien doch nie vergessen wollte, den Regierungen in Canberra gleichgültig. So war es zuvor auch der Million als Kommunisten verdächtigter Indonesier ergangen: Die Suharto-Diktatur ermordete sie mit Hilfe und unter Beifall der US-amerikanischen, australischen und britischen Regierungen. Diese Menschen waren einfach zu viele, zu dunkelhäutig und vor allem zu links, als daß sie hätten am Leben bleiben dürfen. Aber die fünf Toten von Balibo (man spricht kaum vom sechsten, Roger East, der später in Dili ermordet wurde) waren weiß, Journalisten und hatten überlebende Familienangehörige. Manche, wie Maureen Tolfree, die Schwester des englischen Kameramanns Brian Peters, glaubten lange an die offizielle Fassung. Andere, wie die Witwe des Fernsehjournalisten Greg Shackleton, bezweifelten von Anfang an die Behauptungen der australischen Regierung. Shirley Shackleton nahm Kontakt zu unabhängigen Journalisten auf, auch zu dem hartnäckigen John Pilger. Die australische Regierung geriet unter Druck und setzte Untersuchungskommissionen ein, die ihre Arbeit nach kurzer oder längerer Dauer auf Weisung der Regierung ergebnislos einstellten. Es schien, als sollte die Wahrheit über die fünf Toten von Balibo nicht mehr ans Tageslicht kommen. Doch im Mai 1998 stürzte die Suharto-Diktatur. Bei einem Referendum stimmten 80 Prozent der Osttimoresen für ihre Unabhängigkeit. Bevor die indonesische Armee im September 1999 abzog, tötete und verschleppte sie noch einmal tausende Osttimoresen. 1994 hörte Maureen Tolfree zufällig einen Radiobericht des Journalisten John Pilger über die Vorgänge in Timor. Sie wandelte sich von einer unscheinbaren Bristoler Arbeiterin zu einer standhaften Aktivistin. Da ihr in Balibo ermordeter Bruder in Sydney gelebt hatte, mußte der dort für Fälle ungeklärter Todesursachen zuständige Untersuchungsrichter den Fall aufnehmen – nachdem Maureen, australische Rechtsanwälte, eine internationale Juristenkommission und osttimorische Unterstützergruppen sieben Jahre lang für das Verfahren gekämpft hatten. Von Februar bis Juni 2007 hörte die Vize-Richterin Dorelle Pinch Zeugen an. Nur eine Zeugengruppe fehlte: das indonesische Militär. Die geladenen Offiziere verweigerten jede Teilnahme. Nur General Sutiyoso wurde zufällig in Australien aufgegriffen und vor Gericht geladen. Er floh vor der Vernehmung panikartig ins heimatliche Indonesien, beschimpfte Australien und erhielt sofort kriecherische Entschuldigungen australischer Landes-, Bundes- und Militärinstanzen. Dennoch lautete das Urteil, das die Vize-Untersuchungsrichterin am 15. November auf 129 Seiten vorlegte: schuldig. Die fünf Journalisten wurden von der indonesischen Armee, wie schon Tage zuvor von hohen Militärs geplant, gezielt ermordet – in der Absicht, die schon begonnene indonesische Invasion zu verheimlichen. Die Filme der Journalisten zeigten indonesische Kriegsschiffe, Hubschrauber, Panzer und Truppen. Sie hätten die Behauptung, es sei ein Bürgerkrieg ausgebrochen, diskreditiert. Die australische Regierung nahm diese erlogene Version jahrelang hin. Die Journalisten hatten von dem Plan, sie zu töten, nichts gewußt. Sie blieben deswegen nach dem Rückzug der Osttimoresen in Balibo und erwarteten, von den anrückenden Indonesiern als australische Journalisten erkannt und behandelt zu werden. Ob die australische Regierung die Mordpläne vorher kannte und als traurige Notwendigkeit einkalkulierte, bleibt trotz aller Untersuchungen und Zeugenaussagen unklar. Im Urteil steht, daß gemäß den vorhandenen Zeugen-aussagen die australische Regierung in diesem Punkt keine Schuld treffe. Vor Gericht gab der frühere australische Botschafter in Djakarta, Woolcott, an, beim Abendessen mit Major General Murdani, dem kommandierenden indonesischen Offizier, die geplante Invasion diskutiert zu haben. Dabei hatte er erfahren, daß indonesische Truppen sich als timoresische Zivilisten verkleiden würden, um die Legende vom Bürgerkrieg fernsehreif zu machen. Aber, so Woolcott, man habe nicht über die (schon von Murdani geplante Tötung der) Journalisten gesprochen. So habe er nichts darüber nach Canberra gemeldet. Vor Gericht schwor der ehemalige Premierminister Australiens, Geogh Whitlam, er habe bis zum 21. Oktober nichts von der Tötung gewußt. Nach Abschluß der Zeugenvernehmung, aber einige Tage vor der Urteilsverkündung, äußerte sich Geraldine Willessee, Tochter des damaligen australischen Außenministers Don Willesee: »Am Sterbebett (2003) sagte mir mein Vater, er schäme sich für sich selbst: Natürlich wußten wir, die australische Whitlam-Regierung, sofort über die Morde Bescheid. Aber man hat mich unter schwersten Druck gesetzt, ich wollte meiner Labor Regierung nicht in den Rücken Fallen, so habe ich 28 Jahren lang das Maul gehalten.« Dies steht im krassen Widerspruch zur eidesstattlichen Aussage des Premierministers. Der bei der Gerichtsverhandlung anwesende Shirley Shackleton sagte mir: »Whitlam log. Das konntest du auf seinem Gesicht sehen.« Richterin Pinch forderte den australischen Justizminister auf, zwei an den Morden von Balibo direkt beteiligte indonesische Militärs (der damalige Hauptmann Yunis Yosfia wurde inzwischen Generalleutnant und Informationsminister in der indonesischen Habibi-Regierung), die sie identifiziert hatte, als Kriegsverbrecher zu verfolgen. Aber wohin würde eine solche Anklage führen, bei der es immer auch um 200.000 tote Osttimoresen und die australische, britische und US-amerikanische Regierung gehen müßte? Gab es da nicht einst eine Untersuchung, die mit einem kleinen Einbruch ins Watergate-Hotel begann und mit der Abdankung Richard Nixons endete?
Erschienen in Ossietzky 24/2007 |
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