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SPD-Delegierte. – Es ist zur Tradition geworden, daß Sie am Ende eines Bundesparteitages aufstehen und gemeinsam das Lied von Hermann Claudius singen: »Wenn wir schreiten Seit an Seit / und die alten Lieder singen / Und die Wälder widerklingen / fühlen wir, es muß gelingen / mit uns zieht die neue Zeit.« Aber welche anderen alten Lieder gibt es denn, die Sie singen könnten anstelle dieses einen, dessen Verfasser in der NS-Zeit dichtete und veröffentlichte: »Wir wollen ein starkes einiges Reich / wofür unsere Väter gefallen. / Dafür marschieren wir, ich und du / und Hunderttausende dazu, / und unsere Fahnen wallen.« Früher sangen Sie oder Ihre Vorgänger beispielsweise »Brüder, zur Sonne zur Freiheit« – verdrängt und vergessen. Nein, von den alten Liedern ist Ihnen wirklich nichts geblieben. Und von den alten Zielen? Berthold Huber, als »Pragmatiker« geschätzt. – Springers Welt am Sonntag hat, nachdem Sie nahezu einmütig zum obersten IGMetaller gewählt worden waren, an einem Merksatz von Ihnen Gefallen gefunden: »Die 35-Stunden-Woche ist keine Monstranz, die man vor sich hertragen kann.« Mit einem Gegenstand religiöser Verehrung gehen Sie da verbal nicht gerade glimpflich um. Aber sehen wir's schlicht historisch: Als die frühen Arbeiterorganisationen Arbeitszeitverkürzung an die Spitze ihrer sozialen Forderungen setzten, hatten sie nichts Außerirdisches im Sinn. Sie wollten Ausbeutung verringern und Freiraum für Bildung und gesellschaftliches Engagement schaffen, ganz praktisch. Schon damals verwiesen die Unternehmer auf den Konkurrenzdruck, der sie zwinge, von den Beschäftigten möglichst lange Arbeitszeiten zu verlangen. Hätte die Arbeiterbewegung sich diesem Argument gebeugt, wäre der Acht-Stundentag eine himmlische Verheißung geblieben. Erwin Huber, in Sorge um die SPD. – Einen »Richtungswahlkampf« haben Sie für das Jahr 2009 prophezeit – den müsse die Union führen, damit die SPD nicht in die Lage komme, wie jetzt schon in der Stadt Berlin auch im Bund »zusammen mit den Kommunisten zu regieren«. Sozialdemokratie und Linkspartei müßten klein gehalten werden, denn: »Schon im Vaterunser heißt es: Und führe mich nicht in Versuchung...« Sie haben das bekannte Gebet falsch zitiert, es heißt dort: »Und führe uns nicht in Versuchung.« Jedenfalls haben Sie damit klar gemacht, daß es nicht genügt, wenn die von Ihnen geführte CSU mitsamt ihrer Schwesterpartei CDU die SPD so in die Ecke drängt, daß diese gar keine Chance zum Sündigen erhält, sondern auch Christ-Sozial-Demokraten sind vor einer Versuchung zum Paktieren mit Kommunisten nicht gefeit. In Ostdeutschland soll es Rathäuser geben, in denen der Sündenfall schon eingetreten ist. Lothar Bisky, in der Versucherpose. – »Die Linke«, haben Sie dem Spiegel gesagt, könne 2009 »in eine Situation kommen, in der eine (Bundes-)Regierung mit ihr möglich wird«. Und dann dürfe ein »Politikwechsel an ihr nicht scheitern«. Da sehen wir sie also vor uns, die von Erwin Huber befürchtete Situation, in der das Vaterunser nicht geholfen hat. Aber möglicherweise ist die ganze Angelegenheit dann aus dem Sündendiskurs heraus, indem die Kommunisten hinreichend Reue zeigen. Olaf Scholz, endlich Bundesminister. – »Stets Parteisoldat«, so haben Sie sich selbst charakterisiert. Aber es waren schon höhere Dienstgrade, die Sie erworben hatten: Innensenator in Hamburg, SPD-Generalsekretär, parlamentarischer Geschäftsführer. Und jetzt haben Sie es geschafft. Ihr politischer Aufstieg, schreibt die Frankfurter Rundschau , habe in der »marxistisch geprägten linken Ecke« begonnen. Es besteht keine Gefahr mehr, daß Sie dort wieder landen. Sigmar Gabriel, ungewohnt diplomatisch. – Bei der Hauptversammlung des Alpenvereins haben Sie die deutschen Mitbürgerinnen und -bürger aufgefordert, um des Klimaschutzes willen weniger Fernreisen zu unternehmen und sich vor allem bei Fernflügen zurückzuhalten. Das geschah zu dem Zeitpunkt, als Ihre Kanzlerin eine Ranch in Texas besuchte. Haben Sie Angela Merkel einen verdeckten Verweis erteilen wollen? Das wäre plausibel, denn auch ohne Ferntourismus wußte die deutsche Regierungschefin, daß der Präsident der USA keine Scheu vor einem Militärschlag gegen den Iran hat. Und George W. Bush wußte auch ohne ihren Besuch, daß Angela Merkel ihm bei einem solchen Unternehmen nicht im Wege stehen würde. Fritz Kuhn, in der Oppositionsrolle. – Als Fraktionschef der Grünen im Bundestag haben Sie die Regierung wieder einmal das Fürchten gelehrt: Vom »Verteidigungsminister Jung forderten Sie eine »möglichst rasche Auskunft, ob deutsche Soldaten in Afghanistan die durch das Bundestagsmandat gesetzten Grenzen überschreiten«. Wir wagen die Prognose, daß der so Befragte Ihnen ziemlich rasch mitteilen wird, das sei nicht der Fall. Weshalb sollte er Sie denn in Verlegenheit bringen wollen und Ihnen die Auskunft geben, bei kriegerischen Einsätzen könne die Bundeswehr nicht immer mit Parlamentsbeschlüssen unterm Arm agieren. Außerdem wissen Sie das ja schon, und das Volk muß man damit nicht belästigen. Kai Diekmann, Bild unterschätzend. – In einem Interview der Frankfurter Allgemeinen haben Sie Begleitmusik für Ihr Buch »Der große Selbstbetrug« gemacht und Trauergesänge über den Zustand der deutschen Gesellschaft angestimmt: »Überforderte Sozialkassen, eine exzessive Staatsquote, ein leistungsblindes Ausbildungssystem, Ausstieg aus Schlüsseltechnologien, Familie und Nation für überholt erklärt, die deutsche Einheit schwarzgemalt…« Schuldig an diesem »täglichen Wahnsinn« seien »die Achtundsechziger, die Verantwortung in Politik, Verwaltung und Jurisprudenz tragen«. Da schätzen Sie aber den heilsamen Einfluß der täglichen Belehrung durch das auflagenstärkste deutsche Blatt zu gering ein, dessen Chefredakteur Sie sind. Mit dessen Hilfe ist doch so mancher verantwortliche Politiker oder Verwalter oder Jurist zur Einsicht gekommen, daß seine Jugendträume abseitig gewesen seien. Sie sollten den Ruck nicht herunterspielen, der längst durch Deutschland gegangen ist.
Erschienen in Ossietzky 23/2007 |
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