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Als ich mit Klitos Ioannides, dem zyprischen Dichter und Philosophen, im Sommer oberhalb von Paphos im Schatten eines Johannisbrotbaums frühstücke und außer Gott und die Welt auch dieses Bild diskutiere, ist es die »Innenseite des Mantels«, die es dem griechischen Zyprioten angetan hat und ihn an seine Arbeitsweise erinnert. Die Prägung durch seine Studienzeit in Paris kommt ihm in den Sinn. Ioannides sucht seitdem für seine Dichtung eine, wie er formuliert, »sich mitteilende, singende, schwingende, sich verhüllende Sprachgestalt«. Er zitiert aus einer Sammlung von Gedichten der letzten vierzig Jahre, die kurz vor der Veröffentlichung steht: »eine Zusammenschau von Politik und Landschaft, Menschen und Geschichte, Glauben und Identität« in drei Sprachen, Englisch, Griechisch und Französisch . Jetzt liegen die Gedichte in einem druckgraphisch hervorragend gestalteten Buch vor und lassen die intendierten Erwartungen deutlich durchscheinen. Ioannides' Sprachbilder berühren durch ihre Einfachheit, Präzision und ein Äußerstes an Menschlichkeit. Unüberhörbar eingebunden in die mediterrane Welt, in der Homer, Empedokles und Aphrodite fortleben, entwerfen die Gedichte Kindheitserinnerungen, sprechen über das Lieben und nähern sich dem Tod. Zugleich ist der jüngere geschichtliche Kontext seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts – die Bedrohung der Unabhängigkeit des jungen Staates durch ausländische Mächte, der Bürgerkrieg zwischen griechischen und türkischen Inselbewohnern und der Widerstand gegen die Invasion der Türkei – präsent, ohne vordergründig thematisiert zu werden. Der Dichter: »Selbst wer es wollte, kann sich nicht heraushalten.« Aus dem Schicksalsjahr 1974, das durch den Putsch der Athener Junta gegen die Regierung Zyperns und die Usurpation eines Drittels der Heimat durch die Türkei unermeßliches Leid über die Menschen gebracht hat, sind es vor allem Gedichte über Flucht und Vertreibung, die sich heute wie Dokumente der Mahnung und des Widerstands lesen. Auch der auffallend selbstverständliche Umgang mit antiken griechischen Mythen erklärt sich nicht aus dem akademischen Interesse des Philosophen, sondern aus der alltäglichen Begegnung mit einer archäologisch und geistig gegenwärtigen Vergangenheit. »Nikosia« heißt eine seiner poetischen Landschaften, in der die venizianische Mauer Attila trotzt. Spannungen in der sich modernisierenden Gesellschaft Restzyperns der achtziger Jahre versteht er mit wenigen Worten festzuhalten. Ob als Erinnerungseinschübe, Rückblenden in Selbstgesprächsform, Aphorismen, Kommentare – stets sucht er die widersprüchlichen Verhältnisse zu erhellen. Die Gedichte lösen beim Leser ein starkes Zugehörigkeitsgefühl aus, sie leihen uns ihre Stimme, um sich unserer eigenen zu vergewissern. »Ohne Glauben aber wäre das Fremde nur ein Schrecken«, sagt Ioannides und trinkt den letzten Schluck türkischen Kaffees. Anders als viele seiner westeuropäischen 68er Zeitgenossen hat er, wie er lachend in Deutsch zitiert, »das Baby nicht mit dem Badewasser ausgegossen«. Sein politischer und philosophischer Horizont war und ist durch seine christliche Religiosität geprägt. Sie gibt ihm den »langen Atem«, wie es in seinem Gedicht »Meer des Ostens« berichtet. Er bekennt sich damit wie die übergroße Mehrheit der griechischen Zyprioten zur orthodoxen Kirche. Die Kirche ist sowohl durch ihre byzantinische Vergangenheit die Brücke zum antiken Griechentum als auch vor allem seit den Jahrhunderten der osmanischen Fremdherrschaft der Drehpunkt der Identität. Es war deshalb nur folgerichtig, daß diese Volkskirche nach dem Zweiten Weltkrieg ideell und praktisch die antikoloniale Befreiungsbewegung mobilisierte und mit Erzbischof Makarios den unangefochtenen nationalen Führer und ersten Staatspräsidenten stellte. Ioannides' Poesie ist geprägt von dem christlichen Gebot, daß das Ideal von Frieden und Brüderlichkeit stärker sein kann als Rache und alle Haßgefühle, die durch die Erinnerung an das Böse geschürt werden. »Die Werte der europäischen Zivilgesellschaft sind nicht die Kraftakte Einzelner oder glückliche Fügungen nach kriegerischen Ermattungen, sondern das gewachsene und zu bewahrende Bewußtsein von Generationen.« Gottes Friedenswerk in den Sprüchen der Evangelisten Johannes und Matthäus ist für ihn keine Utopie, sondern Anweisung zum Handeln. Insofern erinnert auch dieser Gedichtband daran, wie Zypern schon so mancher Erwartung widerspricht: Während des Kalten Krieges erwirbt sich die junge Republik internationalen Respekt, indem sie in der Bewegung der Blockfreien ihre Ziele artikuliert; seit Jahrzehnten ist die kommunistische Partei Akel die stärkste politische Kraft des Landes (zur Zeit in einer Koalitionsregierung und mit einem aussichtsreichen eigenen Präsidentschaftskandidaten für die kommende Wahl); der Beitritt zur Europäischen Union (obgleich die Insel geographisch zu Asien gehört und ihr Kriegszustand mit dem EU-Beitrittskandidaten Türkei mehr als problematisch für die Union ist) verläuft zielgerichtet, erfolgreich dank der vorbildlichen Erfüllung aller wirtschaftlichen und rechtsstaatlichen Kriterien; trotz des Drucks der UNO und EU entscheidet die Mehrheit der griechischen Zyprioten gegen alle Sentimentalität, den sogenannten Annan-Plan zur Wiedervereinigung abzulehnen, da er die demokratische und territoriale Integrität der Republik zugunsten türkischer Interessen verletzt. Das antike Verständnis vom Menschen als zoon politikón trifft im neuzeitlichen Zypern auf das politische Alltagsempfinden der Menschen zu. Der hohe Bildungsstandard auf der Insel – »europäisch« seit den Tagen des Kalten Krieges, als die politischen Bewegungen den Kindern ihrer Anhänger Studien- und Berufsausbildungplätze in Athen, Moskau, Prag, Leipzig, Bukarest, Paris und London vermittelten – ist ein weiterer Impuls für die erfolgreiche Selbstbestimmung im europäischen Einigungsprozeß. Die Beziehungen zu den Orten und Menschen jener Jugendzeit leben fort. Nach dem Lesen des Gedichtbandes ist mir klar, warum Ioannides das Bild vom Poetenmantel so treffend für sein Tun und Denken fand. Seine Gedichte sind privat, körpernah, verborgen in der Innenseite des Mantels, die selbstbewußt das Dunkel ans Licht bringt – eingedenk der Rückseite jener imprägnierten Außenseite, von der der Regen abperlt, wie es seit Homers »Ilias« heißt.
Klitos Ioannides: »Poems«, Armida Publications, ISBN: 978-9963-620-50-0 , 196 Seiten, 28 €
Erschienen in Ossietzky 23/2007 |
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