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M. hatte seine Teilnahme an der im Gerichtsverfahren als verjährter »Totschlag« bezeichneten Massenhinrichtung zugegeben. Er habe sich allerdings im »Befehlsnotstand« befunden, weil der »Führer« ja den Befehl dazu gegeben habe. Im Juli 2006 waren die endlos verschleppten Ermittlungen bereits von der Staatsanwaltschaft München I eingestellt worden. Ein »Klageerzwingungsverfahren« beim OLG brachte nun die endgültige Einstellung. Der Tenor des Urteilspruchs erinnert an die frühen Jahre der Bundesrepublik, als SS-Schergen, Blutrichter und die Killer der fliegenden Standgerichte reihenweise freigesprochen wurden – mit viel Verständnis für die Seelenqualen, denen sie im Zustand dieses »Befehlsnotstands« ausgesetzt waren (man lese nach bei Götz Friedrich: »Die Kalte Amnestie«). Damals amtierten, was die Urteile erklärbar macht, in vielen Fällen noch Richter, die selbst blutbefleckte Hände hatten. Die sind im Jahre 2007 nicht mehr im Amt. Ihre Diktion von damals aber ist noch gegenwärtig. Die Forderung, M. wegen Mordes anzuklagen, gilt im Münchner Richterspruch als »Ansinnen«, ist »unzulässig« und »unbegründet«. Dem Manne könnten weder »niedrige Beweggründe« noch »Grausamkeit« nachgewiesen werden. Man habe auch die »subjektiven« Beweggründe zu prüfen. Für »persönliche Rachemotive« ergäben sich keine Anhaltspunkte (»Ich persönlich hatte ja nichts gegen die Italiener...«). Und dann ist da zu lesen: Das Mordmerkmal »Grausamkeit« greife nicht, da den Opfern »keine über die Tötung hinausgehenden Schmerzen und Qualen« zugefügt worden seien. Das muß man mehrmals lesen, und man muß dabei versuchen, sich jenen 24. September und das Gemetzel an 4.200 wehrlosen Menschen vor Augen zu halten, denen über die Tötung hinaus angeblich keine Schmerzen und Qualen zugefügt worden sind! Das können deutsche Richter im Jahre 2007 niederschreiben und verkünden. Da steht kein vorgesetzter Richter, kein Landes- oder Bundesjustizminister auf und ruft sie zur Ordnung! Da hat sich nichts geändert, seit Ignaz Wrobel in einer Artikelserie in der Weltbühne vom 12., 19. und 24. April 1927 seine kritische Betrachtung »Deutsche Richter« veröffentlichte mit dem vor 80 Jahren ebenso wie heute gültigen Diktum: »Eine deutsche Justizreform ohne die gesetzliche Aufhebung der heute überhaupt erst vorhandenen Unabsetzbarkeit der Richter ist undenkbar.« Wrobel, also Tucholsky, schrieb übrigens auch den fast prophetischen Satz: »Angemerkt mag sein, daß der heutige Typus noch Gold ist gegen jenen, der im Jahre 1942 Richter sein wird.« Und dann fällt mir, daß ich derart Perverses schon einmal, fast wörtlich, gelesen habe. Vor 40 Jahren, am 30. Juni 1967, stellte die Oberstaatsanwaltschaft Hamburg das Verfahren gegen den SS-Obersturmführer Arnold Strippel aus Mangel an Beweisen ein. Strippel hatte am 20. April 1944 das Kommando in der zum KZ umfunktioniert Hamburger Schule am Bullenhuser Damm, als dort 20 jüdische Kinder zwischen fünf und fünfzehn Jahre aus dem KZ Neuengamme zur Ermordung eingeliefert wurden. Sie waren gräßlichen medizinischen Experimenten ausgesetzt gewesen. Nun sollten angesichts der heranrückenden alliierten Truppen die Spuren des Verbrechens verwischt werden. Mit Morphium wurden die Kinder »ruhiggestellt« und dann im Keller der Schule an den Rohren im Heizungsraum aufgehängt. Ermordet wurden zugleich sechs sowjetische Kriegsgefangene und die Pfleger, zwei französische Professoren und zwei Holländer. Die Einstellung des Verfahrens gegen Strippel vom Juni 1967 ist von Staatsanwalt Dr. Münzberg unterzeichnet. Ja, es war Mord, räumt Münzberg ein, die Tat war »heimtückisch« und erfolgte »aus niedrigen Beweggründen«. Aber »grausam« war sie nicht. Denn: »Die Ermittlungen haben nicht mit der erforderlichen Sicherheit ergeben, daß sich die Kinder über Gebühr lange quälen mußten, bevor sie starben. Im Gegenteil sprich manches dafür, daß sämtliche Kinder gleich nach Empfang der ersten Spritze das Bewußtsein verloren und aus diesem Grunde alles weitere, was mit ihnen geschah, nicht wahrgenommen haben. Ihnen ist also über die Vernichtung ihres Lebens hinaus kein weiteres Übel zugefügt worden, sie hatten insbesondere nicht besonders lange seelisch oder körperlich zu leiden.« Ähnlich menschenfreundlich verhielten sich laut Münzberg Strippel und Kumpane bei der anschließenden Ermordung der Pfleger. Die »angewendete Erhängungsmethode, ihnen die Beine vom Boden wegzuziehen, hat ihnen, so ungewöhnlich das ist, keine über die Vernichtung des Lebens hinausgehende Qualen bereitet und ist auch aus sonstigen Gründen nicht unmenschlich gewesen.« Und die sechs Russen? Bei denen habe es sich möglicherweise »um rechtmäßig zum Tode Verurteilte gehandelt«. In diesem Fall hätten die SS-Leute »nicht rechtswidrig gehandelt«. Die Objektivität gebietet, auch das Positive zu registrieren: Arnold Strippel, auch wegen besonderer Grausamkeit in Buchenwald verurteilt, erhielt am 21. Februar 1972 auf Beschluß des Landgerichts Frankfurt am Main eine Haftentschädigung in Höhe von 121.477,92 DM. Staatsanwalt Münzberg fand nach dem Anschluß des Unrechtsstaates DDR an die freiheitlich-demokratische Grundordnung der BRD Weiterverwendung zum Aufbau einer »rechtsstaatlichen« Justiz im neuen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Sollten wir die Richter des OLG München zur Beförderung in den US-amerikanischen Justizdienst (Irak oder Guantanamo) vorschlagen?
Ossietzky -Autor Günther Schwarberg hat die Mordnacht und die schmähliche Nachkriegsbehandlung dieses Verbrechens in seinen Büchern »Die Kinder vom Bullenhuser Damm« und »Meine zwanzig Kinder« dem Vergessen entrissen.
Erschienen in Ossietzky 23/2007 |
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