Kriegsverlängerer im Wahlkampf

Gerhard Zwerenz

Mit Blick auf die hessische Landtagswahl trompetet Roland Koch aus vollen Backen gegen die Linkspartei. Zielbewußt soll die Wiesbadener Landesgeschäftstelle der CDU in »Alfred-Dregger-Haus« umbenannt werden. FAZ- Überschrift am 5.11.07: »Koch warnt vor Kommunisten und der alten DKP im neuen Gewand«. Am Tag zuvor war vorsorglich gemeldet worden, Erika Steinbach und ihr Vertriebenenverband würden sich nicht reinreden lassen, gehe es um das, was Maxim Biller in derselben Zeitung ein »Gegen-Holocaust-Mahnmal«, auch »Zentrum für verdiente Strafe und Vertreibung« nennt. Billers Text gilt freilich als Literatur, während Steinbach pure Koch-Politik macht. Wie Koch den Dregger mimt.

Die Dregger-Koch-Steinbach-Gesellschaft mit beschränkter Geschichtskenntnis beruht auf der Rede Dreggers im Bonner Bundestag anläßlich des Volkstrauertages 1986, als er verkündete: »Wer sich dafür entschieden hat … dem Kriegsgegner bis zuletzt zu widerstehen, der hat für seine Person eine ehrenhafte Wahl getroffen. Das gilt insbesondere für die Soldaten des deutschen Ostheeres …«

Mit dieser Ehrenerklärung Dreggers für die letzten Ostfrontler rechnete ich in meinem Buch »Soldaten sind Mörder – Die Deutschen und der Krieg« ab, wohlwissend, daß der Stahlhelm nicht lesen kann, es sei denn Ernst Jüngers Bericht von der Exekution eines Deserteurs, die der Autor leitete.

Der Wahlkampf 2007/8 folgt demselben CDU-Gesetz: Wie der Fundi Dregger die Ostfrontkämpfer ehrte, die mit ihrer blutrünstigen, chaotischen Dummheit dafür sorgten, daß im letzten Kriegsjahr mehr Menschen sterben mußten als im gesamten Krieg vorher, so feuert jetzt Frau Steinbach verwirrte Vertriebene an, die ohne Dreggers Nazi-Soldaten weniger schwer zu leiden gehabt hätten. Erst die fanatische Gegenwehr bis hin zur Verteidigung des Berliner Führer-Bunkers und damit die immensen Verluste der Rotarmisten steigerten deren Erbitterung zum rigorosen Rachedurst.

Roland Koch als Dritter im Bunde hochgeehrter Kriegsverlängerer sucht das elende Schlachtfeld der Bajonetthelden, Panzerfaustkämpfer und Kriegspropagandalügner nach Hessen zu verlegen, ganz als befänden wir uns noch im heißen Krieg vor 1945 oder im kalten Krieg bis 1990. Er redet wie Goebbels, denkt wie Noske und reitet mit Steinbach gegen Polen.

So viel Rückfall in dumpfe Vergangenheit darf verwundern, denn Koch ist nicht nur von gestrigen Hanswürsten umgeben. Sein cleverer Wirtschaftsminister Riehl lehrt die Sozis das Fürchten, indem er durch Zerschlagen der vier großen Energiekonzerne e.on, RWE, EnBW, Vattenfall den Strompreis senken will. Wer diese notwendige soziale Modernisierung mit dem Rückgriff auf Dreggers Kriegsverlängerungsgeschwätz vereinbaren will, muß wohl in Steinbachs Kleistertopf greifen, für den Polen die Rechnung zu zahlen sich standhaft weigert. Daß Warschau als Antwort Erika Steinbach in SS-Uniform abbildete, mag verständlich sein, ist aber ein stilistischer Mißgriff. Wenn Kochs Wahlkampf mit dem christdeutschen Stinkefinger geführt wird, sollte man nicht mit gleicher Geschmacksverwirrung reagieren. Dregger war kein Nazi, nur ein Hauptmann der Nazi-Wehrmacht, der jede Reue verweigerte. Steinbach ist keine SS-Reiterin, sie sitzt nur gern auf hohem Roß. Koch ist kein Dregger. Nur sein imitierendes Zeichen.

Ein Kochlöffel eben.

Ich nehme diese Gelegenheit wahr, an jene Rotarmisten zu erinnern, die sich als Parlamentäre den deutschen Kampflinien näherten, ich denke auch an deutsche Kriegsgefangene, unsere Kameraden, die über die Beendigung der Schlachten zu verhandeln suchten und dabei für ihren guten Willen und ihren Mut beschossen, wo nicht getötet worden sind. Sie alle fielen wahrhaftig auf einem Feld der Ehre.

Wer gedenkt am Volkstrauertag ihrer, die den Krieg verkürzen wollten, statt derer, die ihn verlängerten?

Erschienen in Ossietzky 23/2007