Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Klinger, Krieg und TodMonika Köhler Kann der Sensenmann urinieren? Inmitten der Hamburger Kunsthalle kann er. Es ist »Der pinkelnde Tod«, um 1880 von Max Klinger gemalt. Am sandigen Ufer eines Sees steht das Knochengerippe, auf seine Sense gestützt, und läßt einen silbrigen Strahl ins Wasser springen. Die Ausstellung »Eine Liebe – Max Klinger und die Folgen« zum 150. Geburtstag des Künstlers zeigt (bis zum 13. 1. 2008) einen großen Teil seiner Ölgemälde und Skulpturen, vor allem das graphische Werk. Im angegliederten Hubertus-Wald-Forum sind die Einflüsse auf ganz unterschiedliche Künstler bis ins 20. Jahrhundert nachzuvollziehen: in riesigen Gemälden von Franz von Stuck und Max Beckmann bis zu kleinen Collagen von Max Ernst oder Federzeichnungen von Alfred Kubin. Zu den Folgen gehört auch eine kleine Zeichnung des pinkelnden Todes von Edvard Munch. Klinger war in Norwegen nicht unbekannt. Seinen »pinkelnden Tod« brachte sein Freund und Studienkollege Christian Krohg nach Kristiana, dem späteren Oslo, wo er Munchs Lehrer wurde. Wichtiger für Munch waren Klingers Graphiken. Die Radierung »Ausgeliefert« aus »ein Leben« von 1884: Feixende Lebemänner in Schwarz umringen eine nackt vor ihnen Liegende. Das Motiv findet sich 1895 auch bei Munch: der Spießrutenlauf eines Mädchens durch »Die Gasse«, die von Männern mit Zylindern gebildet wird. Alpträume, aus dem Halbschlaf herübergeholt. Klingers »Tote Mutter«: Wie eine Statue aus Marmor liegt sie da, von Säulen flankiert, das Haar blumenbekränzt. Auf dem Laken ihr Kind, das Totenidyll störend. Munchs Radierung von 1901 »Die tote Mutter und das Kind« ist dagegen ganz Unverständnis, Aufschrei. Nicht edle Größe im Tod – Schmerz, der sich im Gesicht des kleinen Mädchens spiegelt. Auch Käthe Kollwitz kannte Klinger, hielt ihm sogar 1920 die Grabrede. 1907, als sie noch an ihrem Zyklus zum Bauernkrieg arbeitete, bekam sie den von Max Klinger und dem Deutschen Künstlerbund gestifteten Villa-Romana-Preis. Ihre Graphik »Aufruhr« von 1899 wird mit Max Klingers »Krieg« (1898) konfrontiert. Beide Blätter vereint die Aufteilung in eine reale Ebene vorn und eine imaginär-allegorische oben. Kampfgetümmel mit Pferden, aufgepflanzten Bajonetten im Vordergrund, darüber ruht wie im Himmel ein Krieger (oder Bismarck?) mit Helm und Schwert. So bei Klinger. Käthe Kollwitz läßt über die revoltierenden Bauern eine durchscheinende weibliche Gestalt schweben, mit geöffnetem Mund, der sie anzufeuern scheint. Der bekannteste Zyklus Klingers, »Ein Handschuh«, hat viele Künstler beeinflußt. Bei Max Ernst finden sich in seinen Collagen Anklänge. Dieses Traumhafte, das den Dingen eine Eigenständigkeit und Bedrohung verleiht, nahmen die Surrealisten auf. Alfred Kubin schildert in seiner Selbstbiographie von 1911 seine erste Begegnung mit diesen Blättern in München als ein Erlebnis, das zu seiner künstlerischen Selbstfindung beitrug. Kubins »Der Krieg« (1907), der mit Riesenschritten und Eisenschuhen auf die Menschlein unter ihm tritt, und die ausschwärmenden Totenvögel »Nach der Schlacht« (1901) graben sich tiefer ins Bewußtsein ein als Klingers Radierung von 1879: schwarze Marabus, die wie auf Stelzen im Wasser stehen – fast etwas putzig wirkend. In die Kategorie »Das Unbehagen am Weibe« eingeordnet findet sich die »Kassandra«, Klingers Marmorskulptur mit glühenden Bernsteinaugen. Und die »Sirene«, die mit ihrem Fischschwanz einen Knaben umschlingt. Dazu Riesengemälde von Franz von Stuck oder Gustav Klimt – hinter Glas, weil so wertvoll. Auch ein frühes Gemälde von dem noch unbekannten Max Beckmann: »Junge Männer am Meer« (1,48 mal 2,35 Meter), das Klingers Beifall fand. Es wurde in der Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Weimar gezeigt und erregte Aufsehen. Eine Reihe junger Männer, nackt am Meeresstrand. Beckmann, der das Bild bald als »unpersönlich« abtat, hatte es wohl aus Kalkül in die Ausstellung gegeben. Harry Graf Kessler schlug dann auch ihn für den Ehrenpreis vor. Außerdem bekam Beckmann das Stipendium, den Aufenthalt in der Villa Romana in Florenz. Doch er hatte ein gespaltenes Verhältnis zu Klinger. In seinem Tagebuch schrieb Beckmann über dessen 1909 in Berlin ausgestelltes Brahms-Denkmal: »Scheußlich, einfach unhaltbar in jeder Beziehung. Sonst natürlich Klinger als Persönlichkeit nicht wegzuleugnen. Trotzdem er eigentlich unkünstlerisch ist.« Die Dresdner »Brücke«-Maler lehnten Klingers Symbolismus als Ausläufer des Jugendstils ab. Umgekehrt hatte Klinger wenig Verständnis für die neuen Ausdrucksformen. Auf einen Brief von Max Pechstein schrieb er: »Eine Besenstilschrift wie seine Malerei!« Die Künstler der »Brücke« waren auf der Suche nach etwas Neuem, das später »Expressionismus« genannt wurde. Das erlebte Klinger nicht mehr. (Katalog: Kerber Verlag, 352 Seiten, 39 €)
Erschienen in Ossietzky 22/2007 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |