Sein Leben mit dem Papst

Martin Petersen

Es ist wieder schick, katholisch zu sein. Wenn der verschmockte Romanautor und bekennende Reaktionär Martin Mosebach öffentlich die Rückkehr der katholischen Kirche zur lateinischen Liturgie fordert, lacht man ihn nicht aus, sondern verleiht ihm den Büchner-Preis. Veröffentlicht das Massenblatt Bild im Jahrestakt neue Bibelausgaben, landen seine scheinheiligen Redakteure keinen Reinfall, sondern einen Bestseller nach dem anderen.

Nicht zufällig rückt ausgerechnet dieses Fachblatts für Rufmord, Zuhälterei, systematisches Lügen und Volksverhetzung seiner Leserschaft seit einigen Jahren mit Frömmelei auf die Pelle, nachdem seine Macher jahrzehntelang alle Todsünden begangen haben, mit denen die katholische Obrigkeit ihren Schäfchen Angst vor der Hölle einredet. Alte Huren werden fromm. Das Blatt ist 55 Jahre alt und muß seit gut zehn Jahren einen kontinuierlichen Auflagenschwund hinnehmen. Da läßt sich mit Bibeln ein schönes Nebengeschäft machen, und die verbleibenden 3,5 Millionen Käufer können sich beim Lesen von Papsthuldigungen einreden, kein menschenverachtendes Revolverblatt mit Nacktfotos in der linken Hand zu halten, während die rechte ihren Triebstau löst, sondern eine Art Kirchenblatt mit Fleischeinlage.

Für Klatsch und Tratsch aus dem Vatikan ist bei Bild Andreas Englisch zuständig, der seit 1995 zu den sechs auserwählten Journalisten gehört, die den Papst auf Auslandsreisen begleiten dürfen. Als vor zwei Jahren der erzkonservative Joseph Alois Ratzinger zum Kirchenboß Benedikt XVI. gewählt wurde, schrieb Englisch die größenwahnsinnigste aller Bild -Schlagzeilen: »Wir sind Papst«. Englisch wollte damit verkünden, wie er inzwischen erläuterte, »daß die Deutschen darauf stolz sind und daß wir jetzt alle ein Stück, ein bißchen, wir, alle Deutschen, ein Stück dieses wichtigste, oberste moralische Amt der Welt erobert hatten. Und das hatte natürlich ganz viel damit zu tun, daß damit für die Deutschen auch ein bißchen der Zweite Weltkrieg zu Ende war; endgültig.« Der letzte Weltkrieg dauerte also von 1939 bis 2005 und endete ein bißchen, aber auch endgültig, als ein Deutscher, der für alle Deutschen steht, das wichtigste Amt der Welt eroberte, als wäre es Polen oder Frankreich. Eigentlich hätte die Schlagzeile »Ein Volk, ein Reich, ein Papst« lauten müssen.

Seit neuestem schreibt Englisch für Bild die Kolumne »Mein Leben mit dem Papst«. Der Titel hält leider nicht, was er verspricht. Wäre Benedikt offen homosexuell und schriebe sein Freund Andreas über ihr gemeinsames Leben – man könnte sich zwei Sekunden lang darüber freuen, daß die Katholische Kirche halbwegs in der Neuzeit angekommen wäre. Englischs Leben mit dem Papst ähnelt eher dem eines säuselnden Sextaners, der sich in das stärkste Mädchen der Klasse verknallt und penibel Tagebuch über ihr langweiliges Alltagsleben führt. Überschriften: »Wo der Papst Urlaub macht«, »Shopping-Spaß im Vatikan« oder »Arrivederci, lieber Papst-Sekretär«. Diesem schrieb Englisch Abschiedsworte wie aus einem Groschenroman: »Ich wünsche dir alles Gute in Lemberg, und ich weiß, daß wir uns wiedersehen werden, denn die letzten Jahre in Rom können weder du noch ich je vergessen.« Daß der Springer-Verlag solchen Schwachsinn druckt, hat mehr mit Verzweiflung als mit Frömmigkeit zu tun.

Anfangs hielt Englisch »den Papst für konservativ, frauenfeindlich, weltfremd«. Er war also bei klarem Verstand und begann seine Karriere als Kirchen-Claqueur »eher aus Geldmangel«. Offenbar stimulierte das Geld, das dem Bild -Kolumnisten und Autor diverser Sachbuch-Bestseller inzwischen immer reichlicher zufloß, seinen Religionswahn. Dagegen kann der Papst nichts einzuwenden haben, denn seine organisierte Religion ist ein Geschäft wie jedes andere. Es braucht Werbung, am besten im redaktionellen Teil auflagenstarker Medien.

Andreas Englisch weiß nicht, wann der Zweite Weltkrieg endete. Dafür hat er das Talent, sinnfreie Gedanken in Satzform zu bringen. Beispielsweise diesen: »Wenn der Heilige Geist in Form eines Windhauches auf die Menschen herabkommt, dann umweht er wohl besonders gerne Benedikt XVI.« Das hätte auch ein Martin Mosebach nicht verschwurbelter ausdrücken können. Man reiche Andreas Englisch einen Büchner-Preis!

Erschienen in Ossietzky 22/2007