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Tucholsky über Militär und Krieg»Der Krieg ist aber unter allen Umständen tief unsittlich«, lautete das Motto der diesjährigen Tagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft vom 18. bis 21. Oktober. Ein angesichts der Bundeswehr- Beteiligung am Afghanistan-Konflikt aktuelles Thema: Daß man die Heimat auch am Hindukusch zu verteidigen hat, wäre trotz Peter Strucks gegenteiliger Meinung dem Namenspatron der KTG wohl nie in den Sinn gekommen. Etwa sechzig Teilnehmer hörten gespannt zu, als Wolfram Wette, Autor der vielgerühmten Biographie des Reichswehrministers Gustav Noske, in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin den historischen Hintergrund der Weimarer Republik wieder aufleben ließ. Zu den übrigen Referenten gehörten Dieter Mayer über Tucholskys pazifistische Kommunikationsstrategien, Reinhold Lütgemeier-Davin über Tucholskys Rolle in pazifistischen Organisationen sowie Tilman Westphalen, Vorsitzender der die Tagung mittragenden Remarque-Gesellschaft, zum Thema Pazifismus in den Schriften dieses wichtigen literarischen Mitstreiters. Im Kino Balazs wurde die Lewis Milestone-Verfilmung des Remarque-Romans »Im Westen nichts Neues« gezeigt, von Frank-Burkhard Habel kundig eingeleitet. Olaf Müllers Analyse von Tucholskys Verhältnis zu französischen Pazifisten bot auch die perfekte Überleitung zu den Plänen für die KTG-Tagung 2008 in Paris. Zwei besondere Höhepunkte bildeten der Besuch einiger Teilnehmer im von Ernst Friedrich zu Tucholskys Zeiten konzipierten Antikriegsmuseum im Wedding sowie die Podiumsdiskussion zur Aktualität von Tucholskys Pazifismus. Diese Art von Diskussion wirkt manchmal langweilig, aber hier war das dank der engagierten Stellungnahmen des kritisch gesinnten Oberstleutnants und KTG-Mitgliedes Jürgen Rose zu keiner Sekunde der Fall. Schade nur, daß keine Regierungspartei es über sich brachte, einen Vertreter in die Runde zu schicken. So mußte Oberstleutnant Uwe Ziesak für seine politischen Chefs den Kopf hinhalten. Die Tagung schloß mit einer doppelten Ehrung: Die Satiriker Otto Köhler und Lothar Kusche erhielten im Deutschen Theater den Tucholsky-Preis 2007. Ian King
Solche und solche EhrungenTucholskys Werk sei »nach wie vor aktuell«, bescheinigte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, in einem Grußwort an die Tagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft. Immerhin. Anfang des Jahres hatte er der KTG brieflich mitteilen lassen, der Bitte um Verleihung der Ehrenbürgerwürde für Tucholsky könne nach der Steinschen Städteordnung und den Richtlinien von 1953 nicht entsprochen werden, weil der Vorgeschlagene nicht mehr am Leben sei. Offenbar hatten die Berliner Regierenden die Steinsche Städteordnung und dergleichen aus den Augen verloren, als sie Heinrich Zille, Otto Nagel und im Jahre 2002 auch Marlene Dietrich zu Ehrenbürgern ernannten alle erst etliche Jahre nach ihrem Ableben. Dem Berliner Stadtkommandanten in der ersten Nachkriegszeit, Oberst Nikolai Bersarin, wurde diese hochverdiente Würdigung sogar zweimal posthum zuteil, und zwar zuerst vom Magistrat und dann, nachdem sie ihm 1989 aberkannt worden war, nochmals vom Senat. Aber ob Kurt Tucholsky nach dem überragenden Wolf Biermann noch gern Ehrenbürger würde? Außerdem ist er linker Neigungen verdächtig, die der lebende Biermann längst überwunden hat. Red.
Nachruf auf einen Verweigerer In der Wehrmachts-Garnison, wo sie uns zu Kampfstieren ausbildeten, führte die entsicherte Pistole Marke Hauptfeldwebel eines Morgens einen Soldaten unterm Helm vor die Front.
Der Mann, ein Junge von höchstens achtzehn, blickte aus Augen um sich, die waren voll vom Leuchten des Todes.
Ich hattte damals noch alle meine späteren Verfehlungen vor mir.
Kompanie stillgestanden! Es wird verkündet: Das Kriegsgericht der Armee hat Den Soldaten Soundso verurteilt.
Mann, dachte ich, Kamerad, Genosse, so was muß einer klüger einfädeln. Nun werden sie dich durchlöchern. Zum Sieb dich machen. Dein Sarg ist schon gezargt.
Der mit den todesleuchtenden Augen griff sich unters Kinn, riß den Helm am Riemen vom Schädel und schmetterte den Stahl aufs Pflaster.
Es schepperte lustig in den belgischen Sommermorgen. Junge, dachte ich. Du verstehst es, mit Würde zu sterben. Und zu Blechmusik. Als ihn die Pistole, die mit Hauptfeldwebel angeredet wurde, wenn überhaupt einer sich traute, dem Gefängnis der Zähne ein Wort entlaufen zu lassen
Als ihn die Pistole, rauchend vor Wut, bleich vor Empörung. abführte, lief ein Zittern durch die angetretenen Soldatenseelen. Der Verurteilte hatte sie mit seinem Blick ein wenig berührt. Nachlässig. Im Vorüberhinwegabgeführtwerden. Immerhin sicherte der Junge sich seinen ganz persönlichen Tod.
Manche wissen schon früh, was sich gehört. Gerhard Zwerenz
Kinderfeindliche MilitärtransporterDie Auslieferung des Kriegstruppentransporters A 400M verzögert sich um einige Monate; die Wirtschaftsredakteure der Konzernpresse machen diese Nachricht zur Schlagzeile. Die deutsche Regierung hat 60 Stück dieses Militärflugzeugs geordert, insgesamt sind 192 Maschinen bestellt. Was mich empört, ist weniger die Verzögerung je länger sie dauert, desto besser , sondern das Projekt selber. Daß allein die bisherige Entwicklung 20 Milliarden Euro verschlungen hat (lt. Stuttgarter Zeitung ), läßt die tonangebenden Medien kalt. Obwohl es doch das Geld ist, das uns über diverse Steuern und Abgaben aus der Tasche geholt wird. Keinesfalls wird der Airbus-Konzern diese Kosten tragen. Der viel größere Skandal aber wird gar nicht thematisiert: Die 20 Milliarden Euro sind das Zehnfache dessen, das die Bundesregierung bereit ist, bis zum Jahre 2013 für zusätzliche Krippenplätze zur Verfügung zu stellen. Sechs Jahre sollen noch ins Land gehen, bis dann für 35 Prozent der Kinder Krippenplätze bereitstehen. Erst drei Jahre nachdem das Militärmonstrum Kriegstruppen und Kriegsgerät nach Afghanistan fliegen wird. Beides war am gleichen Tag in den Zeitungen zu lesen allerdings auf unterschiedlichen Seiten. Kinder sind in unserem Land nur Kostenfaktoren, Militärtransporter aber dienen dem wirtschaftlichen Aufschwung. Etwa jedes sechste Kind in Deutschland lebt in Armut, stellte jüngst die Nationale Armutskonferenz fest. Deutschland ist ein kinderfeindliches Land. Nicht nur gegenüber afghanischen Kindern, die als Kollateralschäden der für viele weitere Jahre geplanten NATO-Kriegführung sterben müssen, sondern auch gegenüber den eigenen Kindern. Anne Rieger
Vor den Mauern der EUDie marokkanische Stadt Oujda, im Nordosten des Landes, hat sich seit 1999 zur Durchgangsstation für MigrantInnen aus der Subsahara entwickelt. Die Menschen, die dort ankommen, haben zumeist die algerische Wüste durchquert und sind in Richtung der spanischen Enklaven Melilla und Ceuta oder der Mittelmeerküste unterwegs. Ziel ist Europa, wo sie ein besseres Leben zu finden hoffen. Ihre bisherigen Lebensgrundlagen sind vielen von ihnen durch europäische Konzerne genommen worden, zum Beispiel den Atlantikfischern durch schwimmende Fischfabriken. Die marokkanische Regierung hat sich in den letzten Jahren zum Hilfspolizisten der Europäischen Union machen lassen und geht immer wieder mit großangelegten Aktionen gegen die sogenannte illegale Migration vor. Die bei Razzien in Oujda oder Rabat oder an der Atlantikküste der Westsahara festgenommenen MigrantInnen werden regelmäßig an die geschlossene algerische Grenze deportiert. Von Algerien abgewiesen, kehren sie zu Fuß nach Oujda zurück. Der Campus der Universität Oujda ist bei den MigrantInnen als Anlaufstation bekannt. Seit dem 23. Dezember 2006 wurde er mehrfach von Sicherheitskräften geräumt. Mit Bulldozern zerstörten sie das Lager und holzten einen Teil des benachbarten Waldes ab. Danach wurde der Zaun um das Hochschulgelände durch eine Betonmauer mit Stacheldraht erhöht. Im Sommer hielten sich dort etwa 900 MigrantInnen unter freiem Himmel auf. Eine Razzia mit mehr als 450 Festnahmen fand Ende Juli unmittelbar nach dem ersten Staatsbesuch des französischen Präsidenten Sarkozy in Marokko statt, die letzte in der Nacht vom 25. bis 26. Oktober. Mittlerweile befinden sich wieder etwa 80 MigrantInnen auf dem Campus von Oujda und etwa 50 an anderen Orten in der Stadt und der Umgebung. Sie werden nach wie vor von Sicherheitskräften verfolgt, die ihnen Decken, Kleidung und Essen weggenommen haben. Die Organisation ABCDS (Association Beni Znassen pour la culture, le développement et la solidarité), die sich in Oujda für die Belange der MigrantInnen einsetzt, bittet in einem Aufruf um Unterstützung für die Menschen, die bei Regen und Kälte ohne Obdach sind: »Gehetzt, verfolgt, festgenommen und mit Gewalt an die Grenzen transportiert, sind die MigrantInnen physisch, psychisch und moralisch müde und können die schwere Last dieses Krieges, der gegen sie geführt wird, nicht mehr ertragen. [...] Welches auch immer die Verantwortlichkeiten sein mögen und wie man diese Situation politisch analysiert, es ist kein akzeptabler Grund dafür vorstellbar, Menschen in einer solchen Situation sich selbst zu überlassen. Man muß ihnen zumindest Notversorgung, Lebensmittel und Kleidung zukommen lassen, die sie dringend benötigen.« Wer sich informieren möchte oder helfen und seine Solidarität bekunden will, wende sich per E-Mail an: abcds.asso@gmail.com Conni Gunßer und Kirsten Hofmann
Morgendlicher IrrtumÜberschriften sollen neugierig machen. Wie eben jene, die mir in einer Morgenzeitung bunt ins Auge springt. Sie lautet: »Die Besten in den Osten«. Welche Wendung? Durch wessen Fügung? Ist endlich Gedächtnis zurück- und Besinnung eingekehrt? An die DDR-Zeiten, in denen während Jahrzehnten Spezialisten in den Westen gelockt wurden, insbesondere von Unternehmen, deren Stammhäuser in der »Soffjetzone« verloren gegangen waren wie Zeiss und Schott in Jena? Oder an die Freiheit und Demokratie suchenden Ärzte, die dann den Brüdern und Schwestern in einem Maße fehlten, daß, da die Ausbildungskapazitäten in den eigenen Universitäten zwischen Oder und Elbe nicht mehr ausreichten, begonnen wurde, Hilfe der Tschechoslowakei und Ungarns in Anspruch zu nehmen? Soll nun die alte offene Rechnung beglichen werden? Werden jetzt aus Greifswald und Erfurt die zur Wendezeit dorthin entsandten Experten zweiter und dritter Wahl wieder abgezogen? Wird ein Elitewechsel vorgenommen, der das Kennzeichen auch verdient? Kommen nun die Nobelpreisträger, die den »selbsttragenden Aufschwung« in Gang bringen? Weit gefehlt. Ich sollte zwischen Fettgedrucktem und Kleingesetztem nicht zur Schrippe greifen und mich schönen Erwartungen hingeben. Mit »Die Besten in den Osten« wirbt Austrian, eine Fluggesellschaft unseres österreichischen Nachbarlandes, für Verbindungen nach Osteuropa, von denen sie 45 anbieten kann. Und das tut sie obendrein mit dem Versprechen »We fly for your smile«. Kurt Pätzold
Russische EinheitDie Spitze der Partei »Einiges Rußland« war jüngst über ihre Konkurrenten vom »Gerechten Rußland« aufgebracht. Diese hatten sich angemaßt, ihre vorgebliche Nähe zum Präsidenten öffentlich zu bekunden. Einer ihrer Wahlsprüche lautete: »Putins Pläne sind der Sieg der Gerechtigkeit«. Die Konkurrenz protestierte lautstark: Putin sei Heiligtum der »Einigen«, die »Gerechten« dürften es nicht anfassen . Bald darauf sorgte das Streitobjekt selbst für Klarheit: Er werde als Spitzenkandidat des »Einigen Rußland« antreten. Als Parteiloser will Putin sein ganzes Ansehen in die Waagschale werfen, damit diese Partei in der Duma eine ausreichende Mehrheit nicht nur für Gesetze, sondern auch für Verfassungsänderungen erhält. Dabei schloß er die Möglichkeit nicht aus, nach dem Ablauf seiner zweiten Amtsperiode als Staatspräsident (mehr als zwei läßt die Verfassung nicht zu) Ministerpräsident zu werden. Doch manche Analytiker bezweifeln diese Option: Nie würde Putin seine wahren Absichten vorzeitig bekannt geben, in Wirklichkeit führe er etwas anderes im Schilde. Aber was? Man kann sich wohl nur auf die Vorhersage des scharfsinnigen Liberalen Grigorij Jawlinskij verlassen: Egal, wer im März 2008 als neuer Staatspräsident gewählt wird, es wird auf jeden Fall Putin sein, wenn auch in einer anderen Gestalt. Und welches Schicksal erwartet nun die Partei »Gerechtes Rußland« mit dem Präsidenten des Föderationsrats, Sergej Mironow, an der Spitze? Ihr laufen nach Putins überraschendem Schachzug die Anhänger scharenweise davon. Mironow selbst versucht, weiterhin gute Miene zum bösen Spiel zu machen. »Unserer Wahlprogramm wird grundsätzlich nicht geändert«, versichert er. Klar, erwidern die fahnenflüchtigen Mitstreiter von gestern: Da »Gerechtes Rußland« kein Programm habe, gebe es nichts zu revidieren. Mironows Anhänger beteuern, sie würden Putin treu bleiben. Aber heißt das, daß sie, falls er Ministerpräsident wird, im Zweifelsfall gegen ihre eigene Partei stimmen werden? Inzwischen prophezeien Meinungsforscher einen »Erdrutschsieg« für »Einiges Rußland«, den auch ich für wahrscheinlich halte. Die Spitzenpolitiker dieser Partei versuchen nun, die vorzeitige Siegesstimmung zu dämpfen. »Wir wollen kein Einparteiensystem etablieren«, beteuert Präsidiumsmitglied Konstantin Kossatschew. Denn: »Das Einparteiensystem ist gesetzlich verboten.« Sergej Guk
AbwahlMir mißfiel der antisozialistische Eifer hinter den beiden gleichen glatten unbewegten Gesichtern des Staats- und des Regierungschefs. Unsere Medien hatten andere Gründe, das polnische Zwillingspaar nicht zu mögen. Nach der Wahl gab der bisherige Ministerpräsident den Medien die Schuld. Also den Deutschen, in deren Hand die meisten polnischen Medien sind. Die Kaczynski-Regierung, wirtschaftlich recht erfolgreich, hatte das deutsche Vorherrschaftsstreben in Europa behindert. Nicht lange. Barbara Borretsch
Aus einer nicht vergangenen WeltAls der Hamburger Verleger Friedrich Meißner endlich das seit Jahren versprochene Manuskript seines Autors Karl Marx in den Händen hatte der Verfasser war nach zweitätiger Schiffsreise aus London kommend am 12. April 1867 in der Hansestadt angekommen , war es weit umfangreicher als vereinbart. Schnell sollte sich zeigen, daß die Kapazität der eigenen Druckerei nicht reichte, um das gewaltige Werk zu produzieren. Ein Partner mußte her, und wo war er leichter zu finden als in Leipzig. So gelangte das Manuskript in die Buchstadt an der Pleiße zu Otto Wiegand, in dessen Buchdruckerei am Roßplatz 3b (heute Nr. 13) dann der erste Band des »Kapitals« von Marx gedruckt wurde. Eine Bronzetafel aus DDR-Jahren am einstigen Standort der Wiegandschen Druckerei erinnert noch heute an dieses Ereignis. Einhundertvierzig Jahre nach der Erstausgabe jenes Werkes, mit dem Marx, wie er im Vorwort zur ersten Auflage schreibt, antrat, »das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen«, ist es erneut in Leipzig auf die Welt gekommen, diesmal mit Hilfe des Leipziger Verlages von Elmar und Michael Faber. Aber auch Hamburg ist wieder beteiligt, und zwar in Person des in der Hansestadt lebenden und lehrenden Kunst-Professors Klaus Waschk, der für die Neuausgabe 150 teils schwarz-weiße, teils farbige Zeichnungen schuf. Das Besondere der neuen Edition, eingerichtet nach der von Friedrich Engels betreuten vierten Auflage (1890), besteht nämlich darin, daß sie die erste illustrierte ist, aufgeteilt in zwei Bände, zusammengefaßt in einer Kassette vorzüglich ausgestattet, wie bei Faber & Faber nicht anders zu erwarten. Reizen die oft satirischen Zeichnungen erst einmal zum Durchblättern der Bände, so nicht minder der klare Satzspiegel zum Lesen. Und gelesen (oder wiedergelesen) werden will und sollte dieses Werk, von dem der Berliner Politökonom Hans Schilar in seinem Geleitwort sagt, es sei eine Reise in eine vergangene Zeit, aber nicht in eine vergangene Welt. Auf der Frankfurter Buchmesse fand das in rotes Leinen gebundene Werk großen Zuspruch. Nicht nur Gewerkschaften griffen zu, auch Banken orderten es. Ein so intelligentes Buch zu lesen, sollte für niemanden eine Schande sein nicht für Kapitalverwerter und erst recht nicht fürs »Humankapital«. Edmund Schulz Karl Marx: »Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie«, Faber & Faber, 825 Seiten, 65 €
Walter Kaufmanns LektüreEin ungeheures Wagnis war es sicherlich und eine schwere Entscheidung, unmittelbar nach dem Krieg den Geburtsort und die Heimstätte Manhattan gegen ein zerstörtes Berlin einzutauschen, wo sich, wie sich zeigen wird, die Bewohner bei jeder Begegnung an den Kopf fassen: Was will diese Amerikanerin hier? Edith Andersen fehlt die Sprache zu erklären, daß sie aus Liebe kam, und in den gegebenen Umständen will sie meist für sich behalten, einem deutschen Kommunisten gefolgt und selber Kommunistin zu sein. Es erweist sich als verdammt schwierig, sich zurechtzufinden und einzuleben. Auf sich gestellt, wie es oft genug geschieht, weil ihr Lebenspartner Max Schröder, Cheflektor des neu gegründeten Aufbau Verlags, rund um den Tag mit wachsenden Anforderungen ausgelastet ist, verzagt sie nicht selten und fühlt sich vom Alltag besiegt. Mochte später auch eine Haushaltshilfe einspringen und die Geburt der Tochter ihr höchstes Glück bedeuten, das Ringen um Zeit für ihr Buch über amerikanische Eisenbahnerinnen im Krieg kostet Kraft. »Ein Blick zurück mit Zorn«, wie es die Buchankündigung will? Eher, so scheint mir, ein Blick zurück in Bitterkeit einer Bitterkeit geboren aus Fremdsein, Isolation, dem allzu beengten Lebensradius. Denn anders als die amerikanische bleibt Edith Andersen die Arbeitswelt der DDR so gut wie verschlossen. Darum entgeht ihr, was in den 1940er und frühen 50er Jahren eine Brigitte Reimann, einen Werner Bräunig geprägt hat schade! Denn bei allem ist sie, um den Titel eines ihrer Bücher (»Der Beobachter sieht nichts«) abzuwandeln, nicht bloß eine Beobachterin, die viel sieht, sondern auch eine, die ureigenste Erfahrungen mit Unzulänglichkeiten in der DDR, mit argen politischen und kulturellen Verfehlungen in jener Zeit so kritisch zu werten weiß, daß sich allgemeine Schlußfolgerungen aufdrängen. Walter Kaufmann Edith Andersen: »Liebe im Exil«, übersetzt von Christa und Clemens Tragelehn, BasisDruck Verlag, 547 Seiten, 22 €
AmbivalenzenIhr voriges, gemeinsam mit Edina Stiller verfaßtes Buch hieß »Verratene Kinder«; darin setzte sie sich mit ihrem Schicksal als Kind eines verhafteten Spions auseinander. In ihrem neuen Buch »Maskerade« schildert Nicole Glocke in der Form von Briefen an Frédéric Chopin das Leben und das eifrige Studium der Musikstudentin Felizitas Forman an der Universität der Künste in Berlin. Wir erfahren viel über diese Hochschule, aber auch manches über den Bundestag und über die Gastronomie der westlichen Innenstadt Berlins. Eigenwillige und wunderliche Musikprofessoren wie auch beeindruckende Kommilitonen, die Felizitas den Hof machen, tauchen auf. Felizitas ist die außereheliche Tochter eines östlichen Spions. Schließlich kommt sie in Kontakt zu einem älteren Herrn namens Lukas Fuchs, in dem wir den ehemaligen Chef der Hauptverwaltung Aufklärung des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit Markus Wolf erkennen sollen. Felizitas stellt ihn zur Rede und fragt ihn, wie er die Beeinträchtigung intakter Familien durch Spionageaktionen habe verantworten können, namentlich die »Romeo«-Aktionen, bei denen DDR-Kundschafter die Zuneigung von Frauen mißbrauchten. Es kommt zu etlichen Gesprächen, in denen Fuchs einen Überblick über seine Handlungsweise in Zeiten des Kalten Krieges gibt. Er spricht auch von seiner Herkunft, seiner Familie und erläutert seinen weltläufigen Lebensstil. Offenbar versucht er auch, Felizitas eine Arbeitsmöglichkeit in einer Wachschutzfirma zu verschaffen eine seltsame Firma, die für die selbstbewußte Heldin des Buches doch nicht ganz das Richtige ist. Am Ende ist sie im musikalischen Studium ein gutes Stück vorangekommen und hat den Umgang mit Ambivalenzen gelernt, so daß ihre Beschäftigung mit der deutsch-deutschen Geschichte zu so etwas wie Versöhnung führt. Friedrich Winterhager Nicole Glocke: »Maskerade 2007 Geheimdienstkontakte in Berlin«, Verlag MatrixMedia, Göttingen, 267 S., 19.50 €
Schultze-Boysen und andereAm 19. Dezember 1942 wurden der Wehrmachtsoffizier Harro Schultze-Boysen, der Wissenschaftler Arvid Harnack und acht ihrer Mitkämpfer und Mitkämpferinnen vom Reichskriegsgericht wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, wenige Tage später hingerichtet. Die Widerstandsorganisation, von der Gestapo als »Rote Kapelle« bezeichnet, hatte über Jahre hinweg den sowjetischen Nachrichtendienst mit militärischen Informationen versorgt und auf diese und andere Weise dazu beigetragen, daß letztlich die Anti-Hitler-Koalition siegte. Der Bildhauer Gerhard Rommel schuf im Auftrag des Innenministeriums der DDR eine Skulpturengruppe »Die Illegalen« als Denkmal für die ermordeten Antifaschisten. Aufgestellt wurde sie im Jahre 1988 im Schulungszentrum des DDR-Auslandsgeheimdienstes HVA im brandenburgischen Dorf Gosen. Nach 1989 verschwanden die Skulpturen in einem Lagerschuppen, bis sie auf Initiative der Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch (Linkspartei) im Jahre 2006 von der Birthler-Behörde dem Bezirk Berlin-Lichtenberg übergeben wurden. Kommunalpolitiker und Historiker trafen sich neulich zu einer Tagung über den weiteren Umgang mit dem Denkmal. Die Historiker waren sich einig über die Notwendigkeit einer stärkeren Würdigung der hingerichteten Widerstandskämpfer. Das Denkmal selbst erfuhr unterschiedliche Wertungen. Beispielsweise wurde geäußert, das Ministerium für Staatssicherheit der DDR habe sich damit unberechtigt in die Traditionslinie der »Roten Kapelle« stellen wollen. Die Vorschläge für den weiteren Verbleib der Skulpturen reichten von einer Aufstellung im öffentlichen Raum, einer Musealisierung bis zu einer Aufarbeitung durch zeitgenössische Künstler. Der Historiker Hubertus Knabe (»Gedenkstätte Hohenschönhausen«), der seit Jahren eine Gleichsetzung der DDR mit dem Naziregime betreibt, war ebenfalls geladen, zog es aber vor, aus sicherer Entfernung Pressemitteilungen zu versenden: Mehrere Medien berichteten unter Berufung auf ihn, die Linkspartei setze »die Traditionspflege der Stasi unter neuem Vorzeichen« fort. Die Denunziation des Antifaschismus schreitet voran. Die direkte NS-Abkunft des Bundesnachrichtendienstes wird derweil fleißig beschwiegen. Als Objekt der Empörung hat man ja den seit langem aufgelösten Staatssicherheitsdienst der DDR. Gerd Bedszent
Zuschriften ans LokalblattKaum hat die Frau Familienministerin einen guten Vorschlag gemacht, um das Alkoholproblem bei Minderjährigen in den Griff zu bekommen, ist schon wieder ein großes Geschrei ausgebrochen. Nun muß sich Frau von der Leyen gehässige Vorwürfe gefallen lassen und überall erklären, daß es nicht so, sondern ganz anders gemeint war. Dabei wollte sie doch nur, daß Halbwüchsige als verdeckte Ermittler eingesetzt werden und in Kaufhallen und Kiosken prüfen, ob hochprozentige Erfrischungsgetränke gesetzwidrig an Nuckler und Vorschulkinder abgegeben werden. Eine solche tolle Idee sollte man nicht abschmettern, sondern ausbauen! Da könnten die Kids endlich mal beweisen, daß sie nicht nur Straßenbahnscheiben zerkratzen und Lehrer verhauen können! Und besser könnten sie sich auf den Erwachsenen-Alltag in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung kaum vorbereiten! Apropos Lehrer: Gerade ist eine wissenschaftliche Studie veröffentlicht worden, derzufolge rund 50 Prozent der Lehrer dumm, faul und gefräßig sind. Sie sind nur deshalb Pauker geworden, weil es für andere Berufe nicht gereicht hat und weil Erziehung doch irgendwie jeder kann. Nun erhebt sich die Frage, welche Lehrer zu den Schmarotzern gehören, denn vielen sieht man es nicht gleich an. Würde man den Leyen-Test auch auf die Schulen ausdehnen und verdeckte Schülerermittler zur Beobachtung der Lehrer einsetzen, könnten schwache Lehrkörper schneller geortet werden. Das könnte auch den Einsatz von Kameras und Horchgeräten in Schulen sowie von privaten Wachleuten wie in Berlin-Neukölln wirksam unterstützen. Hugo Spannemann (47), ehrenamtlicher Undercover, 98724 Lauscha. * In einer der periodischen Fernseh-Informationssendungen ich glaube, es war Brisant wurde berichtet, daß es Tierforschern gelungen ist, durchsichtige Frösche zu züchten. Dadurch wird es möglich, Krankheitserreger und Krankheitsverläufe sowie innere Entwicklungsprozesse von außen sichtbar zu machen und den Durchblick zu erhöhen. Ich finde, was bei Fröschen, Lurchen und anderen Kriechtieren gelingt, müßte auch auf Menschen übertragbar sein. Für den Verfassungsschutz und das Innenministerium bieten sich dadurch ungeahnte Möglichkeiten, wenn das Innenleben der Bürger wie Klarsichtfolie ausgebreitet werden kann. Walter Späher, Hobby-Biologe, 23812 Glashütte. Wolfgang Helfritsch
Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
Press-KohlDie »große Ehre, Herrn Pflaume hautnah kennen lernen zu dürfen«, hatten Anke Bandlow-Kindl und Thomas Kindl aus Nürnberg. Sie bedankten sich bei der Zeitschrift, die ihnen die große Ehre vermittelt hatte, denn » SuperIllu suchte die schönsten Ost-West-Liebesgeschichten. Jury-Chef Kai Pflaume lud ein Siegerpaar in seine SAT.1 -Show Nur die Liebe zählt ein.« Bald durften dann die beiden Nürnberger Kindl »bei der Aufnahme der Show dabei sein«. Auf Sitzplätzen! Und wissen Sie, was der hautnahe Herr Pflaume für ein Geschöpf ist? »Ein Star ohne Allüren. Es war ein rundum gelungener Abend, der in einem wunderbaren Hotel seinen Ausklang fand.« Das klingt vielsagend. Vielleicht spendierten zum krönenden Abschluß SAT.1 noch 1 Nürnberger Original-Lebkuchen, die Illu 1 Nürnberger Original-Bratwurst und Herr Pflaume 1 nach ihm persönlich benannten Schnaps. * Apropos Nürnberg. »An mehreren Seen Bayerns«, meldete dpa , »ist die Polizei auf Krokodiljagd gegangen. Ein Angler hatte berichtet, daß er in einem Baggersee ein bis zu zwei Meter großes Reptil gesehen habe. Der Kiesweiher wurde deshalb für eine großangelegte Suchaktion abgesperrt. 40 Mann von Polizei, Feuerwehr und Wasserwacht beteiligten sich daran. Doch auch aus einem Hubschrauber habe kein Krokodil entdeckt werden können.« Wenn sich Krokodile, diese scheuen Tiere, beobachtet fühlen, fliegen sie davon und verstecken sich im dichten Blattwerk von Laubbäumen. Ich weiß Bescheid, weil ich Krokodile jage, um mein Hobby aus ihrem Leder Zigarrentaschen und lyrische Verse anzufertigen. »Wir müssen diese Krokodile, auch wenn sie noch kaum einer gesehen hat, ernst nehmen, sagte ein bayrischer Polizeisprecher.« Der Mann hat recht. Beherzigen Sie also bitte, was ich in einem britischen »Handbuch für besondere Notfälle« schon 1999 las: »Falls Sie in den Rachen eines Krokodils geraten sein sollten, schlagen sie dem Tier, soweit das möglich ist, mit beiden Fäusten auf die Schnauze, dabei auf die Augen zielend, und treten dem Krokodil noch Kräftig in den Rachen, um einen Würgevorgang auszulösen.« (Soweit das möglich ist.) Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 22/2007 |
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