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Wohltönend sprechen sie von der »Armee in der Demokratie«, von dem Prinzip der Inneren Führung, das den »mitdenkenden Gehorsam« zum Führungsprinzip bestimmt, und von dem »Staatsbürger in Uniform«, der aktives wie passives Wahlrecht besitzt und sich politisch betätigen darf (dabei aber das Gebot der Kameradschaft einhalten soll). Der Alltag ist schlichter und auch trostsloser. Vom Schützen bis zum General gilt auch im »Parlamentsheer« Befehl und Gehorsam als oberste Maxime allen militärischen Denkens und Handelns. So hielt man die verlorenen Haufen der Söldner bei der Fahne, und so schaffte man das Kanonenfutter für die Strategie der Massenvernichtung heran. Die Abschaffung des Krieges als Instrument der Politik, oberstes Ziel eines gesitteten Staates, ist so nicht einmal ansatzweise zu erreichen. Die Öffentlichkeit bewegt das wenig. Schon in den Tagen der Ohne-mich-Bewegung war die Bundeswehr kein wahlentscheidendes Thema. In den Medien erreichte die Wehrpflichtarmee nicht die Bedeutung, daß ihr Fachredaktionen eingeräumt worden wären. Schlagzeilen machen nur die großen und kleinen Skandale, bei denen es meist ums Eingemachte, um Traditionsverständnis und Militärreform, geht. Nun macht sich seit einiger Zeit ein Bürger in Uniform mausig, der seinen Handlungsspielraum nutzt, um diese sträflich offen gehaltenen Wissenslücken zu schließen. Der Oberstleutnant und Diplompädagoge Jürgen Rose schreibt im Freitag wie auch im Ossietzky seine brandaktuellen Kommentare zur diffusen deutschen Sicherheitspolitik. Und auch die politischen Fernsehrunden haben ihn als einen sachkundigen und faktenreichen Gesprächspartner entdeckt. Daß er im ehrlichen Zorn auch die unantastbaren Goldtressenträger anging, trug ihm beim hauseigenen Truppendienstgericht eine Disziplinarbuße von 750 Euro ein, da sich die Herren, wie schon einige Male zuvor, durch Sätze wie diesen beleidigt fühlten: »Hätte die deutsche, Generalität auch nur einen Funken Ehrgefühl sowie Rechts- und Moralbewußtsein im Leibe, so hätte der Generalinspekteur im Verein mit seinen Teilstreitkraftinspekteuren sich geweigert, den völkerrechts- und verfassungswidrigen Ordres der rot-grünen Bundesregierung Folge zu leisten.« Eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht unter Berufung auf die verbürgte Meinungsfreiheit wurde vom Gericht selber abgewimmelt. In einem Vorprüfungsverfahren wichen die höchsten Richter der dringend notwendigen Klärung aus, wie das Recht auf Meinungs- und Gewissensfreiheit für Soldaten zu sichern ist. In einer wortreichen, achtseitigen Erläuterung versuchten die Karlsruher Rotröcke dem Beschwerdeführer Rose klarzumachen, daß die Verhältnisse nun einmal so sind, wie sie sind. Die Bundeswehr sei immer noch etwas anderes als Jedermann in Uniform. Wörtlich steht da: »Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung tritt hier dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Interesse der Bundeswehr an der Wahrung ihrer Funktionsfähigkeit gegenüber.« Mit seinen Aufklärungsbemühungen riskiert der Soldat Jürgen Rose viel. Die einst voraussehbare Karriere als Stabsoffizier ging bereits flöten. Nach einer dienstlichen Erklärung, nur noch dann an internationalen Einsätzen der Bundeswehr teilzunehmen oder solche zu unterstützen, »wenn diese durch das Völkerrecht oder das deutsche Recht gedeckt sind«, haben ihn kleinkarierte Vorgesetzte in die Kasernenverwaltung versetzt. Dort obliegen ihm Ordnung und Sauberkeit der militärischen Liegenschaft. Es ist die reinste Verschwendung an persönlicher Intelligenz, militärischem Wissen und sicherheitspolitischer Kenntnis. Anmaßend und arrogant schreibt sein unmittelbarer Vorgesetzter in der jüngsten Beurteilung: »Oberstleutnant Rose hat die individuelle Laufbahnperspektive erreicht. Ich sehe kein für die Bundeswehr nutzbares Potential.« Das ist eine aus reinem Vorurteil geborene Behauptung, die in der persönlichen Beurteilung sogar widerlegt wird. Zutreffend und damit zugleich das »nutzbare Potential« des Delinquenten beschreibend heißt es da: »Oberstleutnant Rose ist ein kommunikativ sehr wirksamer Stabsoffizier, der den kritischen Dialog sucht und seinen Standpunkt hartnäckig verteidigt. Obwohl er die Legitimation bestimmter Auslandseinsätze der Bundeswehr in Frage stellt, hat er die ihm übertragenen Aufgaben im Beurteilungszeitraum insgesamt gewissenhaft und zufriedenstellend erledigt.« Genau dies ist die Verwirklichung des »mitdenkenden Gehorsams«, wie ihn der Reformer Wolf Graf von Baudissin der Bundeswehr empfohlen hat, wie er aber bis heute – nach einem halben Jahrhundert – nicht wirklich praktiziert wird. Aber es ist der einzige und richtige Weg, um dem fortlaufend Unheil gebärenden Dogma von Befehl und Gehorsam zu entgehen. Wie schwierig das noch sein wird, macht eine E-Mail erschreckend deutlich, die der Hauptmann Daniel Kaufhold als »deutscher Offizier« kürzlich an Oberstleutnant Jürgen Rose (kein deutscher Offizier?) schickte. Der Elitesoldat, Mitglied des »Kommandos Spezialkräfte« und auf shoot to kill gedrillt, droht unmißverständlich: »Ich beurteile Sie als Feind im Inneren und werde mein Handeln daran ausrichten, diesen Feind im Schwerpunkt zu zerschlagen.« Verrückt? Ja. Aber das alles haben wir in deutscher Vergangenheit schon einmal gehabt: die Fememorde der Freikorps und der Organisation Consul.
Erschienen in Ossietzky 22/2007 |
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