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In Erwartung der WölfeErst versuchten sie auf dem Weg zum Ural Stalingrad zu erobern. Als sie endlich Berlin aufgeben mußten, teilten sie es in zwei Hälften und rüsteten zwei Armeen auf. Die eine war bald am Ende, die andere verteidigt sich heute in Asien. Nachdem das DDR-Terrain aufgekauft ist, sollen nun aus dem ausgedünnten östlichen Restgebiet entlang Neiße und Oder die letzten Eingeborenen mit Wegzugsprämien fortgelockt werden. um den einwandernden sibirischen Wölfen Platz zu schaffen. Frankfurt/Oder, Cottbus, Görlitz, Dresden, Chemnitz, Leipzig sollen noch nicht gleich aufgegeben werden, auch nicht Ostberlin, wo indessen nachts immer öfter Wolfsgeheul zu hören ist. Auch die Fernsehreportagen aus den Zoo-Wolfsanlagen mehren sich. Die Besucher sind, in Erwartung größerer Rudelzuwanderungen, hoch motiviert. In den Zeitungen wird Hobbes zitiert, der Mensch ist des Menschen Wolf, besonders, wenn die Demographie es verlangt. So handelt die Regierung aus reiner Tierliebe mit ökologischer Verantwortung, und die Bundeskanzlerin hat dabei ein glückliches Händchen. Seit sie die Erderwärmung bekämpft, ist es bei uns schon viel kälter geworden. Wenn sie nun ihre Minister Schäuble und Jung darin bestärkt, gekaperte Passagiermaschinen über den östlichen Wolfsgebieten abschießen zu lassen, ergibt sich als humaner Verwertungsprozeß, daß die Tiere selbst im Winter genug zu fressen kriegen. Sogar einfliegende Aasgeier müssen keine Not leiden, wenn wir nur bald die nötige Grundgesetzänderung beschließen frei und demokratisch wie immer, wenn es gilt, mit den Wölfen glücklich zu heulen. Gerhard Zwerenz
SchneckeAngela Merkel wünscht immerzu. Ihre Wirklichkeit besteht aus lauter Wünschen. Eine Wunschwirklichkeit! Also wieder so'n Kohl. Sicher erinnern Sie sich der Prophetie des Altkanzlers: Keinem wird's schlechter gehen! Jetzt soll abermals für alle alles besser werden. Alle sollen was vom Aufschwung haben. Alle! Wirklich alle? Auch die Zuckerschnecke (aus der Region)? Kindskopfgroß war sie, als sie in die Läden kam, und kostete sechzig Pfennige. Das verleitete leicht, sich zwei auf einmal zu leisten (nicht für einen Preis). Der Zuckerschnecke stets auf der süßen Spur konnte man einen kontinuierlichen Aufschwung der Zuckerschnecke konstatieren. Sechser um Sechser schlich sie sich nach oben. Einen Sprung machte die Schnecke, als der Euro kam. Zugleich magerte die Zuckerschnecke auf kleine Handgröße ab. Dennoch war der unaufhaltsame Aufschwung der Zuckerschnecke nie zu bremsen. Jüngst erreichte sie die 80-Cent-Marke. Was, gemessen am Einführungspreis (Sie erinnern sich: sechzig Pfennig), eine Steigerung um wieviel Prozent ist? Und der Verdienst einer Verkäuferin seither? Nun soll die mäßig bezahlte Verkäuferin etwas vom Aufschwung abbekommen. Eine Provision pro Zuckerschnecke? Oder ist das wieder nur ein Wunsch, die Wunschwirklichkeit der Kanzlerin Merkel? Bernd Heimberger
NebentätigDie Volksvertreter,
Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
An die LokalpresseDie Bundesjustizministerin hat nun einen Ausweg gefunden, der sich mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung befindet: Abschießen ja, aber nur, wenn außer den Terroristen keine weiteren Personen an Bord sind! Das würde den finalen Rettungsabschuß gleich viel humaner gestalten. Das Dumme ist nur, daß die Terroristen nicht warten, bis eine Maschine leer startet, sondern im Gegenteil: Sie treiben ihr schändliches Werk normalerweise vor allem in gut besetzten Aeroplanen. Außerdem: Die Crew besteht ja auch aus Menschen, an die denkt keiner! Es gibt zwar unbemannte Raketen, aber noch keine unbemannten Passagierflugzeuge! Meine Lösungsvariante: Der gesamte Luftverkehr wird bis zur endgültigen Vernichtung des Terrorismus das wird ja noch etwas dauern auf die Schiene umgeleitet. Das würde dem Klimaschutz und dem beabsichtigten Börsengang der Deutschen Bahn gut tun und der nächsten für Dezember angekündigten Fahrpreiserhöhung auch nach meinem Überschlag ist es übrigens die 13. nach dem Mauerfall. Ladislaus Winkelried (63), Umschüler, 72250 Zuflucht. * Aus der Presse weiß ich, daß sich die Justiz dieser Tage noch mal mit dem Kannibalen von Rothenburg beschäftigen mußte. Dabei hat sich, wie der Berliner Kurier empört berichtete, herausgestellt, daß der Gourmet sein Opfer, einen mit ihm befreundeten Ingenieur, amateurhaft (!) dahingeschlachtet hat. Und das gab mir doch sehr zu denken. Nun ist ja der Verzehr von Artgenossen zugegebenerweise nicht jedermanns Geschmacksrichtung, aber wenn schon das lukullische Bedürfnis besteht, dann sollte man nur Profis ans Messer und ans Hackebeilchen lassen und nicht irgendwelche Stümper. Die normalen Metzger erhalten ja auch eine von der Industrie- und Handelskammer kontrollierte mehrjährige Ausbildung, und so etwas müßte doch auch für Kannibalen möglich sein! Vielleicht lassen sich über die Agenturen für Arbeit oder über die Volkshochschulen entsprechende Kurse mit Zertifikat einrichten.. Werner Fleischmann (48), Unternehmensberater., 14127 Berlin-Schlachtensee. * Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 6. September auf der Wissenschaftsseite von britischen Forschern, die ein Mischwesen aus Mensch und Kuh entwickeln wollen. Menschliches Erbgut soll in die Eizellen von Rindern übertragen werden und im Labor zu Embryonen reifen. Noch ist mir allerdings unklar, was damit bezweckt wird. In der DDR versuchte man schon mal, durch Kreuzungen die eierlegende Wollbuttersau zu entwickeln (zumindest behauptete es der Volksmund), aber das klappte nicht, weil die Wende dazwischenkam. Das wären dann immerhin noch Lebewesen im Tierreich geworden, doch jetzt will man tierische und menschliche Eigenschaften und Fähigkeiten mixen ja, geht denn das? Könnten dadurch hochleistunsgfähige Milchkühe entwickelt werden, die mit dem Fahrrad auf die Weide fahren, sich selber melken und die Milch mit dem eigenen Schwanz buttern? Oder könnte der Mensch zum Wiederkäuer mutieren, der infolgedessen täglich nur noch eine Mahlzeit benötigt und dank seines Fellbewuchses keiner Winterkleidung mehr bedarf? Die negativen Folgen für Industrie und Handel wären nicht auszudenken! Ich finde, bevor sich die Forscher auf solche Experimente einlassen, sollten sie sich erstmal auf den Menschen konzentrieren. Was hielten Sie beispielsweise von der Entwicklung eines Genforschers, der eigenhändig einen Nagel in die Wand schlagen kann? Oder von Politikern mit menschlichem Verstand? Werner Lorbaß (44), Logistiker, 01665 Mischwitz Wolfgang Helfritsch
Bin Laden in Sydney verhaftet?Der australische Premier, John Howard, seit 1996 an der Macht, tat und tut viel, um dem Land zu schaden. In den nächsten vier Monaten muß er Wahlen zulassen. Die Zeichen stehen schlecht für ihn und seine äußerst reaktionäre Koalition, die ihre Parlamentsmehrheit dazu benutzt hat, gewerkschaftsfeindliche, Menschenrechte beschneidende, die Aborigines entrechtende Gesetze einzuführen. In den sechs Bundesländern und den zwei Territorien haben sich inzwischen Labor-Regierungen durchgesetzt, und den Voraussagen nach werden viele konservative Abgeordnete die nächste Bundeswahl nicht überstehen. Ein Witz kursiert: Howard schreitet in den Parteisaal: Alle seine Parlamentarier sind in Zeitungen vertieft: Er fragt: Interessante Nachrichten? Nein, wir lesen Stellenangebote. Ossietzky hat schon berichtet, auf welche Ideen Howard verfallen ist, um von den politischen Problemen des Landes abzulenken. Zum Beispiel die Kampagne gegen angeblichen Kindersex bei den Aborigines und dann stirbt plötzlich ein weißer Senator (vielleicht durch Selbstmord), der von zahlreichen Männern beschuldigt wird, sie alle als Kinder mißbraucht zu haben. Oder die Kampagne gegen den an einem Krankenhaus in Queensland angestellten indischen Arzt Dr. Haneef, der als Terrorist verhaftet wurde. Die Beschuldigungen platzen, Haneef wird freigelassen. Die Regierung weist ihn aus. Die Richter erklären die Ausweisung für unbegründet, illegal. Letzter Versuch, Stimmen zu fangen: die Asien-Pazifik-Konferenz im September in Sydney. 27 Staatsmänner (oder war etwa doch eine Frau dabei?) sollen Howard loben. Ihre Sicherheit vor Islamo-Anschlägen soll durch grandiose Anti-Terror-Sondergesetze und gewaltigen Polizeiaufwand garantiert werden. Wird es, wenn auch nicht zu einem Anschlag, so doch wenigstens zu Krawallen kommen, bei denen sich Howard als der Starke Mann profilieren kann, den Australien für seine Sicherheit braucht! Alles wird groß, sehr groß vorbereitet. Der zentrale Business District von Sydney wird total abgeriegelt. Mauern durchziehen die Stadt. Der Verkehr wird lahmgelegt. Um das totale Chaos (und auch den Ärger) zu mindern, wird der Konferenz-Freitag zum staatlichen (bezahlten!) Feiertag deklariert... Hauptgast Bush lobt seinen »Kumpel Howard« (»Man of Steel«). Aber nützt das dem Gastgeber? Bush ist nicht sehr beliebt. Vielleicht kostet das Lob sogar Stimmen. Scharfschützen auf vielen Dächern. Hubschrauber über der Stadtmitte. Wie wirksam sind all die Sicherheitsmaßnahmen? Am letzten Bush-Tag kommt Bin Laden an. Verkleidet als Premier Kanadas. Seine drei offiziellen Wagen, auch die Motorradeskorte, werden durch die vielen Polizei-Sperren höflichst durchgeschleust. Bis zum Hotel Intercontinental, wo Bush weilt. Die Scharfschützen schauen zum Glück gerade anderswo hin. Der erwartete Premier steigt aus aber, mein Gott, es ist Bin Laden! Vollbärtig, in weißem Gewand. Pandämonium. Gott sei Dank wird nicht geschossen, nur verhaftet. Bin Laden zieht seinen Bart ab! Verjüngt sich um 30 Jahre! Ist also weder der kanadische Premier noch Bin Laden (beide blieben der Konferenz fern), sondern »The Chaser«, Chefkomödiant des TV-Senders ABC . Belesene Australier (die gibt es!) erinnern an »Schweik« und den Hauptmann von Köpenick. Riesengelächter. Über die Konferenz wird kaum etwas berichtet. Bush reist ab. Die Polizei verhaftet elf Fernsehleute, muß sie aber bald freilassen. Von Polizisten verprügelt wird ein 51jähriger Steuerberater, der den Sonderfeiertag nutzen wollte, um mit seinem elfjährigen Sohn die leere Stadt Sydney mit dem Fahrrad zu erkunden. Er soll gegen das Konferenz-Sondergesetz verstoßen haben und kommt für 22 Stunden hinter Gitter. Zur Verzweiflung seiner Familie, die nicht weiß, wohin er verschwunden ist. Das Schlimmste für die Obrigkeit, namentlich für Howard: Der Steuerberater ist ein Duzfreund einer berühmten, sehr reaktionären Zeitungsfrau, Miranda Devine. Bis dahin stand sie fest zur Polizei und zu Howard. Jetzt nicht mehr. Ein letzter Versuch am nächsten Tag, einem Samstag, doch noch Unruhen zu provozieren, schlägt ebenfalls fehl. Eine große Anti-APEC-Demonstration, von Regierung und Polizei im vorhinein als »gewaltsam« angekündigt, verläuft friedlich und fröhlich, trotz provokatorischer Greifverhaftungen. Auf der Abschlußkundgebung, nachdem Bush Sydney vorzeitig verlassen hat, spricht ein anderer Amerikaner, Matt Howard (kein Verwandter des australischen Premiers), ein 26jähriger Marine-Korporal a.D., der nach zwei Jahren im Irak zum entschiedenen Kriegsgegner wurde. Spricht gegen den Krieg, also gegen Premier Howard: »Wenn Bush in die australische Politik eingreifen kann, kann ich das auch!« Diese APEC-Konferenz, die als Wahlpropaganda für Howard dienen sollte, hat nahezu 350 Millionen australische Dollar gekostet. Die Landesregierung von New South Wales will jetzt wegen Geldmangels Bibliotheksgebühren einführen. Zu den Kosten trugen auch 27 handgearbeitete individuell gestaltete Goldmedaillen für die Chefteilnehmer bei. Die für Bush war sogar aus besonders teurem Weißgold gearbeitet. Max Watts
VeränderungDer Gang durch die Institutionen
Wie entmachtet man das Kapital?Mohssen Massarrat, Professor für Politikwissenschaft in Osnabrück, hat sich zu keiner Zeit im wissenschaftlichen Elfenbeinturm verkrochen. Ob als engagiert Lehrender und Autor zahlreicher Bücher oder als Publizist und Referent nimmt er seit Jahrzehnten pointiert und kompetent an den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um Frieden, Ökologie, Demokratie und Globalisierung teil. Mit seinem neuen Buch »Kapitalismus Nachhaltigkeit Machtungleichheit« hat er nun kurz vor seiner Emeritierung so etwas wie eine »Summa« vorgelegt. Er wagt sich daran, die verschiedenen Themen in einen revidierten teilweise auch marxismuskritischen Theorierahmen zu stellen und neu zu vermessen. Für ihn sind die Im-perialismustheorien von Rosa Luxemburg oder Ernest Mandel, auch neuere wie jene von Alex Callinicos oder David Harvey unzulängliche Analyse-Instrumente, weil sie allesamt in einer »Kapitalismusfalle« stecken bleiben würden. Massarrat dagegen will »Macht und Machtungleichheit« als eigenständige Komponenten thematisieren. Auch wenn Letzteres für mein Verständnis weder ausreichend noch immer überzeugend ausfällt, ergeben sich interessante Zugänge zu manchen Einzelproblemen. So wird die Frage der US-amerikanischen Hegemonie facettenreich beschrieben: die überlegene militärische Macht der USA als einzig verbliebene Supermacht, ihr immer noch riesiges Potential an Ressourcen und Arbeitskräften, ihre kulturelle Macht und anderes mehr. Diese für einen globalen Imperialismus eingesetzte Übermacht, ihre Gefährdungen (Ressourcenverknappung, Konkurrenz für den Dollar als Leitwährung der Welt, auch kulturelle Opposition gegen den american way of life) und die deswegen absehbaren Machtverluste zu analysieren, sei innerhalb des kapitalistischen Gesamtsystems möglich, das es auch erlaube, mögliche Machteingrenzungen durch andere globale Akteure (EU, Ostasien mit Japan und China oder UN) anzustreben. Für die weltweit nötigen Energieumstellungen und gegen den drohenden Klimawandel schlägt Massarrat vor, die Förderung fossiler Energieträger einzuschränken; dazu sollen UN-Agenturen ermächtigt werden. Die hierdurch steigenden Preise würden sehr schnell zu alternativen, erneuerbaren Energien sowie den notwendigen Einsparungen führen. Er fordert eine »Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten« (siehe Ossietzky 17/07) unter Einbeziehung aller Konfliktparteien vor allen auch Israels, dessen Atomwaffenpotenzial abzuschaffen sei, damit auch atomare Ambitionen des Iran keine Begründung mehr hätten. Er verspricht sich eine Effektivierung der UN-Kompetenzen durch stärkere Einbeziehung von Nichtregierungsorganisationen. Für die »Demokratisierung der Demokratie« auch in den Nationalstaaten setzt Massarrat auf die stärkere Einbeziehung der »Zivilgesellschaft« und ihrer Sozialen Bewegungen in die Gesetzgebungsverfahren, zum Beispiel durch »Räte« aus »hoch angesehenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens«. Aber wer schlägt vor, und wer wählt aus? Ist eine Expertokratie aus einem Rat der Weisen der Weg zu mehr Demokratie?? Die »Machtfrage«, deren bessere Berücksichtigung Massarrat anfangs versprach, scheint da kaum noch eine Rolle zu spielen. Von Massarrats Problemanzeigen und Analysen läßt sich dennoch viel lernen, auch wenn nicht jeder Lösungsvorschlag überzeugt. Den Weg der Systemanpassung, den viele einst Linke inzwischen gewählt haben, ist Mohssem Massarrat auch in seinem neuen Buch nicht mitgegangen. Er bleibt ein konsequenter »Reformer«, von dem viel zu lernen ist. Otto Meyer Mohssen Massarrat: »Kapitalismus Machtungleichheit Nachhaltigkeit. Perspektiven revolutionärer Reformen«, VSA-Verlag, 309 Seiten, 18.80 €
Kurt GoldsteinDie Kette von Zufällen, die unserer ersten Begegnung vorausgingen, war lang und die seine länger als meine. Kurt Goldstein war den Faschisten entkommen, hatte Kämpfe des Spanischen Bürgerkriegs als Freiwilliger in den Inter-nationalen Brigaden bestanden, die La-ger in Frankreich und dann Auschwitz und Buchenwald überlebt. Wie viele Augenblicke, in denen sein Leben früh enden konnte! Ich war irgendeinem Himmelfahrtskommando in der Festung Breslau entkommen und nicht in einen der überfüllten Züge gelangt, die in die Dresdener Bombennacht fuhren. Nach alledem lernten wir einander zeitig im September im Jahr des Kriegsendes in Weimar kennen. Er war nach der Befreiung des Konzentrationslagers auf dem Ettersberg in der Stadt geblieben, mich hatte es in sie verschlagen. Er, Jugend-sekretär der Landesleitung der Kommunistischen Partei, war auf der Suche nach jungen Leuten, die sich mit auf einen neuen Weg machten. So sei, erzählte er mir bei unserem Telefongespräch vor seiner letzten Reise nach Spanien, er auch auf mich »gestoßen«, einen Wegsuchenden. Damals bereitete er die erste Tagung der antifaschistischen Jugend Thüringens vor, die zwischen Weihnachten und Neujahr 1945 in Gera stattfand. Auf der Bühne des »Wintergartens« trat er mit leidenschaftlichen Appellen ebenso hervor wie mit dem besonnenen Wort, gerichtet an uns Heißsporne unter den Neubekehrten. Als wir in einer Internatsschule überlegten, wie wir unsere Wandzeitung nennen sollten, und dafür tief rot eingefärbte Titel vorschlugen, empfahl er uns bei einem Besuch Die Funzel als Kennzeichen, daß wir hinter die Dinge leuchten wollten. So unentwegt und unverdrossen er sich zu der Fahne bekannte, die er gewählt hatte, so sehr widerstrebte es ihm, bei jeder Gelegenheit mit ihr zu wedeln. Kurt Goldstein setzte auf das Wort, war ein Wortgewaltiger, der mit der Sprache nicht nur seiner Muttersprache umgehen konnte und die leisen Töne bevorzugte. Seine Empfehlung hieß: Nachdenken. Lärm störte dabei. Traf ich damals wie später mit ihm zusammen, unsere Wege kreuzten sich bei verschiedensten Diskussionen, Ehrungen und Kundgebungen, konnte ich jede Wette auf seine erste Frage eingehen: »Was machst Du?« Nicht, daß er den Verdacht der Untätigkeit gehegt hätte. So drückte er seine Teilnahme am Leben der Genossen aus, namentlich der jüngeren. Selten, daß der Antwort nicht weiteres Forschen folgte. Er war Meister in der Kunst, sein Gegenüber fragend zu neuer Überlegung anzuregen. Aufdringliche Belehrungen aus reicher Erfahrung waren seine Sache nicht. Dieses Begegnen gehört nun der Vergangenheit an. Der Ehrenvorsitzende des Internationalen Auschwitz-Komitees ist 92jährig in Berlin gestorben. Aber seine Frage »Was machst du?« sollten wir nicht vergessen, auch wenn wir sie aus seinem Munde nicht mehr hören. Kurt Pätzold
Die Gegenseitige Karl-May-HilfeDerzeit erinnern sich viele Leute, darunter auch die Besucher eines Berliner Museums, an Karl May, den Old Shatterhand aus Radebeul, der neben wuchernder Phantasie eine 26 Pfund schwere Donnerbüchse mit Namen »Bärentöter« besaß, um sich damit fotografieren zu lassen. Als Knabe hielt ich mich oft in ländlichen Gegenden auf; in den dortigen Ortschaften gab es zu DDR-Zeiten Läden der Gegenseitigen Bauernhilfe (GBH), deren Wirksamkeit ihrem Namen entsprach: Sie handelten mit Werkzeugen, Futtermitteln, Dünger, Hundekuchen und auch mit unvergälltem hochprozentigen Spiritus, welchen Kleingärtner zur Produktion verschiedener Obstler benötigten. In meiner Schulklasse entwickelte sich so ganz nebenbei eine Gegenseitige Karl-May-Hilfe (GKMH), weil die meisten von uns begeisterte May-Leser waren, das Taschengeld aber nicht für den Erwerb der zahlreichen Winnetou-Bände reichte. Also wurde in entsprechendem Abstand einer von uns ausgetrudelt, der jeweils den neuesten Band des Radebeuler Klassikers erwerben mußte. Seine zweite Aufgabe war (um unsere Lektüre zu beschleunigen) die Kennzeichnung aller nicht unbedingt lesenswerten Textpassagen mit Farbstiften. Grüner Strich: entbehrliche Landschaftsschilderungen. Rote Linie: Wiederholungen. Schwarz: religiös-moralische Belehrungen. Lila: allgemeines Geschwafel. Und so weiter. Heutigen modernen Romanen könnte man oft zur Warnung späterer Leser einen Zettel beifügen: »Von A bis Z Lila; da sexuelle Praktiken seit Jahrhunderten bekannt, ist das Aufblättern einschlägiger Beschreibungen ganz und gar entbehrlich.« Lothar Kusche
Press-KohlGas-Explosionen können, wie Jolantha M. aus dem Berliner Kurier erfuhr, überraschende Wirkungen haben. »Eine gewaltige Gas-Explosion versetzte die Anwohner von Gräveneck in Angst und Schrecken. Das Gas trat aus einer Überlandleitung aus, entzündete sich. Die Leitung barst, das Gas schoß wie aus einem Flammenwerfer heraus. Hundert Meter reichte die Feuersäule aus dem Leck. Sie hat Wiesen und Waldstücke versenkt, selbst den Fluß Lahn übersprungen.« Beim Sprung über die Lahn versenkte sie Wiesen und Waldstücke im Fluß. Aus lauter Übermut. * In der gleichen Ausgabe berichtete das zitierte Blatt über den Abschied Zehntausender Fans vom Fußball-Star Antonio Puerto, der mit 22 Jahren gestorben war. »Millionen Tränen zerschellten an schmerzverzerrten, fassungslosen Gesichtern.« * Eine Repräsentanz ist, wenn man dem Großen Fremdwörterbuch glauben darf (und das darf ich), eine »(geschäftliche) Vertretung«. Deutsche Handelsgesellschaften unterhalten, Pressemeldungen zufolge, im Ausland eigene Repräsentanzvertretungen. Der Leiter einer solchen Vertretung wäre der jeweilige Repräsentanzvertreter. Nun überlegen Sie bitte mal, wie man wohl dessen Vertreter nennt. Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 20/2007 |
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