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Wie haben inzwischen Justiz, Politik und Medien darauf reagiert? Während die Staatsanwaltschaft noch dabei ist, den Fall strafrechtlich aufzuarbeiten, hat längst die übliche Verharmlosungs- und Verdrängungsmaschinerie eingesetzt. Kommunalpolitiker streiten ab, daß es in ihren Orten Neonazis gibt, weil sie Schäden am Ansehen der Gemeinde fürchten. Landespolitiker schönen Kriminalstatistiken, damit Touristen und Investoren nicht durch die Wahrheit über das Ausmaß des alltäglichen Rassismus abgehalten werden. Und im Bundestag finden sich immer Abgeordnete, vor allem aus der Union, die durch die unverschämte, ahistorische Gleichsetzung von rechts und links einer Debatte über die Ursache des braunen Mobs und über wirkungsvolle Gegenstrategien ausweichen. Nach der Hetzjagd von Mügeln dauerte es nicht lange, bis der dortige Bürgermeister Gotthard Deuse (FDP), sich dreist über die Fakten hinwegsetzend, in zahlreichen Interviews glauben machen wollte, in seiner Stadt gebe es keine Neonazis. Einen rechtsextremistischen Hintergrund des Falles schloß er strikt aus. Und er verkündete das ausgerechnet in der Rechtspostille Junge Freiheit . Die FDP-Spitze in Berlin schwieg betreten. Auf politische Unerfahrenheit kann sich die sächsische Landesregierung nicht berufen. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) hatte keine Skrupel, am 15. September auf einem Wahlparteitag der CDU in Mittweida zu behaupten: »Es gab keine Hetzjagd in Mügeln, sondern auf Mügeln und die Mügelner.« Beschwichtigend forderte er eine »Auseinandersetzung mit Augenmaß«. Es sei unerträglich, wenn ein ganzer Ort und Landstrich stigmatisiert werde. Milbradt wurde mit einem guten Ergebnis als CDU-Landesvorsitzender wiedergewählt. Auf demselben Parteitag leistete Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Verharmlosern Beistand. Eigentlich ist er bekannt dafür, daß er gern dramatisiert; so hat er kürzlich gemeinsam mit dem aus gleichem Holz geschnitzten Verteidigungsminister Franz-Josef Jung mit Äußerungen über eine unbewiesene »nukleare Bedrohung durch Terroristen« fast eine Koalitionskrise ausgelöst. Wenn es aber darauf ankäme, sich mit dem Rassismus auseinanderzusetzen, wiegelt Schäuble ab. In Mittweida warnte er vor »hysterischen Debatten im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Vorfällen in Deutschland«. Schäuble zog die Vorgänge von Mügeln offen in Zweifel, indem er sagte: »Wir müssen ein bißchen aufpassen, daß wir noch die Fähigkeit haben, auch hinzuschauen, ob denn wirklich was gewesen ist.« Es gebe in öffentlichen Diskussionen manchmal eine Neigung, Aufregung zu produzieren; danach sei man nicht in der Lage zu erkennen, daß überhaupt nichts gewesen sei, sagte ausgerechnet Schäuble, der immer gern Panik vor »Terroristen« macht. Den ökologischen Überbau lieferte den Verharmlosern schon am 6. September der CSU-Abgeordnete und frühere bayerische Innenminister Peter Gauweiler in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung . Gauweiler, der sich selber gern als rechtskonservativen Querdenker sieht und bisweilen zu überraschenden Einsichten fähig ist, etwa in seiner Verfassungsklage gegen die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan, behauptete unter der Überschrift »Null Verstand, null Mut, null Gespür«: »Der Kampf gegen Rechts ist in Deutschland durch viel Hysterie und noch mehr Selbstgerechtigkeit gekennzeichnet.« So hätten sich »spektakuläre Fälle angeblich eindeutig rechter Gewalt« nachträglich »als politisch-mediale« Windeier herausgestellt. Daraus folgerte Gauweiler: Im »durch die Medien gejagten Fall Mügeln gehen sie auf den Bürgermeister los, der sich die Verunglimpfung seiner Stadt nicht gefallen lassen will, weil er der ach so furchterregenden Jungen Freiheit ein Gespräch gewährt hat ... Tatsächlich hat der Mann recht und verdient Unterstützung.« Gauweiler wußte das längst vor Abschluß der polizeilichen Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen 16 Verdächtige wegen Volksverhetzung und Körperverletzung. Über 100 Zeugen wurden vernommen. Soweit es um den Angriff der Menschenmenge auf die in der Pizzeria Zuflucht suchenden Inder geht, stehen die Ermittlungen kurz vor dem Abschluß. Acht Männer aus Mügeln und Umgebung müssen mit einer Anklage wegen Volksverhetzung rechnen. Einer der Beschuldigten soll zudem mit einem Lichtschachtgitter die Scheibe der Eingangstür der Pizzeria eingeworfen und sich damit einer Sachbeschädigung schuldig gemacht haben. Laut Spiegel-online vom 19. September beabsichtigt die Staatsanwaltschaft jedoch, den Vorwurf des Landfriedensbruchs fallen zu lassen – es sei schwierig aufzuklären, was der Hetzjagd vorangegangen war; bisher hätten sich kaum unbeteiligte Zeugen zur Verfügung gestellt. Man kann den zögerlichen Strafverfolgern nur empfehlen, die Sendung Kontraste des Rundfunks Berlin Brandenburg vom 20. September zu Rate zu ziehen. Die Autoren Caroline Walter und Alexander Kobylinski kamen unter dem Titel »Mügeln – eine Stadt wäscht sich rein« zu dem Ergebnis: »Über einen Monat nach der Hetzjagd auf Inder will man im sächsischen Mügeln nichts mehr von dem Skandal hören. Statt dessen macht man inzwischen die Opfer zu Tätern. Es heißt, die Inder wären selbst schuld an der Schlägerei gewesen. Sie hätten Deutsche verletzt und damit alles provoziert.« Kontraste fand Zeugen, die in jener Nacht selbst dabeigewesen waren und etwas ganz anderes berichten. Zwei deutsche Augenzeugen erklärten, sie hätten Angst, offen zu reden: »Ein Bekannter hat einen Anruf gekriegt, weil er der Presse etwas gesagt hat. Der hat schon eine Stunde später Drohungen per Telefon bekommen: Dich kennen wir jetzt. Dich kriegen wir noch.« Trotzdem entschlossen sich die Zeugen zum Reden, um verfälschenden Darstellungen in den Medien entgegenzutreten. Ihre Schilderung besagt, daß die Inder eindeutig Opfer und keineswegs selbst Täter gewesen seien. Im Festzelt hätten sie friedlich getanzt, auch mit einer deutschen Frau. Irgendwie sei die Stimmung gekippt, den Indern sei gedroht worden. Als sie daraufhin das Zelt verlassen hätten, seien gleich die Deutschen dagewesen und hätten sie ohne Grund attackiert. Ein Augenzeuge bekundete: »Ein Deutscher ist auf einen Inder losgegangen, hat aus der Hosentasche Pfefferspray rausgeholt und hat dem das ins Gesicht gesprüht, und in dem Moment hat er den Inder auch zu Boden getreten. Dann kamen noch andere Leute, haben Beifall geklatscht und haben zugejubelt.« Nach dieser Attacke hätten sich immer mehr Schläger auf die Inder gestürzt. Auch der Behauptung, man könne nicht von einer Hetzjagd reden, da die Inder nur ein paar Meter hätten laufen müssen, trat ein Augenzeuge in Kontraste entgegen: »Ich habe gesehen, wie die Inder in die Pizzeria gerannt sind, weil 20 Deutsche hinterhergerannt sind.« – »War das knapp?« – »Das war eine Sekundensache am Ende ... Wenn die Polizei nicht dagewesen wäre, wenn die da reingekommen wären, die Leute, die hätten die Inder totgemacht.« Wie auch immer die genaue Anklage am Ende aussehen wird, schon aufgrund der amtlichen Angaben im Verfassungsschutzbericht 2006 steht fest, daß die Anzahl der rechtsextremistischen Straftaten deutlich gestiegen ist: von 15.361 im Jahre 2005 auf 17.597 im Jahre 2006; im Jahre 2001 waren 10.054 derartige Straftaten registriert worden. Das bedeutet eine Zunahme um mehr als 70 Prozent innerhalb von sechs Jahren. Aber CDU/CSU-Politiker wie Milbradt, Schäuble und Gauweiler wiegeln immer noch ab. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 20/2007 |
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