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Sie führte ihn in die Fortschrittliche Volkspartei (1910–1918) und die Deutsche Demokratische Partei (DDP), für die er 1924–1928 und nochmals während ihrer offenen Rechtsdrift als Deutsche Staatspartei 1930–1933 dem Reichstag angehörte. Trotz vorher geäußerter Vorbehalte stimmte Heuss am 23. März 1933 mit den vier weiteren Mitgliedern seiner Fraktion und den Abgeordneten aller bürgerlichen Parteien dem Ermächtigungsgesetz für Hitler zu. Ein neues Beginnen unter die Symbolkraft eines Namens zu stellen, äußerte Heuss 1958, wäre »eine Sünde wider den Geist«, wenn man das Denken und Handeln des Trägers dieses Namens dogmatisieren wollte. Naumann sei »die interessanteste und facettenreichste Figur der sogenannten ›Wilhelminischen Epoche‹« gewesen und »in den Jahren seiner männlichen Entfaltung durchaus das, was man später etwas global ›Imperialist‹ nannte. Also: Kolonialkredite, Flottenvermehrung, freilich nicht in dem großsprecherischen alldeutschen Stil, doch mit einer gelegentlich brutal wirkenden Energie, um innere Einwände christlicher Gefühligkeit niederzuringen«. Als Naumann, so fuhr Heuss befremdlich verharmlosend fort, »eine alberne Rede des Kaisers bei dem Feldzug gegen die kriegerischen chinesischen ›Boxer‹ verteidigte – da war er für einige Zeit als ›Hunnenpastor‹ gestempelt«. Wie war es möglich, daß der ab 1949 beanspruchte Neubeginn eine Tradition aufs Podium hob, deren katastrophale Bilanz wenige Jahre zuvor für alle Welt sichtbar geworden war? Die Frage führt zu den Irrwegen und Niederungen dessen, was nach 1900 parteipolitisch noch als Liberalismus des deutschen Bürgertums gelten wollte. Der geistige und politische Weg von Heuss – Naumanns Schüler und jahrelangem Mitstreiter – gehört dazu. Bereits fünf Jahre nach dem Ableben seines großen Vorbilds hatte Heuss 1924 eine kleine Schrift »Das war Friedrich Naumann« veröffentlicht. Die von jenem erstrebte Synthese von »national und sozial« bezeichnete er darin wiederholt als »nationalen Sozialismus«. Dieser sollte »gegenüber einer internationalistischen Ideologie der sozialdemokratischen Bewegung die ›patriotische‹ Grundlegung einer Arbeiterpartei schaffen«. Einvernehmlich referierte Heuss: »Sozialistisch hieß aber vor allem die Bindung der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in nationale Zwecke. Der nationale Zweck: Volkserhaltung und Volksbehauptung.« Die soziale bedürfe der nationalen Politik, »denn allein die Sicherung der deutschen Machtstellung bietet den Massen die Voraussetzung von Leben und Aufstieg. Das erscheinen uns heute fast Selbstverständlichkeiten (und im letzten sind sie es auch).« Durch Naumann sei »Sozialismus« in ursächliche Verbindung mit der Außenpolitik und der Machterweiterung gebracht worden. Bereits damals nannte Heuss »Naumann in der entscheidenden politischen Konzeption seiner Werdezeit einen ›Imperialisten‹« und begründete die Wortwahl damit, daß »es notwendig ist, diesem Begriff sein Lebensrecht zu sichern außerhalb der plumpen Dummheit, die sich seiner bemächtigt, und frei von pazifistischem Ressentiment, das ihn verdächtigt«. Gegenüber der Sozialdemokratie habe in der Flottenfrage scharfe Gegnerschaft geherrscht; Naumann ging daher, wie bei Heuss weiter zu lesen ist, nach dem Scheitern seines Nationalsozialen Vereins 1903 zum Freisinn, der »die Flottenforderung bejahte«. Er wollte »der Motor des Machtwillens« der Liberalen werden. Als der Weltkrieg »den Charakter eines Volkskrieges annahm«, wäre unter anderen als den unfertigen deutschen Verhältnissen »die Schicksalsfrage der Bewährung notwendig an einen Politiker von der Artung, Vergangenheit und dem über Deutschlands Grenzen gehenden Ruf Naumanns herangetreten«. Diese Erwägung verrät viel darüber, daß Heuss‘ politische Vorstellungswelt im Horizont seines Idols befangen blieb, dem er 1906/07 mit der Mehrheit des Freisinns nach rechts, in den von Reichskanzler Bernhard von Bülow dirigierten konservativ-liberalen Block gefolgt war. 1932 kam Heuss‘ Studie »Hitlers Weg« in dichter Folge von acht Auflagen heraus. Der Autor erinnerte daran, daß die »Begriffs- und Sinnpaarung von ›national‹ und ›sozial‹« in der deutschen Parteiengeschichte durch Friedrich Naumann eingeführt worden war. Seine nationalsoziale Idee habe »auf einer einheitlichen Schau der deutschen Entwicklung« geruht und sei in manchem zeitbedingt gewesen. Später habe »nationalsozial« auf der Straße gelegen und sei von Hitler aufgehoben worden, der aus »sozial« das »Sozialistische« gemacht habe. Es gebe keinen Zusammenhang, da der Nationalsozialismus aus der Situation seit 1918/19 entstanden sei und Hitler vermutlich Naumann nie gelesen habe. Immerhin bezeichnete Heuss die Überlegung als »interessant und anregend«, daß Hitler nach Fichte, Lassalle und Naumann als Vierter »nach einem nationalen Sozialismus« strebe. Hier scheinen die teilweise beschönigenden Tendenzen dieses Hitler-Buches auf, aus denen sich wohl erklärt, daß – obgleich die Schrift 1933 verboten und verbrannt wurde – die Rachsucht der Nazis gegen den Verfasser sich in der Folge in Grenzen hielt. 1937erschien aus der Feder von Heuss die große Biographie »Friedrich Naumann. Der Mann, das Werk, die Zeit«, entstanden auf Wunsch der Familie und des Freundeskreises unter Einbeziehung des dafür übergebenen Nachlasses. Für gebildete Sympathisanten Naumanns und historisch wie geistesgeschichtlich Interessierte geschrieben, war sie frei von vordergründiger Anbiederung an die Naziideologie und deren Protagonisten. Das nationalistische und machtpolitische Denken und Streben war allerdings als Leitmotiv des Politikers und politischen Schriftstellers Naumann unübersehbar herausgearbeitet. Heuss resümierte, »Naumanns Deutschtum« sei elementar gewesen. Naumann habe »um den schöpferischen Sinn von Macht, Kampf, Befehl, Herrschaft« gewußt. Solche und ähnliche Aussagen konnten Goebbels' Aufsehern nicht mißfallen und blieben auch später brauchbar: Die Neuauflage des Buches 1949 entsprach politischen und geschichtsideologischen Bedürfnissen der Restauration. Zu fragen bleibt, wofür die von Heuss vor Jahrzehnten in persönlicher Befangenheit gerechtfertigten und verklärten Wege und Ziele Naumanns als Namenspatron einer Bildungs- und Forschungsinstitution am Beginn des 21. Jahrhunderts stehen sollen. Das haben die sich hinter dieser Flagge tummelnden freidemokratischen Politiker, Intellektuellen und Anhänger einer interessierten Öffentlichkeit noch nicht mitgeteilt.
Erschienen in Ossietzky 20/2007 |
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