Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Völkermord statt HolocaustKurt Pätzold Daß das Erscheinen des hier zu empfehlenden Buches mit der Eröffnung der Ausstellung zeitlich zusammenfiel, die den DDR-Staat als antisemitisch diffamiert, war ein Zufall. Verursacht war er auch dadurch, daß sein in Brandenburg lebender Autor für sein Manuskript nicht auf Anhieb einen Verlag finden konnte. Kein Zufall hingegen war, daß sein den Urhebern der Ausstellung gemachtes Angebot, sich mit ihnen gemeinsam öffentlicher Diskussion zu stellen, unangenommen blieb. Denn die Ausstellung, die inzwischen in den neuen Bundesländern auf Wanderschaft geschickt wurde, profitiert wie die gesamte Antisemitismus-Anklage gegen den ostdeutschen Staat von einem Interesse, das keineswegs auf Wahrheitssuche zurückzuführen ist, und von massenhafter Unkenntnis. Das Interesse, das den Initiatoren der Schau Geld und andere Unterstützung verschaffte, bleibt wohl noch auf Dauer ungestillt, denn der angebliche Nachweis des Antisemitismus, der ärgste Vorwurf, der sich in Deutschland gegen Personen, Organisationen oder Institutionen erheben läßt, bildet gleichsam den Schlußstein im kunstvoll-demagogischen Nachbau einer DDR, die es nicht gegeben hat. Und Unkenntnis darf vorausgesetzt werden. In den alten Bundesländern ohnehin. In den neuen wächst die Zahl derer unausgesetzt, die auf fremde Urteile über den untergegangenen Staat angewiesen sind. Die es anders und besser wissen, winken ab und schweigen weithin. Sie sind es zumeist überdrüssig geworden, alledem, was ihnen doch nur als üble Nachrede auch über sich selbst vorkommen kann, noch zu widersprechen. Zudem haben sie die Erfahrung gemacht, daß das Bestehen auf für jedermann nachprüfbaren Tatsachen Beschimpfungen wie Nostalgiker, Betonkopf oder Stalinist nach sich zieht. Auch mögen sie hoffen, die Korrektur des üblen Propagandabildes werde schließlich ähnlich leise erfolgen wie im Falle des einstigen über die Kindergärten in Ostdeutschland, wonach die Kleinen, wenn sie nicht gemeinsam auf Töpfe befohlen wurden und sich langweilten, NVA-Soldaten und allerlei Fahnen malen mußten. Die Hoffnung könnte sich als verfehlt erweisen. Der gebastelte DDR-Antisemitismus ist zu kostbar, als daß sich die Sache so erledigen würde. Matthias Krauß nun hat, ohne die Absicht, eine Gegenschrift zu verfassen, die Autoren der Ausstellung der totalen Ignoranz gegenüber der Tatsache überführt, daß über Jahrzehnte von Rügen bis in das Erzgebirge in den allgemeinbildenden Schulen Literatur über Juden, Judenfeindschaft und Judenmord obligatorischer Gegenstand des Deutschunterrichts war. Daß darüber viel falsch Zeugnis abgelegt worden ist, erwähnt er einleitend, fußend auch auf eher beiläufigen Befragungen, die er bei ihm bekannten Absolventen dieser Schulen gemacht hat. Ob die einen sich nicht erinnern können, weil sie – was bei der Dichte der Behandlung des Gegenstandes schwer denkbar ist – in Schulzimmern vor sich hingedöst haben, oder andere sich auf die Texte von Lessing, Lion Feuchtwanger, Heinrich Heine, Anna Seghers, Bruno Apitz Otto Gotsche, Friedrich Wolf, Johannes R. Becher, Arnold Zweig, Wili Bredel, Rolf Hochhuth, Egon Erwin Kisch, Jurek Becker, Sarah Kirsch, Johannes Bobrowski, Louis Fürnberg, F. C. Weiskopf, Stephan Hermlin aus anderem Grunde so wenig besinnen können wie auf den Satz des Thales oder des Pythagoras, sei dahingestellt. Krauß inspiziert diese Texte, ordnet sie Klassenstufen zu, prüft, welche Anregungen die Literatur für die Lehrer zu deren Behandlung gab, und greift auf Forderungen der verbindlichen Lehrpläne zurück. Diese Vorgehensweise verbindet sich mit dem Vorzug, daß er nicht nur Erlebnisse und Eindrücke seiner eigenen Schulzeit besitzt, sondern daß er auch ein aufmerksamer Schüler war, der sich im Literaturunterricht umfängliche Aufzeichnungen machte, die er bewahrt hat und nun illustrierend und bestätigend ebenso heranziehen konnte, wie er auf Interpretationen seiner Lehrer verweisen kann, darunter solche, die von Texten vordergründige, politisch gewollte Anwendungen herleiteten (vulgo: sie instrumentalisierten). Krauß‘ verdienstvolles Buch wurde bei seiner Vorstellung im Potsdamer Studentenclub von Erardo Rautenberg, dem Generalstaatsanwalt in Brandenburg, empfohlen, der dabei ausdrücklich der Titelwahl zustimmte. Mit der Bevorzugung des Begriffs Völkermord und der Ablehnung des unangemessenen Begriffs Holocaust stehe es, sagte der Jurist, auf diesem Feld 1:0 für die DDR. Nun wäre, im Sinne jener vielzitierten Forderung, wonach die Deutschen sich ihre Geschichten erzählen sollen, zu wünschen, daß ein Autor anderer Herkunft, Absolvent einer bundesrepublikanischen Schule, seine Erfahrungen und Recherchen beisteuerte. Ganz so könnte die Forderung aber auch wieder nicht gemeint gewesen sein.
Matthias Krauß: »Völkermord statt Holocaust. Jude und Judenbild im Literaturunterricht der DDR«, Anderbeck Verlag, 203 Seiten,14. 80 €
Erschienen in Ossietzky 20/2007 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |