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Nur achteinhalb Jahre nach ihrem Aggressionskrieg gegen das Balkanland hat die NATO den serbischen Behörden Angaben darüber zukommen lassen, wo sie im Frühjahr 1989 zur Unterstützung der bekannten Menschenrechtsorganisation UCK Streubomben plaziert hat. Nach einem Bericht des serbischen Verteidigungsministeriums hat der Militärpakt während des 78tägigen Bombardements gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien mehr als 2.000 dieser international geächteten Waffen abgeworfen: Metallbehälter, etwa 450 Kilogramm schwer, in denen sich bis zu 202 Kleinprojektile, Bomblets genannt, mit jeweils 1.800 rasiermesserscharfen Metallsplittern befinden, die auf einer Fläche von 150.000 Quadratmetern tödlich wirken. Nach anfänglichen Dementis bestätigte die Allianz nach dem Krieg den Abwurf der Behälter mit dem schönen Namen »Cluster Bombs« (engl.: Schwarm, Traube). Allerdings seien es nur 1.392 Stück gewesen, die 289.536 Bomblets enthalten hätten und auf 335 Ziele gerichtet gewesen seien. Die deutsche Bundesluftwaffe war daran, obwohl sie Streubomben in großer Zahl in ihren Depots gelagert hat, nur indirekt beteiligt. Sie hat lediglich mit ihren Tornados den B-1-Bombern und den anderen Kampfflugzeugen der USA, Großbritanniens und Hollands den Luftweg freigeschossen, damit diese unbehelligt von Radaranlagen und jugoslawischer Luftabwehr ihre tödliche Fracht ins Ziel bringen konnten. Ungeachtet der etwas unterschiedlichen Angaben stimmten Militärallianz und Belgrader Ministerium darin überein, daß rund 20.000 Bomblets nicht explodierten. Da sie bei der geringsten Berührung detonieren, stellen sie bis heute eine ständige Gefahr für die Zivilbevölkerung dar. Mehrfach fielen auch nach Einstellung der Luftangriffe serbische Bürger, darunter spielende Kinder, den Bomblets zum Opfer. Obwohl es in den zurückliegenden Jahren den Minenräumern gelungen war, einen Teil der Sprengkörper zu beseitigen, befinden sich laut dem Belgrader Zentrum für Minenräumung noch immer Tausende von ihnen auf einer Fläche von 23 Millionen Quadratmetern. Die Suche nach ihnen ist beschwerlich, lebensgefährlich und teuer. Um so größer ist die Freude darüber, daß die NATO jetzt schon die exakten Koordinaten der Abwurfstellen mitgeteilt hat. Nun schließen sich die vom Krieg geschlagenen Wunden. In Nis zum Beispiel vergessen und verzeihen auch die letzten Bewohner, daß am 7. Mai 1999 im Zentrum ihrer Stadt, auf dem Marktplatz in der Nähe der Universität und des Stadtkrankenhauses, durch eine Cluster Bomb 15 Menschen getötet und 24 verletzt wurden. Die Aufnahmen der erschlagenen und zerstückelten Menschen, die seinerzeit via Fernsehen um den Erdball gingen, gleichen denen der heutigen Opfer terroristischer Anschläge in Bagdad und Kerbala. Im Unterschied zu diesen waren die Betroffenen von Nis keine beklagenswerten Terroropfer, sondern Kollateraltote im gerechten Kampf der NATO-Menschenrechtskrieger. Auch die Bewohner von Kraljevo, Sjenica, Sabac und den touristischen Zentren im zauberhaften Kapaonik-Gebirge, wo Hunderte von Streubomben vom Himmel fielen, sind bereit zu vergeben. Dankbar blicken sie nach Brüssel und auf jene, die sich jetzt zu der großherzigen Tat der Offenlegung der Zielkoordinaten entschlossen haben. Selbst in kleinen Dörfern keimt bei den Bauern Hoffnung auf, daß sie irgendwann erfahren werden, welche Felder, Wiesen und Wälder sie unter keinen Umständen betreten dürfen, solange die Minen nicht gesprengt sind. Der 72jährige Vladimir Jovanovic wußte es nicht, als er bei Gartenarbeiten ein im Gras liegendes Bomblet berührte, dessen Splitter Gesicht und Körper zerfetzten, so daß er auf der Stelle tot war. Erstaunlicherweise scheint Vojislav Kostunica, der serbische Premier, die Dankbarkeit gegenüber den großmütigen Streubombenwerfern nicht zu teilen. Ausgerechnet jetzt sprach er sich wiederholt gegen einen Beitritt Serbiens zur Allianz aus, so erst kürzlich in einem Interview mit der Belgrader Vecernje Novosti : Serbien habe zu viele Kriegsopfer gehabt, »um jetzt durch einen Beitritt zum NATO-Pakt neue Opfer für fremde Interessen und auf anderen Kontinenten zu bringen«. Dabei hatten die USA und ihre willigen Alliierten so sehr damit gerechnet, in einer absehbaren Zeit tapfere serbische Soldaten im weltweiten Krieg gegen den Terror an ihrer Seite zu sehen. Undank ist eben der Welten Lohn. Indessen bereitet die NATO noch einen weiteren großherzigen Schritt vor. Sie will Kosovo endlich und möglichst schnell aus dem Staatsgebiet der Republik Serbien reißen. Dann würden auch die letzten dortigen serbischen Bewohner ihre Heimat verlassen und wären durch die auf ihrem Boden noch besonders reichlich herumliegenden Streubombenreste nicht mehr gefährdet. Auch dieses Angebot lehnt Belgrad unverständlicherweise ab.
Erschienen in Ossietzky 20/2007 |
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