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Diether Dehm stellt das Volks-, Liebes- und Kampflied der Resistenza in den Mittelpunkt seiner Episoden aus den Erzählungen von Partisanen, mit denen er befreundet war. »Bella Ciao« übersetzt man im Kontext wohl am besten mit »schönen Gruß«, auch »Sei gegrüßt, du Schöne« oder beim Abschied »Adé«. Adé du Schöne, Adé meine Liebe, das sagt, daß es »etwas Schreckliches ist, früh aufzustehen, eine schöne Frau zu verlassen und sich irgendwo eine Kugel einzufangen ...« Aber auch, daß es nicht anders geht, wenn man das Leben liebt und für das Menschliche einsteht. Und so sind Dehms Erzählungen eingebettet in die Liebesgeschichte zwischen Anna, der Partisanin aus dem Volk, Renzo, dem Dichter aus kleinbürgerlichem Hause und intellektuellen Kommunisten, dessen Buckel an Gramsci erinnert, und Giuseppe, dem Kommandeur der kommunistischen Garibaldi-Brigaden, sowie in die Konfrontation zu dem Führer der Schwarzhemden, Attila, einem früheren Jugendfreund Annas und Renzos. Wie sein »Duce« kam Attila einst von den Sozialisten, was dem italienischen Faschismus eine Demagogie verlieh, die er noch bis zum Ende der Salò-Republik zu nutzen versuchte. Um es vorwegzunehmen: Diether Dehm hat einen spannend zu lesenden Roman geschrieben, der zu Herzen geht. Er ergreift Partei und verhehlt es nicht, wenn er schreibt: »Ich muß allerdings zugeben, daß ich unfähig bin, in kühler Distanz zu berichten.« Schon dadurch regt »Bella ciao« zum Nachdenken an, nicht zuletzt darüber, wie wir heute mit dem Erbe der italienischen Resistenza umgehen. Die Handlung setzt nach dem Juli 1943 ein, als dieselben Kreise, die Mussolini 1922 an die Macht gebracht hatten, ihn stürzten: Großindustrielle, der König, Militärs, der Vatikan. Stalingrad hatte gezeigt, daß die Wehrmacht den Krieg nicht mehr gewinnen konnte. Die für ihren Realismus bekannten herrschenden Kreise wollten sich nicht in die Niederlage hineinziehen lassen. Und sie wollten einem Volksaufstand, der das faschistische Regime hätten stürzen können, zuvorkommen. Der faschistische Großrat, der seinen »Duce« absetzte, war ihr ausführendes Organ. Als Hitlerdeutschland am 8. September 1943 Nord- und Mittelitalien besetzte, konstituierte sich auf Initiative der Kommunistischen Partei ein Comitato di Liberazione Nazionale (CLN); erste Partisanengruppen entstanden. Der Roman handelt in den Bergen westlich des Lago maggiore. Einer der Kommandanten, die hier auftreten, ist Pippo (Filippo Frassati), der im Frühjahr 1945 mit seiner Brigade Cannobio befreite. Der frühere monarchistische Offizier stieß später zur KP, wurde Vize-Direktor ihres Gramsci-Instituts, Professor für Militärgeschichte an der Universität von Pisa, zusammen mit Pietro Secchia, den Dehm als eine der militärischen Größen ebenfalls einführt, Verfasser des bedeutenden Werkes »Storia della Resistenza«. Dehm gelingt es am Beispiel seiner Helden darzulegen, wie schwierig es war, aus den ersten, örtlich spontan entstandenen kleinen Partisanengruppen der verschiedensten Parteien des CLN kampfstarke zusammenwirkende Abteilungen und Brigaden zu formieren, gegen welche die Wehrmacht bereits Anfang 1944 fünfzehn Divisionen einsetzen mußte. Trotzdem versuchten die angloamerikanischen Alliierten, die Entwicklung der von den Kommunisten dominierten Partisanenarmee zu behindern, in ihren Reihen zu intrigieren, ihnen Waffenlieferungen zu versagen, ihre Kampfhandlungen zu bremsen. Während der britische General Landcroft im schweizerischen Locarno mit Renzo vorgeblich über den gemeinsamen Kampf berät, ist seine Tochter Margret erstaunt, von einem seiner Stabsoffiziere zu hören, die Partisanen seien »Verbündete, derer man sich über kurz oder lang wieder entledigen muß«. Er hat nichts dagegen, daß »die sich erst mal mit den Nazis herumprügeln«, denn es sind »dann ein paar weniger, die später die Diktatur ausrufen können«. Er gibt Truman wieder: »Deutsche oder Russen – sollen sich nur erst mal viele totschießen.« Dem entspricht auch sein Bekenntnis, daß es kein Interesse gibt, den Krieg zu verkürzen. Ob er »1944, 1945 oder im Jahr darauf beendet wird, bleibt sich gleich«. So bekommt Renzo denn auch mit, daß nicht vorgesehen ist, im Norden einen Brückenkopf der Alliierten zu bilden. Dieselbe Margret, deren »raffiniert geschlitzter Rock machte, daß die Männer ihre Blicke hinter ihr her schickten«, geht zu Renzo in die Berge. Die einstige Pfadfinderin schlägt sich tapfer, bleibt standhaft, auch als sie Attila in die Hände fällt. Sie beginnt zu verstehen, daß den Faschismus beseitigen, wohl tiefer gehen muß, als ihm nur die Waffen aus der Hand zu schlagen. Als Renzo in den 70er Jahren stirbt, ist sie eine Labour-Linke und spricht an seinem Grab. Nicht nur hier gestaltet Dehm Bündnispolitik. Mit seiner »Wende von Salerno«, dem Eintritt der CLN-Parteien in die nach dem Sturz Mussolinis vom König eingesetzte Regierung des Marschalls Badoglio, durchkreuzte KP-Generalsekretär Togliatti die Pläne Churchills, die Resistenza auszuschalten und Italien den Status eines gleichberechtigten Mitglieds der Antihitlerkoalition zu verwehren. Zur Sprache kommen die unterschiedlichen Meinungen über die Zukunft Italiens nach dem Krieg, Radikalismus, die Ungeduld, endlich loszuschlagen, so auch das Thema der Partisanenrepubliken, von denen eine im Ossola-Tal existierte. Sie konnten nicht gehalten werden. War es zu früh, diesen Schritt zu gehen? Viele widersprechen. »Es waren die schönsten Tage meines Lebens. Alles, wovon wir seit Jahren geträumt haben, wurde Wirklichkeit«, sagt einer der Partisanen. Um die Menschen der Ossola-Republik vor faschistischer Repression wie in der Fosse Ardeatine bei Rom oder in Marzabotto zu schützen, evakuierten sie 35.000 Menschen in die nahe Schweiz. Dehms Roman endet im Februar/März 1945. Ein Epilog führt bis zur Festnahme des »Duce« durch ein Partisanenkommando, dem Renzo und Giuseppe angehören. Das am 27. April vollstreckte Urteil wurde von einem Gericht des CLN gesprochen, das die Alliierten im Dezember 1944 als Organ der Antifaschistischen Regierung der nationalen Einheit in den noch besetzten Gebieten hatten anerkennen müssen. Zu dieser Zeit war die Partisanenarmee auf 256.000 reguläre Kämpfer angewachsen. 153.000 von ihnen waren Kommunisten, von den 70.000 Gefallenen trugen 42.000 das rote Halstuch der Garibaldiner. Während die Alliierten noch weit entfernt standen, folgten am 18. April in den Städten Norditaliens die Partisanen und die Mehrheit der Bevölkerung dem Aufruf des CLN zum bewaffneten Aufstand und übernahmen die Macht. Am 23. kapitulierte in Genua der Ortskommandant General Meinhold mit 9.000 Mann vor den Partisanen, am 27. April das X. Panzerkorps unter Generaloberst von Arnim, am 30. April 33.000 deutsche Soldaten am Monte Grappa. Insgesamt ergaben sich zwischen dem 25. April und 4. Mai allein im Veneto 140.000 Soldaten der Wehrmacht den Partisanen. Renzos Partei war zu dieser Zeit auf 2,2 Millionen Mitglieder angewachsen. Bei den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung im Juni 1946 wurde sie von 4.356.686 Italienern (18,9 Prozent) gewählt. In den nächsten Jahren stiegen ihre Stimmen auf knapp das Doppelte an. Bis heute bleibt die von Dehm angesprochene Frage umstritten, ob die Kommunisten und ihre Anhänger nach Kriegsende aus dem Schatten von Jalta hätten heraustreten und zum Aufbau des Sozialismus übergehen sollen. Das klingt auch an, wenn Dehm, was er gut beherrscht, Nuancen setzt und in wenigen Sätzen schildert, wie sich Anna und Renzo Jahre später auf einem Fest der Unità begegnen. Ihrer beider Tränen gelten nicht nur ihrer unerfüllten Liebe, sondern auch den verlorenen Hoffnungen so vieler Garibaldiner, daß es nicht gelang, die großen Konzerne, die den Faschismus an die Macht gebracht hatten, zu besiegen. Ich habe den Roman mit Bewegung gelesen. Mit dem angeführten Filippo (Pippo) Frassati war ich eng befreundet. Die Orte der Handlung um Ossola kenne ich gut, er hat sie mir oft gezeigt. Er starb 1991, seine Frau Liliane, die Kurier der Partisanen war, zog danach nach Cannobio, das Pippo im Frühjahr 1945 mit seiner Brigade befreit hatte. Jahr für Jahr haben meine Frau und ich sie dort besucht. Das letzte Mal 2006. Sie sprach sehr gut Deutsch. »Bella Ciao« konnte sie nicht mehr lesen, sie starb im Juli. Diether Dehm: »Bella ciao«, Roman, Verlag Das Neue Berlin, 396 S., 19.90 €
Erschienen in Ossietzky 19/2007 |
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