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August einen Autor, dessen berühmtester Buchtitel programmatisch fürs allgemeine Desaster steht: »Der Untergang des Abendlandes«. Unter der Fangzeile »Spengler persönlich« wird ein Meisterdenker der konservativen Revolution präsentiert, den Strauß »deutungsgewaltig« nennt und so liebevoll wie mitfühlend beschreibt, wofür er sich der demnächst im Lilienfeld-Verlag erscheinenden »Aufzeichnungen aus dem Nachlaß« von Oswald Arnold Gottfried Spengler bedient. Obertitel: »Ich beneide jeden, der lebt«. Beneidenswert nehmen sich die biographischen Details nicht aus. Man trifft auf einen verunsicherten, furchtsamen, bindungsunfähigen, sexuell sich mit Prostituierten weniger vergnügenden als begnügenden Mann. Von klein auf ist er geschädigt durch einen bei der Post beschäftigten, strengen und verständnislosen Vater, der Sohn leidet lebenslang an einer post(beamten)traumatischen Störung. Obendrein hat er einen schweren Herzfehler, der ihn zu seinem tiefen Kummer daran hinderte, 1914 mit in den Krieg zu ziehen. Das alles wird im gewohnt intellektuellen, hohen Botho-Strauß-Ton referiert. Steigen wir von dort runter in die reale Ebene, ist zu konstatieren: Im Vollbesitz aller seiner Schwächen hat der Untergangsprophet die Klappe ganz schön weit aufgerissen. Schauen wir mal nach, wie der Verfasser des »U. d. A« (so nennt er in den Notizen sein Hauptwerk) den Zeitgenossen erscheint. Zuerst Kurt Tucholsky 1931 mit einem Wortgewitter: »Der Mann läßt sich mit trutzigen Augenbrauen fotografieren und sieht aus wie ein geschlagener General, der in der Theorie gesiegt hat.« Das Bild auf rotem (!) Hintergrund ist in der FAS sehr schön zu überprüfen. Tucho weiter: »Was bildet sich dieser gipserne Groschen-Napoleon ein? Er hat ein paar Bücher geschrieben. Das kann viel sein – in diesem Falle ist es nicht viel (...) Spengler lebt in einer Zivilisation, die er ständig anpöbelt; er profitiert von ihr und steckt bis an den Hals in dieser Kaufmannszeit. Ein Heros des Füllfederhalters. Und Menschen leiden, leiden (…) Was weiß dieser Möchte-Attila davon! Nichts weiß er davon. Ein Mann, der überhaupt kein Gefühl für das Einzelwesen hat, aber mit dem Kosmos herumwirtschaftet.« Tucholsky kannte nicht die autobiographischen Spengler-Notizen, doch wie scharf durchschaute er allein per Stil- und Inhaltsanalyse den größenwahnsinnigen Solipsisten. Es steht außer Zweifel, der Polemiker Tucholsky könnte mit seinem 1931 veröffentlichen Text, selbst wenn Botho Strauß ihn läse, den FAS- Rezensenten in seiner nahezu ungebrochenen Spenglerei nicht irritieren. Schaffte das vielleicht Ernst Bloch? In dessen 1935 in Zürich publiziertem Buch »Erbschaft dieser Zeit« ist die Rede von der »Raubtier-Philosophie, zu der Spenglers Schau zuletzt zerfällt, und noch weniger bleibt von aller abendländischen Kultur zurück. Spenglers Mann der Spätzeit ist nicht einmal Zivilisationsbestie (…) sondern eine ganz nackte, eine dampfende vor allem; ja, eine Art Mißgeburt, ein Krokodil mit heißem Blut. So oberflächlich und summarisch, wie selbst an ihm ungewohnt, dekretiert der Spengler von 1931 ›Vitalismen‹, deren Falschheit nur noch von ihrer Banalität, deren Banalität nur noch vom Zynismus hemmungsloser Ausbeutung übertroffen wird. Nun sondern sich endgültig die Böcke von den Schafen, nun herrscht die vornehme ›Gesichtsethik‹ des Raubtiers über die ›feige Geruchsethik‹ der Beute. Nun ist ›die eigentliche Menschenseele jedermanns Feind, denn sie kennt den Rausch des Gefühls, wenn das Messer in den feindlichen Leib schneidet, wenn Blutgeruch und Stöhnen zu den triumphierenden Sinnen dringen‹. Nun ist, in kaum glaubhafter Hysterie, jede Greuelpropaganda über Deutschland bestätigt; und zoologischer Unsinn aller Art kommt recht, um die ›Nacht der langen Messer‹, welche die Nazis verkündet haben, vorweg zu ideologisieren.« Dieser Text prägte sich mir besonders ein, weil ich 1954, für ein Referat über die »Erbschaft dieser Zeit« im Bloch-Seminar an der Karl-Marx-Universität in der Deutschen Bücherei Leipzig sitzend, ihn mit der Hand abschrieb. Jetzt haben wir das Buch daheim und ich digitalisierte das Spengler-Zitat. Ob per Hand oder PC, es ist und bleibt gleich ekelhaft. Zugegeben, Botho Strauß rezensiert nicht die Spengler-Werke, mit denen Tucholsky und Bloch sich befassen. Doch wenn ein vollsinniger Mensch, der Strauß zweifellos ist, daran geht, einen Autor trotz leiser Distanz animiert zu reanimieren, von dem man hoffte, er sei längst ein Auslaufmodell, wäre es angebracht, ein wenig darüber Bescheid zu wissen, was der U.d.A-Verfasser sonst noch zu Papier brachte und was seine Zeitgenossen, soweit sie sich nicht einlullen ließen, dazu anmerkten. Botho Strauß übrigens klebt zum Ende seines langen FAS -Artikels den heute offenbar unvermeidlichen Verweis auf Heidegger an. Da weiß man doch, wo es langgeht.
Erschienen in Ossietzky 19/2007 |
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