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Mit dem Vertrag sollen die Rechtsbeziehungen abschließend und »für die Zukunft« geregelt sein; entsprechende Vereinbarungen mit der katholischen Kirche, »Konkordate« genannt, sind bereits bundesweit vorhanden: Neben dem »Reichskonkordat« vom Juli 1933, dem »Hitler-Pius-Pakt«, gibt es verschiedene »Länderkonkordate«, zuletzt das »Konkordat zwischen dem Land Brandenburg und dem Hl. Stuhl« vom Mai 2004 mit üppigen Privilegien für die katholische Minderheit, die einen Anteil von gerade drei Prozent der Gesamtbevölkerung Brandenburgs stellt (Nichtchristen dort: 71 Prozent). Geregelt wird in solchen Vereinbarungen neben dem Religionsunterricht, dem Sonn- und Feiertagsschutz, der Befreiung der Kirchen von staatlichen Gebühren und so weiter vor allem die Höhe der »Staatsleistungen als Entschädigung für die Enteignung des Kirchengutes während der Reformation (16. Jahrhundert) und der Säkularisation im Jahre 1803«. Als Rechtsgrundlage dafür werden die »Kirchenartikel« der Weimarer Reichsverfassung von 1919 (Artikel 136 bis 141) herangezogen, die »Bestandteil« des Grundgesetzes von 1949 geworden sind. Darin ist besonders der Weimarer Artikel 138 (Staatsleistungen, Eigentum) von Bedeutung: »Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.« Solche »Grundsätze« sind niemals aufgestellt worden; so wurde auch niemals ermittelt, um welche Rechtstitel er sich handeln könnte und wie hoch etwaige Staatsleistungen überhaupt anzusetzen sind. Vor allem aber blieb unklar, was unter »Ablösung« zu verstehen ist. Aus einer neueren Bemerkung der Bundesverfassungsgerichtes vom 30. 9. 2000 kann man zwar schließen, daß damit die Einstellung von Staatsleistungen an die Kirchen gegen Entschädigung gemeint ist, doch die Länderparlamente, meist äußerst kirchenfreundlich, sahen das immer anders. Für sie wurden die behaupteten, aber niemals präzis ermittelten kirchlichen Ansprüche an den Staat aus der Reformationszeit und durch die »Säkularisation« von 1803 in der Weise abgelöst, daß daraus, vertraglich abgesichert, eine »Dauerrente an die Kirchen« (so der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes Ernst Gottfried Mahrenholz) entstand. Artikel 7 der württembergischen Landesverfassung, auf den sich der nun paraphierte »Staatskirchenvertragsentwurf« ausdrücklich bezieht, lautet entsprechend: »Die dauernden (!; H.H. ) Verpflichtungen des Staates zu wiederkehrenden Leistungen an die Kirchen bleiben dem Grunde nach gewährleistet.« Nach diesem Grundsatz wurden nach 1919, nach 1945 (hier mit neuen Ansprüchen der Kirchen wegen ihres angeblichen Kirchenkampfes gegen das Nazi-Regime) und schließlich nach 1989 für die neuen Bundesländer Konkordate und Kirchenverträge flächendeckend abgeschlossen. Dabei geht es um beträchtliche Summen, die von allen Steuerbürgern aufgebracht werden müssen. Der wohl beste Kenner und Kritiker der kirchlichen Finanzen, Carsten Frerk, hat sie für das Jahr 2000 ermittelt und in seinem Buch »Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland« publiziert. Danach beliefen sich die angeblich überkommenen Staatsleistungen (»Dotationen«) der Bundesländer auf 812 Millionen DM; die Gesamtsumme aus den Länderhaushalten an die beiden Großkirchen betrug 7,4 Milliarden DM, und die benennbaren Zahlungen beziehungsweise Leistungen des Bundes, der Länder und Kommunen an die beiden großen Kirchen ergaben 39 Milliarden DM. Diese »Problematik der sogenannten Staatsleistungen ist der Öffentlichkeit nahezu unbekannt« (Mahrenholz). Nur einmal in den letzten 80 Jahren wurde sie für kurze Zeit ans Tageslicht gebracht. Das war in den frühen 1970er Jahren, als die FDP, angeregt durch ihren damaligen Jugendverband, die Jungdemokraten unter Ingrid Matthäus, die den Liberalismus als »aufklärerisch-rational« definierten, 14 Thesen zum Verhältnis von Staat und Kirche (»Freie Kirche im freien Staat«) zur Diskussion stellte. Die Hauptforderungen darin (»Die Staatsleistungen an die Kirchen ... sollen auslaufen« und: »Die bestehenden Kirchenverträge und Konkordate sind ... aufzuheben, ... neue Verträge dürfen nicht abgeschlossen werden«) lösten sogleich wütende Reaktionen der Amtskirchen aus, es ging ja um viel Geld und Privilegien. Den Kölner Kardinal Joseph Höffner erinnerten diese »Äußerungen« an »nationalsozialistische und bolschewistische Ideologen«, und die evangelische Kirche warf der FDP vor, damit »eine Endlösung (!; H.H. ) für das Verhältnis von Kirche und Staat anzustreben«. Nachdem auch Herbert Wehner für die SPD das FDP-Papier abgekanzelt und Kanzler Brandt in einer Regierungserklärung schon vorher den Kirchen eine Sonderrolle in »der pluralistischen Gesellschaft« (verfassungswidrig, weil dem Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität widersprechend) zugebilligt hatte, war die Diskussion um die »Staatsleistungen« und »Kirchenverträge« wieder beendet – bis heute. In den kommenden Wochen wird der soeben unterzeichnete »Staatskirchenvertragsentwurf« im Landtag von Baden-Württemberg und in den Landessynoden der badischen und der württembergischen Landeskirche debattiert – eine vorerst letzte Gelegenheit, die hier angesprochenen Probleme aufzugreifen. Das FDP-Papier, dessen Forderungen und Argumente immer noch höchst aktuell sind, kann dafür hilfreich sein. Aber man wird die Paragraphen des »Staatskirchenvertragsentwurfes« wohl unverändert lassen, bestehende Verträge nicht beenden. Dazu bedürfte es der verfassungsrechtlich geforderten »Grundsätze für die Ablösung der Staatsleistungen«, die der Bund aufstellen müßte. Die Diskussion darüber muß deshalb endlich auf den Weg gebracht werden. Es geht ja um viel Geld aller Steuerzahler.
Erschienen in Ossietzky 19/2007 |
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