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Rüstung rauf, Rente runterAnne Rieger Der Forderungskatalog des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) sagt knapp und deutlich, was die Machthaber der Wirtschaft vom politischen Personal erwarten: »Erforderlich ist nach wie vor eine signifikante reale Erhöhung des investiven Anteils des Verteidigungshaushalts.« Die im November 2006 beschlossene Erhöhung der Ausgaben für Kriegsgüter von sechs Milliarden Euro (25,2 Prozent des Verteidigungshaushaltes 2006) auf 7,2 Milliarden Euro (29,1 Prozent des Verteidigungshaushaltes 2009) reicht dem BDI-Präsidenten Jürgen Thumann und seinen Leuten nicht. Zum wiederholten Mal verlangt der Industriellenverband, noch mehr Steuergelder für die Rüstung zu verballern. Zwar bewertet er »die planerische Erhöhung des Verteidigungshaushaltes« gemeint sind die um 900 Millionen Euro auf 29,3 Milliarden Euro erhöhten Ausgaben für Kriegsführung und -vorbereitung im Einzelplan 14 des Bundeshaushalts für das Jahr 2008 »grundsätzlich positiv«. Aber sie genügt ihm eben nicht. Auch »die Verknüpfung von ziviler und militärischer Forschung« müsse »intensiviert werden«. Gleiches gelte für die nationale und europäische Sicherheitsforschung. Wenige Tage vor einer Regierungsklausur im idyllischen Schloß Meseberg stellte der BDI auf 28 Seiten seine Forderungen für die verbleibenden zwei Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl zusammen und verlangte, daß sie »noch 2007 angepackt und in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode umgesetzt werden«. Er nannte das Schriftstück aber nicht Forderungskatalog, sondern »Reformagenda« unbestreitbar ein viel schönerer Name. 193 Milliarden Euro jährlich zahlen die Menschen der 27 EU-Staaten heute schon für Aufrüstung und Kriegsführung. Die in Brüssel, also am selben Ort wie die EU-Kommission, stationierte Europäische Verteidigungsagentur (EDA) hat den Auftrag, dafür zu sorgen, daß sich dieser Geldfluß erhöht und die Ausgaben der EU-Mitgliedstaaten effektiver verwendet werden. Sie ist dem EU-Beauftragten für Außenpolitik, Javier Solana, unterstellt, der Außenpolitik gern als Militärpolitik versteht. Am 1. Oktober wird der Deutsche Alexander Weis, derzeit Abteilungsleiter Rüstung im Bonner Verteidigungsministerium, den Briten Nick Witney als Geschäftsführer der Europäischen Verteidigungsagentur ablösen zweifellos im Sinne des BDI, der auf »eine noch stärkere Einflußnahme zugunsten der deutschen Verteidigungswirtschaft« dringt. Höhere Rüstungsausgaben müssen irgendwie finanziert werden. Das ist zwar auch dem BDI klar, aber höhere Steuerpflichten für seine Mitglieder lehnt er strikt ab. Vielmehr lobt er die bisherigen Steuerentlastungen für die Industrie und fordert gleich zu Beginn seines Papiers, die Unternehmen müßten noch weiter entlastet werden. An der zu Jahresbeginn eingeführten dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung, die du und ich bezahlen, hat er nichts auszusetzen. Für »dringend notwendig« hält er »die Deregulierung des Gesundheitssektors«. Die Bundesregierung war diesen Wünschen der Herren vom BDI schon im vorauseilenden Gehorsam entgegengekommen: Während der Verteidigungshaushalt von 2007 auf 2008 um 3,2 Prozent steigt, wird der Gesundheitsetat um 1,4 Prozent auf knappe 2,9 Milliarden Euro beschnitten. Und so wird die Bundesregierung wohl auch der Forderung der Unternehmer nachkommen wollen, die Kosten für die Gesundheit »von den Arbeitskosten abzukoppeln«. Unumwunden wirbt der BDI auch für die Altersarmut. Notwendig sei »die Konzentration der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine Basissicherung mit beitragsbezogenen Leistungen. Darüber hinaus müssen die bisher unterbliebenen Rentendämpfungen schon vor 2011 nachgeholt werden, und die Hinterbliebenenversorgung muß reformiert werden.« Rentendämpfungen so fein, so vornehm kann man über den Rentenklau sprechen, wenn man nicht der Beklaute ist. Zur Anhebung des Rentenalters äußert der BDI selbstverständlich Zustimmung, die Ausnahmeregelung für langjährig Versicherte lehnt er ab. Hauptsache, die Rente wird weiter gekürzt, damit die Unternehmen weniger in die Rentenversicherung einzahlen müssen und kostbare Steuergelder nicht für Rente, sondern Rüstung verwendet werden können. Wie es den Menschen im Alter geht, interessiert die Spitzenverdiener nicht. Und auch bei den Ärmsten der Armen den Hartz-IV-EmpfängerInnen ist angeblich noch Geld zu holen: »Zuschläge für ehemalige Arbeitslosengeld-Bezieher sind abzuschaffen.« Man mag sich darüber wundern, daß trotz all solcher Aufträge zu weiterem Sozialabbau der Haushalt für Arbeit und Soziales bei der Haushaltsplanung der Bundesregierung ungeschoren davongekommen ist. Wenn aber der BDI fordert: »Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und die Reform des Kündigungsschutzes müssen wieder auf die politische Agenda«, dann leuchtet ein, daß die Bundesregierung für die zu erwartenden zusätzlichen Arbeitslosen Vorsorge treffen muß. Erhalten doch heute schon 5,3 Millionen Menschen Arbeitslosengeld II und eine Million Arbeitslosengeld I. Sie können nicht alle als SoldatInnen nach Afghanistan und in andere Länder geschickt werden. Besonders die Älteren nicht. Aber in manchen Agenturen für Arbeit wirbt die Bundeswehr bei erwerbslosen Jugendlichen für den Soldaten-»Beruf«, der heute ohne Auslandseinsätze nicht mehr zu haben ist.
Erschienen in Ossietzky 19/2007 |
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