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Verschärfung
Nötig seien schärfere Gesetze: Wolfgang Bittner
EinheitsgesängeEinheitsgewerkschaften, Einheitstarife – das waren für Ideologen der freien Marktwirtschaft jahrzehntelang Schreckgespenster. Millionenbeträge wandte zum Beispiel der Siemens-Konzern noch in jüngster Zeit auf, um eine Konkurrenz zur IG Metall zu schaffen. Immer lag es im Kapitalinteresse, die gewerkschaftliche Solidarität der Beschäftigten aufzubrechen und zu schwächen. Wenn jetzt gegenüber den Lohnforderungen der Lokomotivführer die Konzernpresse plötzlich Loblieder auf Einheitsgewerkschaften und Einheitstarife anstimmt, läßt sich daraus schließen, wie zufrieden Kapital und Kabinett inzwischen mit TransNet und anderen DGB-Gewerkschaften sind, die seit Jahren Lohnsenkungs- und Arbeitszeitverlängerungsverträge unterschreiben. Denjenigen, die in den Gewerkschaften noch für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, gegen die Umverteilung von unten nach oben, gegen verschärfte Ausbeutung, für Arbeitszeitverkürzung als wirksames Mittel gegen Massenarbeitslosigkeit kämpfen, schmerzen bei diesen Lobliedern die Ohren. E.S.
Friedhof für FansNun ist es amtlich: In diesen Tagen wird in Hamburg der erste Spatenstich für den Fan-Friedhof des Hamburger Sport-Vereins vorgenommen. Der HSV wird dann bald der erste Klub der Fußball-Bundesliga sein, der seinen Fans eine letzte Ruhestätte in der Nähe seines Stadions, der Nordbank-Arena, bieten kann. Seine treuen Anhänger können dann nach ihrem Tod dem Verein auf ewig verbunden bleiben. Wann werden die politischen Parteien solche Friedhöfe anlegen? Aber nein, so viel Anhänglichkeit und Treue gibt es da nicht. Karl-Heinz Walloch
Die aussortierende SchuleÜberforderte Lehrer, amoklaufende Schüler, Gewalt auf den Schulhöfen – das bundesdeutsche Schulsystem kommt seit Jahren immer wieder in die Schlagzeilen. Ernsthaft analysiert wird die dahinter steckende Misere nur selten; Politiker und Massenmedien üben sich stattdessen in kurzschlüssigen Schuldzuweisungen: Mal sind die angeblich integrationsunwilligen Eltern der Migrantenkinder schuld, mal ist es die antiautoritäre Pädagogik, mal werden gewaltverherrlichende Computerspiele als Ursache für die zunehmende Brutalisierung von Kindern und Jugendlichen ausgemacht. Freerk Huisken hat sich bereits in mehreren Büchern kritisch mit den Defiziten des gegenwärtigen Bildungssystems auseinandergesetzt. Sein kürzlich erschienener Sammelband faßt mehrere Beiträge über die Gewalteskalation an bundesdeutschen Schulen zusammen. Die Ursachen sieht er in der Struktur des Unterrichtswesens. Die Schule helfe den Schülern kaum bei der Wissensaneignung, fördere dafür Konkurrenzverhalten, grenze aus, gebe bereits früh aussortierten »Verlierern« keine Möglichkeit, den einmal verlorenen Anschluß zurückzugewinnen. Das System wirke diskriminierend: Die »Gewinner« des gnadenlosen Wettstreites um den besten Bildungsabschluß stammen fast ausnahmslos aus privilegierten Elternhäusern, Kinder aus armen oder gar aus Migrantenfamilien haben dagegen kaum Chancen, über einen Hauptschulabschluß hinauszugelangen. Der Autor warnt davor, die zunehmende Brutalität in den Schulen als Protest gegen die Defizite des Bildungssystems mißzuverstehen. Die Zeiten einer Politisierung der Jugend seien leider vorbei. Die gegenwärtige Schülergeneration habe Entsolidarisierung und Konkurrenzverhalten im wesentlichen verinnerlicht. Gewalt sei eine zwar unerwünschte, aber durchaus systembedingte Reaktion der »Verlierer« aufs Aussortiertwerden: Die im Schulbetrieb nicht erzielte Anerkennung wird erzwungen. Der »Irrsinn« der Amokläufe von Emsdetten und Erfurt sei somit eine konsequente Fortschreibung des Irrsinns eines auf Zurichtung von Heranwachsenden und Aussortierung »Ungeeigneter« ausgerichteten Schulsystems. Leider hat Huisken seine Kritik nicht durch internationale Vergleiche untermauert. Er schreibt lediglich, daß die Welle schulischer Amokläufe in den USA vor zehn Jahren, in Deutschland vor fünf Jahren begann. Das Bildungssystem des gewesenen zweiten deutschen Staates wird im Buch nicht erwähnt. Und schon gar nicht, daß nach jüngsten Umfragen noch immer eine satte Zweidrittelmehrheit der ostdeutschen Bevölkerung die damalige Gesamtschule dem gegenwärtigen Unterrichtssystem vorzieht. Gerd Bedszent
Freerk Huisken: »Über die Unregierbarkeit des Schulvolks. Rütli-Schulen, Erfurt, Emsdetten usw.«, VSA-Verlag, 173 Seiten, 12,80 €
Schmach und SchmähungenSeine ersten 25 Lebensjahre waren voll der gröbsten Gewalt, die einem Kind und Jugendlichen widerfahren kann. Ein Vierteljahrhundert, in dem Tim selber gewalttätig wurde. Der ständig Verletzte verletzte ständig. Über den Verstoßenen, vielfach Vergewaltigten, von Angst verfolgten Tim sagt der nun bald 50jährige, zum mehrfachen Vater gewordene Tim: »Für mich gib's nur Angeberei und Gewalttätigkeit.« Er schildert das so präzis wie schonungslos. Sich nichts vorzumachen, bedeutet, denen nichts vorzumachen, die ihn fortgesetzt geschändet haben. Bedeutet, keine Schändung zu verbergen. Bedeutet, von der Rabenmutter zu reden, vom Vater, der ihn fast totschlug, von Erziehern und Behörden, die ihn wiederholt an den Rand der Selbsttötung trieben – mitten im zivilisierten Frankreich des 20. Jahrhunderts. »Boxerkind« ist die Summe eines individuellen Schreckensschicksals und Teil der Selbsttherapie des Tim Guénard. Seinen Triumph über alle Schmach und Schmähungen hat er in dem Satz zusammengefaßt: »Ich habe dem Verhängnis den Hals umgedreht.« Mit dieser Formulierung gesteht das Opfer, daß jeder Sieg, jeder Erfolg, jede Zuversicht Opfer kostet. Guénard opfert weder seinen gewalttätigen Vater noch seine herzlose Mutter, er opfert nicht das kriminelle Milieu, in dem er sich prostituierte. Er opfert die Schwulen. Während er jedem Gewalttäter seines Lebens verzeiht, jede Gewalttätigkeit zu verstehen versucht, hält er seine Verachtung für die Schwulen aufrecht. Sie sind, sie bleiben ihm die schlimmsten Schandtäter. Weil er die Angeberei nicht wirklich aufgegeben hat? Bernd Heimberger Tim Guénard: »Boxerkind. Überleben in einer Welt ohne Liebe«, aus dem Französischen von Eliane Hagedorn, Bettina Runge, Pattloch Verlag, 240 Seiten, 16.95 €
VolkskörperpflegePaul Wulf: als Kind in eine »Idiotenanstalt« verbannt und 1938 zwangssterilisiert, von Gesetzes wegen, weil es an »Erbgesundheit« fehle. Während des Krieges politisch widerständig, nach 1945 beharrlich aktiv für die Aufklärung über die Staatsverbrechen des »Dritten Reiches«. Erst 1979 wird ihm eine Rente für seine Leidenszeit unter dem Nazi-Regime zugestanden. Paul Brune: 1943 im Alter von acht Jahren als »gemeingefährlicher Psychopath« in die Psychiatrie gezwungen, bis 1957. Erst 2003, nach langem Kampf mit den »Experten«, als ein Opfer der NS-Pseudowissenschaft rehabilitiert. Über die Lebensläufe dieser beiden Menschen, die von Ärzten und Gutachtern als »Untermenschen« klassifiziert und behandelt wurden, berichtet ein Sammelband von Münsteraner Autoren, die damit exemplarisch deutlich machen, daß die NS-»Erbgesundheitspolitik« mit ihren rassenbiologischen Grundlagen bereits vor 1933 in die Wege geleitet und nach 1945 über Jahre hin verlängert wurde, nur eben ohne das Hakenkreuz-Zeichen. Sichtbar wird auch, daß kirchliche Institutionen sich dem Verbrechen keineswegs widersetzten, sondern den »Minderwertigen« so etwas wie »Zucht im Namen des Herrn« verordneten. Wer sich über den Umgang der deutschen Gesellschaft mit Kindern und Jugendlichen, die der »Norm« nicht entsprechen, im schrecklichen Detail informieren will, findet hier Material. Korrigiert wird die weitverbreitete Annahme, daß die Opfer dieser »Volkskörperpflege« allesamt ihren Peinigern nicht entgegengetreten seien. Arno Klönne
Freundeskreis Paul Wulf (Hg.): »Lebensunwert? NS-Psychiatrie, Zwangssterilisierung und Widerstand«, Verlag Graswurzelrevolution, 202 S., 14.90 €
Hermann Kant gibt AuskunftSein Roman »Die Aula« existiert in 41 verschiedenen Auflagen, übersetzt in aller Welt. Das Buch »Der Aufenthalt« gehört in jede gute Bibliothek. Seine frechen Erzählungen über DDR-Dummheiten neideten ihm viele jüngere Schriftsteller, weil sie nicht durften und vielleicht auch gar nicht so konnten, was ihm, dem Präsidenten des DDR-Schriftstellerverbands, glänzend gelang. In seiner Vermittler-Stellung zwischen den Autoren und den DDR-Oberen befolgte er weder brav die höheren Weisungen, noch konnte und wollte er allen Schreibenden Freund sein. Um »die Sache« – einen antifaschistischen Staat, in dem die kleinen Leute auch was werden können – ging es ihm. Dafür spitzte er die Feder, verhandelte, diskutierte, stritt, taktierte, erreichte manches und scheiterte oft und letztendlich ganz. Denn mit dem Ende dieses Staates machten alte und gerade erst entstandene Nicht-Freunde und die Medien ihn (zusammen mit Honecker, Mielke und Schnitzler) quasi für alles verantwortlich. Kant war »Manns« genug, sich mit Texten und Prozessen zu wehren, ohne der »Sache« abzuschwören. Dennoch verletzt von den vielen unverdienten Schlägen lebt er seit 1994 ziemlich einsam im Dörfchen Prälank und schreibt. Dort hat sich Irmtraud Gutschke, Kulturredakteurin des Neuen Deutschland, mit ihm stunden- und tagelang unterhalten, ein Gespräch von 250 Seiten. Kant erklärt der Jüngeren oft, wie die DDR funktionierte, und er gibt Auskunft über sich. Wie er seine Rolle heute sieht, welche Hintergründe mit bestimmten Entscheidungen verbunden waren, was warum schief lief. Natürlich gehören Vergleiche mit der Gegenwart zum Gespräch, auch Betrachtungsweisen, an denen der Leser zu schlucken hat. Kant, der nicht selten »Feind« und »Freund« mit gewagten Formulierungen und nicht opportunen Überlegungen provozierte, ist sich treu geblieben. Nicht der eigene Bauchnabel interessiert, sondern noch immer »die Sache« und »die Sachen«: die erlebten Jahrzehnte. Christel Berger Irmtraud Gutschke: »Hermann Kant. Die Sache und die Sachen«, Das Neue Berlin, 253 Seiten, 14.90 €
Der Strom geht vorwärtsCarl von Ossietzky, dem er vertraut war, nannte ihn den »alten Zimmermann«. Der Schriftsteller, Historiker und Theologe Wilhelm Zimmermann wurde 1807 in Stuttgart als Sohn eines Winzers und Hofbediensteten geboren, durchlief das Gymnasium und studierte evangelische Theologie an der Tübinger Universität; später erwarb er den philosophischen Doktorgrad. Er war Vikar, dann eine Zeitlang Redakteur und freier Autor, hernach von 1840 bis 1847 Pfarrer oder Pfarrhelfer in zwei Dörfern bei Bad Urach. In dieser Zeit entstand sein Hauptwerk »Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges«, die erste umfassende, kritische Darstellung dieser Ereignisse von 1525. Das zunächst dreibändige Werk war von 1844 bis 1999 im Buchhandel erhältlich. Friedrich Engels hat auf dieser Grundlage 1850 einen längeren Aufsatz geschrieben und sich später auch zu Zimmermann als Quelle bekannt. Ossietzky nannte im Jubiläumsjahr des Bauernkrieges 1925 Zimmermanns Bauernkriegswerk »dies lebenvollste und demokratischste unserer Geschichtsbücher«. Zimmermann war Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und von 1847 bis 1851 Lehrer an der Polytechnischen Schule in Stuttgart, der Keimzelle der heutigen Universität. Er wurde von seinem Lehramt abberufen, war einige Jahre Schriftsteller ohne feste Stellung und amtierte ab 1854 wieder als Pfarrer, zuletzt in der Stadt Owen. 1878 ist er während einer Kur in Bad Mergentheim gestorben. Auf seinem Grab in Owen steht ein Spruch aus seinem Hauptwerk: »Ob auch Welle um Welle sich bricht und zerstäubt, der Strom geht vorwärts.« Friedrich Winterhager
Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
Tückische SprücheMephistopheles erklärt in Goethes zitatensattem »Faust«: »Am Tag erkennen, das sind Possen. Im Finstern sind Mysterien zu Haus.« Sie sind überall zu Haus, auch im hellen Tageslicht, pflegen aber, wenn sie sich erst in irgendeiner Gehirnwindung eingenistet haben, jedweden Geist zu verfinstern. Die Helden, genauer gesagt: Unhelden jener fürchterlichen Kurzgeschichte von Mark Twain ahnten zunächst nichts von der Gefährlichkeit des scheinbar harmlosen Liedchen-Textes: »Schaffner, steigt ein Fahrgast ein, knipst ein Loch in den Schein hinein. Für dreißig einen weißen Schein, für zwanzig einen grünen Schein, für fünfzehn einen blauen Schein. Knipst ein Loch in den Schein hinein!« Als sie sich auch noch den Refrain (»Knipst, Brüder, knipst nur fein, knipst ein Loch in den Schein hinein!«) zu Gemüte führten, war ihr Gemüt schon auf mysteriöse Weise vergiftet; der Schlagertext zertrampelte ihr Gedächtnis. Niemals habe ich versucht, Gespräche mit Bäumen zu führen, und ich kann mich auch nicht daran erinnern, daß ein Ahorn jemals zu mir gesagt hätte: »Tach! Wie jeht's uns denn heute so?« Aber einstmals hielt mich ein kleines, an eine Buche genageltes Schild in Atem, darauf stand: »Mineraldünger sofort abholen! Stuhke.« Was sollte ich mit Mineraldünger anfangen? Lange Zeit geisterte der ominöse Stuhke durch meine Alpträume. Damals war die Akupunktur hierzulande noch nicht verbreitet. Halbwegs wurde ich geheilt durch eine hilfreiche ältere Frau, die zunächst allerdings nicht wußte, wo sie mir wegen meines Mineraldünger-Problems die Hand auflegen sollte. Doch die Mysterien kommen und gehen, gehen und kommen. Kürzlich erst steckte uns ein zweifellos übelwollender Mensch (oder war es ein hämisches Gespenst?) einen kleinen Zettel in den Briefkasten. Gedruckte Aufschrift: »Berichtigung! Die Überschrift auf Seite 27 muß richtig lauten: Vorwort 1947.« Auf Seite 27 in welchem Buch? Wer hat 1947 ein Vorwort geschrieben und danach womöglich verloren? Er braucht sich nicht bei uns zu melden, wir haben kein Vorwort gefunden. Und wir werden täglich und stündlich von ganz anderen Überschriften genervt als von jener unbekannten auf Seite 27. Es ist schon schlimm genug, daß Jan Hofer, der beliebte Fernseh-Nachrich-tensprecher, anstatt direkt mit einer Straßenbahn zu fahren, so lange mit seinem Auto genau auf den Straßenbahnschienen entlang fuhr, bis diese über eine Baugrube führten, in welcher das Auto steckenblieb. Schlimmer noch, daß Hofer uns auf dem Bildschirm vorlesen mußte, was der Bundeswehrmachtsminister Jung gesagt hat: Wir müßten die Ehre der Bundeswehr verteidigen, und zwar in Afghanistan. Also nicht wir, sondern er. Das heißt: er auch nicht, denn er bleibt lieber fein zu Hause. Ich auch. Lothar Kusche
Erschienen in Ossietzky 18/2007 |
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