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So will es der Stadtpräsident Wojciech Lubawski, der 2006 mit 70 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde. Er war bereits von 1999-2002 als Vertreter der damaligen »Wahlaktion Solidarität« (AWS) Wojewode gewesen. Seine Wiederwahl hatten die rechtsextreme Regierungspartei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS), die rechtskonservative Oppositionspartei »Bürgerplattform« (PO) und die »Gewerkschaft« Solidarnosc unterstützt. Die Belegschaft des MKP zählt 600 Arbeiter. Als Betriebsgewerkschaft dominiert die Solidarnosc, die 1980 in Polen rund zehn Millionen Mitglieder hatte, gegenwärtig sind es noch 750.000. Ihre Karriere machenden Funktionäre hatten nach dem Ende der Volksmacht die Arbeiterinteressen verraten. Heute wirkt die Solidarnosc als Gewerkschaft fast nur noch in staatlichen, städtischen und kommunalen Betrieben. In Privatunternehmen ist sie kaum zu finden. Eine Privatisierung der städtischen Betriebe würde ihr wahrscheinlich auch in Kielce den Hauptteil ihrer Basis entziehen. Die Stadt will ihre Verkehrsbetriebe an den französischen Konzern Veolia Transport veräußern und hatte mit ihm einen Vorvertrag abgeschlossen, der keinerlei Mindestgarantien für Weiterbeschäftigung und soziale Belange der Arbeiter enthielt. Nach monatelangen Auseinansetzungen rief die ansonsten wenig kämpferische Solidarnosc des MKP am 14. August einen unbefristeten Streik gegen dieserart Privatisierung aus. Die Streikenden besetzten die beiden Verkehrshöfe des MKP und sperrten die Direktion aus. Tagelang fuhr kein einziger Bus mehr. Versuche der Stadtverwaltung und der Veolia, private Busse als Streikbrecher einzusetzen, scheiterten an der Wut der Streikenden. Sie warfen die Scheiben der Busse ein. Die Verhandlungen des Stadtpräsidenten mit den Streikenden stockten, ihr Anführer wurde mitten im Streik entlassen. Begründung: Disziplinverstoß. Auf Anforderung des Stadtpräsidenten schickte die private Sicherheitsfirma Vis aus Sosnowiec in der Nacht vom 28. auf den 29. August siebzig bis achtzig uniformierte Wachmänner nach Kielce, die nach Mitternacht die Verkehrshöfe stürmen und übernehmen sollten. In dem einem Hof gelang ihnen das, im zweiten waren die Streikenden wachsamer. Als die Sicherheitsleute um 1.25 Uhr das Tor des ersten Verkehrshofs gegen den Widerstand der Wache gewaltsam öffneten, befanden sich dort etwa 30 Streikende, von denen viele in ihren privaten Autos schliefen. Sie hatten nicht mit einem Angriff gerechnet und waren überrascht. Die gemieteten Schläger zerschlugen mit Vorschlaghämmern Scheiben und Türen. Mit unerwarteter Brutalität prügelten sie die Streikenden hinaus und sperrten den Hof ab. Als gegen fünf Uhr die Frühschicht der Streikenden anrückte, eskalierten die Auseinandersetzungen. Gegen acht Uhr gelang es den Arbeitern, mit weiteren 200 mobilisierten Kollegen den Betrieb zu stürmen. Sie griffen den Verkehrshof von drei Seiten gleichzeitig an und konnten die Kräfte der Sicherheitsfirma Vis überwältigen. Angesichts der Übermacht der Arbeiter und ihres entschlossenen Zupackens half den Streikbrechern auch der Einsatz von Tränengas nicht, sie rannten um ihr Leben und retteten sich ins Büro des Objekts. Bis dahin hatte die Polizei tatenlos beiseite gestanden, jetzt schützte sie die eingeschlossenen Securityleute, von denen sieben bei den Kämpfen verletzt worden waren. Bogdan Latosinski, Chef der Solidarnosc im MPK und Führer der Streikenden, sagte der Gazeta wyborcza (30.8.): »Das ist wie im Kriegszustand, eine derartige Aggression haben wir nicht erwartet. Noch gestern hat mir der Stadtpräsident versichert, daß es keine gewaltsame Lösung geben wird.« Nur wenige Wochen zuvor hatte die Regierung Kaczynski in Warschau die für Lohnerhöhungen kämpfenden Krankenschwestern brutal von der Polizei zusammenschlagen lassen. Davor schreckte in Kielce der wortbrüchige Stadtpräsident von der regierenden Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) zurück und bevorzugte eine private Sicherheitsfirma. Nach deren Scheitern war er mit seinem Latein am Ende und ließ den örtlichen Bischof um Vermittlung bitten. Mit dem Rücken zur Wand steht inzwischen auch die Regierung Kaczynski. Sie hat im Parlament keine Mehrheit mehr und wurde vom geschaßten Innenminister Kaczmarek des permanenten Mißbrauchs der Geheimdienste, der Polizei und der Staatsanwaltschaft gegen politische Gegner und Koalitionspartnerpartner angeklagt und des systematischen Rechtsbruchs bezichtigt. Und reagierte mit der Flucht nach vorn: Hatte sie noch vor Wochen erklärt, eine Erhöhung der Mindestlöhne auf über 1000 Zloty sei unbezahlbar, fand sie jetzt die Mittel, um den Mindestlohn auf mehr als 1126 Zloty anzuheben. Auch die Löhne der Krankenschwestern sollen erhöht werden. Und ein bereits beschlossenes Gesetz, nach dem ein vorzeitiger Übergang in die Rente nur noch mit erheblichen finanziellen Einbußen möglich sein wird, soll erst ein Jahr später in Kraft treten. Kaum zwei Jahre im Amt hat die seit 1990 arbeiterfeindlichste polnische Regierung den Wahlkampf mit Geschenken eröffnet, an deren Verkündung des Landeschef der Solidarnosc teilnehmen durfte. Und wie ging es in Kielce weiter? Nach dem Erfolg der Streikenden ließ die Stadtverwaltung den besetzten Betrieb am 30. August von Polizisten umstellen, die ihrerseits von Hunderten Demonstranten bedrängt wurden. Da der Überfall auf die Streikenden landesweit von den Medien bekannt gemacht worden war und starke Proteste hervorgerufen hatte, entschied sich der Stadtpräsident für einen Rückzug: Der Verkauf an Veolia wurde gestoppt, die städtischen Verkehrbetriebe sollen in eine neue Gesellschaft überführt werden, an der die MPK-Beschäftigten die Mehrheit der Firmenanteile erhalten sollen. Seit Sonnabend, dem 31. August, fahren in Kielce die Busse wieder.
Erschienen in Ossietzky 18/2007 |
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