Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Ein »großer Frankreichfreund«Hans Canjé Man kann ja nicht alles lesen. Will man dennoch auf dem laufenden bleiben, bieten sich einem die zahlreichen Rezensionen in Presse, Funk und Fernsehen an. Kurt Tucholsky zum Beispiel hat in seiner Rubrik »Auf dem Nachttisch« in der Weltbühne mehr als 500 Bücher rezensiert. Beim Nachlesen vermittelt sich uns heute noch ein anschauliches Bild der Literatur der Weimarer Republik, der Autoren und des politischen Geschehens jener Jahre. Ein eifriger, mit Tucholsky allenfalls wegen der Quantität seines Wirkens zu vergleichender Rezensent unserer Zeit ist der Chefredakteur des in Bonn beheimateten Online-Magazins NeueNachricht , Ansgar Lange. Er widmete sich jüngst dem im Societäts-Verlag zu Frankfurt am Main erschienenen Buch »Friedrich Sieburg (1893-1984) – Ein deutscher Journalist vor der Herausforderung des Jahrhunderts« von Cecilia von Buddenbrock. Die Rezension erschien, der Ort ist bemerkenswert, im Wochenblatt der Landsmannschaft Ostpreußen, Preußische Allgemeine Zeitung (Untertitel Das Ostpreußenblatt ). Ich will mich nur mit dieser Rezension und ihrem Gegenstand befassen, dem sich ihre Verfasserin erklärtermaßen »mit viel Sympathie« nähert. Auf das Buch einzugehen, dürfte sich dann erübrigen. Der über lange Jahre bei Frankfurter Allgemeinen Zeitung residierende »Literaturpapst« der frühen Bundesrepublik sei, erfährt der Leser im Tone tiefer Betrübnis, »aus dem kollektiven Gedächtnis der Deutschen gefallen«. Dabei habe es »der Publizist, Schriftsteller und große Frankreichfreund verdient, daß man wieder an ihn erinnert«. Deswegen rühmt der Rezensent die 300 Seiten starke Biographie, auch wenn darin »viele Facetten aus dem Leben Sieburgs« fehlten. Bei der Nachzeichnung der Lebensstationen des ab 1926 in Paris wirkenden Korrespondenten der Frankfurter Zeitung (die nach 1945 als Frankfurter Allgemeine Zeitung wiedererstand) läßt er es auch seinerseits an etlichen Facetten fehlen. Sieburgs »Tätigkeit im diplomatischen Dienst während der NS-Diktatur« wird nur knapp erwähnt, ohne Details. »Himmelschreiend ungerecht« sei dann seine Behandlung durch die Franzosen gewesen, die ihm »seine unklare Haltung während des Dritten Reiches« übelgenommen hätten. So »unklar« war Sieburgs Rolle allerdings nicht, und daß ihm »die Franzosen« seine Rolle übelgenommen haben, ist bei Kenntnis seines Wirkens nachvollziehbar. Der weitgereiste Korrespondent der Frankfurter Zeitung , »lebenslanger Frankreichfreund und Lebemann«, »den Frauen zugetan«, ein »großer Ästhet mit einem Gespür für die Schönheit der Sprache«, war im August 1939 vom Auswärtigen Amt in den diplomatischen Dienst übernommen und ab 1940 in der Pariser Informationsabteilung und dem kulturpolitischen Koordinierungsstab des Besatzungsregimes tätig. Als »Sonderbeauftragter Hitlers im Ministerrang« war er »Ehrenbegleiter« des Chefkollaborateurs Marschall Pétain. Das war der Lohn für seine Tätigkeit im Dienste des faschistischen Regimes vor und nach dem Überfall auf Frankreich. Die New Yorker Wochenzeitung Aufbau wußte darüber am 8. August 1947 (nachgedruckt am 9. September 1947 in der Frankfurter Rundschau ) aufschlußreiche Angaben zu machen. »Die Gesinnungslumpen, die ihre Karriere im Dritten Reich gemacht haben«, so damals das renommierte jüdische Blatt, »zählen nach Tausenden und Hunderttausenden. Aber kaum einer von ihnen repräsentierte den Typ des Hitlerdeutschen so absolut in Reinkultur wie Friedrich Sieburg, einst Korrespondent der Frankfurter Zeitung, dann Organisator und Leiter des nationalsozialistischen Propaganda-, Korruptions- und Spitzeldienstes in Frankreich.« Das Blatt weiß über die Tätigkeit des, heute würde man sagen »Einflußagenten«: »Die ihm übertragene Mission, alles, was in der Politik und der Presse Frankreichs käuflich war, zu korrumpieren und durch Vergiftung und Unterminierung der öffentlichen Meinung das Terrain für den geplanten Einfall vorzubereiten, ließ ungezählte und unkontrollierte Millionenbeträge durch seine gierigen Finger rollen. Sieburg, der bis dahin pekuniär alles andere als auf Rosen gebettet war, schwamm über Nacht im Geld und konnte es sich leisten, den Grandseigneur zu spielen. Das große Haus, das er im Schatten des Panthéon führte, und die zahlreichen Freunde (...) öffneten ihm manchen der Pariser Salons. George Bonnet, Frankreichs Außenminister, der korrupteste unter den Parlamentariern der Dritten Republik, der Mann, der in allen großen Finanzskandalen aufs schwerste kompromittiert war, hatte bald keine Geheimnisse mehr vor Sieburg, und manch anderer der französischen Politiker, die später in Vichy die Kollaboration organisierten, standen auf Du und Du mit ihm.« Sieburg habe »gut gearbeitet«, resümierte der Aufbau schließlich: »Der Verlauf der militärischen Operationen in Frankreich und der Verrat Pétains und seiner Spießgesellen am französischen Volk erbrachten den Beweis, daß die Millionen, mit denen er so verschwenderisch um sich geworfen hatte, nicht umsonst ausgegeben worden waren.« Einige fehlende Facetten nur. Der Rezensent läßt den »konservativen Publizisten« Hans-Georg von Studnitz, einst Mitstreiter in Ribbentrops Propagandaabteilung und Produzent vieler antisemitischer Sudeleien, Sieburg als einen »Sinfoniker der Sprache« rühmen. Und ergänzt: Der Geisteshaltung Sieburgs verdanken wir »einige der schönsten Sätze, die im 20. Jahrhundert in deutscher Sprache geschrieben wurden«. Den hier, formuliert am 22. März 1941vor einem exklusiven Kreis französischer Kollaborateure, zitiert er nicht: »Hier in Frankreich hat sich mein Charakter verhärtet, Frankreich ist es, das mich zum Kämpfer und Nationalsozialisten gemacht hat.« Die französische Besetzungsmacht belegte ihn von 1945 bis 1948 in ihrem Gebiet mit Publikationsverbot. Bei den Amerikanern durfte er dann wieder loslegen. Nachdem er bereits 1948 in Freiburg die Zeitschrift Die Gegenwart mitgestaltet hatte, fand er Lohn und Brot bei der FAZ . Dem neuen Staat diente der Schöngeist vor allem als Wadenbeißer, wenn sich junge Schriftsteller kritisch mit der Allgegenwart einstiger Paladine des faschistischen Regimes an den Schalhebeln der Macht auseinandersetzten. Der Schriftsteller Robert Neumann nannte ihn darob den »Globke der Literatur«. Im Aufbau las man vor 60 Jahren: »Eines wird man von Sieburg bestimmt nicht sagen können: daß er wie so viele seinesgleichen die Gesinnung wie das Hemd gewechselt habe. Er hat nie eine gehabt. Er war von Überzeugungen ebenso unbeschwert wie von Charakter.« Das läßt uns zittern vor der Prognose der Rezensentin, Sieburgs Zeit werde noch kommen.
Erschienen in Ossietzky 18/2007 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |