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Bei der Bundeswehr heißt es dazu, ihre Transformation zu einer »Armee im Einsatz« gehe mit gesteigerten Anforderungen an die Soldaten einher. Bei der Anwerbung qualifizierten Personals, sprich Zeitsoldaten, stehe sie zunehmend mit anderen Wirtschaftunternehmen im Wettbewerb. Die demographische Entwicklung werde diese Konkurrenzsituation in den nächsten Jahren noch verschärfen. Deshalb ist die Bundeswehr zu mehr als 600 Werbeauftritten jährlich im ganzen Land unterwegs, um vor Jobcentern, Schulen, Freizeiteinrichtungen und Rathäusern junge Menschen mit sportlichen, musikalischen und militärtechnischen Attraktionen für sich zu begeistern und zu rekrutieren oder (wie es auf der Internetseite der Bundeswehr in orwellschem Newspeak heißt) um Jugendliche von ihren »Karrierechancen« bei Marine, Heer und Luftwaffe »zu überzeugen«. Dabei beutet sie das sorgenvoll zukunftsgerichtete Interesse der Jugendlichen an gesicherten und interessanten Ausbildungs- und Arbeitsplätzen aus – besonders in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit. Inzwischen bietet die Propagandaabteilung der Bundeswehr überforderten Lehrern und Lehrerinnen an, ganze Unterrichtsstunden mit eigenem Material zu gestalten. So war auch im rheinischen Düren das rollende »Informationszentrum« der Bundeswehr an zwei Tagen im August auf dem zentralen Rathausplatz präsent, wo die Pendlerbusse für die umliegenden Kommunen und Dörfer ihren Halteplatz haben. Der Propagandaaufmarsch wurde mit phantasievollen Aktionen gestört: mit einem demonstrativen Leichenzug durch die Innenstadt, Straßentheater, Musik, Gedichten, Reden. Für die Schülerinnen und Schüler hatte die Initiative »Bundeswehr wegtreten« (www.bundeswehr-wegtreten.org) gesonderte Flugblätter vorbereitet, die verteilt wurden. Für ein paar Stunden erlahmte das schon zuvor zurückhaltende Interesse an der Werbeshow der Bundeswehr gänzlich, denn der Auftritt der Demonstranten war weit attraktiver, und es entwickelten sich viele Gespräche. Werbetechnisch hoch aufgerüstet, kämpft die Bundeswehr an der Heimatfront verzweifelt mit sinkenden Akzeptanzraten in der Bevölkerung, seit der Wandel von der Landesverteidigung zur »Armee im Einsatz« vollzogen ist und »Deutschland am Hindukusch« nicht nur verteidigt, sondern dort, in Afghanistan, auch gestorben wird. Die von dem ehemaligen Bundeswehrmachtsminister Peter Struck stammende Redewendung ist zwar inzwischen in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, drückt aber eher unreflektiert den Umbau der Bundeswehr zu einer weltweit einsatzfähigen Interventionsarmee aus, sprich, zu einer permanent kriegsführenden Armee. Doch der Wandel zur »Armee im Einsatz«, wie er im verharmlosenden Militärdeutsch heißt, kann nur gelingen, wenn Jugendliche bereit sind, mitzumachen. Darum ist es so wichtig, daß die Friedensbewegung bei den Werbeveranstaltungen der Bundeswehr präsent ist, die Friedensuntauglichkeit der »Armee im Einsatz« darlegt und auf ihre mörderischen Folgen hinweist. Der Soldatenberuf genießt unter Jugendlichen kein hohes Ansehen, wie eine kürzlich erschienene Jugendstudie der Bundeswehr feststellt. Die Studie drückt die Befürchtung aus, das Interesse der Jugendlichen, einen Job bei der BW zu suchen, sinke bei zunehmenden Auslandseinsätzen. Sie empfiehlt deshalb, die Nachwuchswerbung zu intensivieren. Insofern ist es erfreulich, daß sich inzwischen an vielen Orten ähnliche Initiativen wie »Bundeswehr wegtreten« gebildet haben. Öffentliche Kampagnen gegen die Werbefeldzüge der Bundeswehr können das herrschende Bild der Armee und die Einstellung zu den »Auslandseinsätzen« (von Kriegen spricht man nicht) in der Bevölkerung vielleicht mehr beeinflussen als viele wohlmeinende Informationsveranstaltungen und Großdemonstrationen. Denn hier geht es um Zukunft der Kinder und Enkelkinder der örtlichen Bevölkerung. Bei etwa 600 Auftritten des Rekrutierungsteams der BW, bei den regionalen BW-Veranstaltungen wie »girlsday« oder »Tag der offenen Tür« finden sich immer größere oder kleinere Aktionsmöglichkeiten. Da lacht das anarchistische Herz ... und sieht das »Ende einer Dienstfahrt« (Heinrich Böll) nahen ... Pete Seeger mahnte die Jugendlichen vor über 40 Jahren: Sag', wo die Soldaten sind, wo sind sie geblieben? Sag', wo die Soldaten sind, was ist gescheh'n? Sag', wo die Soldaten sind, über Gräbern weht der Wind ... Dirk Vogelskamp arbeitet im Komitee für Grundrechte und Demokratie
Erschienen in Ossietzky 18/2007 |
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