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Lediglich in Eisenach gelang mit Hilfe williger örtlicher Vollstrecker die Zerstörung von Theater und Landeskapelle. Das Deutsche Nationaltheater Weimar, das mit Erfurt eine Zwangsehe eingehen sollte, wird nun widerwillig zum Staatstheater erhoben. Auch die Sinfoniker aus Gotha und Suhl leben. Fazit: Das Ziel des Verdummungssparens wurde nicht erreicht. Das läßt fragen: Gibt es überhaupt eine Kulturpolitik im Lande? Eine geplante Landesausstellung 2009 über das Bauhaus wurde zugunsten einer aus Niedersachsen importierten Allerweltsidee gestrichen. Klar, die Bauhaus-Moderne mochte man schon 1925 in Thüringen nicht dulden und vertrieb sie stracks nach Norden, ins anhaltinische Dessau. Die drei großen Thüringer Literaturwettbewerbe beziehungsweise -preise sind aus Hessen importiert oder bekommen ihre Preisgelder vom oft geschmähten Energieriesen e-on oder der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dabei sind es noch immer Ideen aus der Provinz, die Thüringer Türme leuchten lassen. Da gibt es alljährlich im Juli ein gewaltiges multikulturelles Fest der Lebensfreude mit den bundesweit geringsten polizeilichen Vorkommnissen und friedlich tanzenden Folkies. Das Rudolstädter Tanz- und Folkfest entstand nach 35 Jahren DDR-Anlaufzeit ab 1991 mit dem guten Willen der Stadtpolitiker, mit Kennern aus Köln und Leipzig und vergleichsweise winzigen öffentlichen Zuschüssen. Jeder Werbeetat europäischer Sportfeste ist höher – aber Weltmusikfreunde von überall kennen Thüringen heute oft nur durch die Marke TFF Rudolstadt. Doch wie reflektiert dies die örtliche Presse, die zum WAZ -Konzern gehörende Ostthüringer Zeitung ? Alljährlich bemüht man dort Beispiele verdrießlicher Einwohner, die von dieser Nigger- und Ausländermusik nichts wissen wollen. Entschuldigung! Diese bösen unkorrekten Ausdrücke benutzt man selbstverständlich nicht. Man läßt per Internet darüber abstimmen, ob das »rasenlatschende Lumpenproletariat« nicht besser aus der Stadt verschwinden solle, und verkündet stolz das suggerierte Ergebnis. Fast vierzig Prozent denken exakt so: »Rasenlatschendes Lumpenproletariat«! Genau am TFF-Wochenende bringt man ein riesig aufgemachtes Porträt eines CDU-Stadt- und Landkreispolitikers, der all die Multikultur im lieben Bratwurst- und Blasmusik-Land nicht mag und plötzlich eine viel größere Verbundenheit der Bevölkerung zu DDR-Zeiten mit »ihrem Tanzfest« feststellt. Ein CDU-Honoratior als DDR-Willensvollstrecker? Als die Bevölkerung angeblich ebenfalls gegen die viel zu vielen und hochbezahlten sozialistischen Berufstheaterzigeuner war? Denn im Unterschied zu anderen Regionalzeitungen Thüringens – die allerdings ebenfalls zum WAZ-Konzern gehören – und zum engagierten Mitteldeutschen Rundfunk ist man bei leitenden Redakteuren der Ostthüringer Zeitung von der Richtigkeit der Althaus-Goebelschen Theatertötungspolitik überzeugt. Während Thüringer Allgemeine und Thüringische Landeszeitung von bissig bis sarkastisch kommentieren, hat man bei der OTZ meist viel Verständnis. Im Namen der arbeitenden Bevölkerung. Denn teures Theater mag sich »der steuerzahlende Bürger« nicht leisten, in dessen Interesse man schreibe. »Im Namen der arbeitenden Klasse« sagte man früher, als diese Zeitung noch Volkswacht hieß und gern »volksfremde Elemente«, die durch »rowdyhaftes Verhalten unsere Partei- und Staatsführung herabwürdigen«, an den Pranger stellte. Damals war die Zeitung des sozialistischen Bezirkes Gera nicht selten Versuchs-Organ für verschärfte ideologische Maßnahmen. Da wir nicht an Verschwörungstheorien glauben, wollen wir auch nicht vermuten, daß die OTZ von heute in irgendeiner Weise die Rolle der alten Volkswacht fortsetzt. Aber wundern darf man sich denn doch, daß dieses Blatt so sehr gern seine Spalten für die gesunden Meinungen gesunder Steuerzahler öffnet, die zum Theaterensemble oder zum TFF – nicht mehr klassen-, sondern kassenbewußt – lautstark und wörtlich ausrufen: »Schafft den Müll ab!« Wann dürfen die Nazionalen Kräfte – die ja auch zu mindestens fünf Prozent das gesunde Thüringer Volkstum widerspiegeln – die OTZ als Transmissionsriemen ihrer weitermarschierenden Ideen nutzen?
Erschienen in Ossietzky 17/2007 |
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