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Um mangelndes Interesse müssen sich das Kunstarchiv Beeskow und die Burg Beeskow nicht sorgen. Es spricht sich herum, daß dort, unweit der polnischen Grenze, Schätze lagern, die zum großen Teil noch ungehoben sind. Die Depots bergen Bilder und Plastiken, die einst von Staatsorganen, Parteien und Massenorganisationen der DDR in Auftrag gegeben oder angekauft, 1990 aber als »Staatskunst« verbannt, von der Treuhand »verwaltet« und 1994 schließlich in das Eigentum der neuen Bundesländer übertragen wurden. In Beeskow lagern die Werke aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Fast alle waren schon einmal präsent – in Rathäusern, Ministerien, Gemeindebüros, Parteihäusern, Gewerkschaftsschulen, aber auch in Betrieben, Schulen, Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, in Speisesälen, Ferienheimen, Kulturhäusern ... In Beeskow kümmerte sich Herbert Schirmer (letzter Kulturminister der DDR, danach Direktor dieses Kunstarchivs) um die Schätze und ordnete sie. Die reichhaltige Sammlung ermöglicht Themen- und Einzelausstellungen. Erinnert sei an Ausstellungen mit Bildern von Willy Sitte, Wolfgang Mattheuer, Rolf Schubert oder an die Ausstellung »Ein weites Feld« anläßlich des 60. Jahrestages der Bodenreform im Jahre 2005. So offeriert die Burg Beeskow interessante Wiederbegegnungen mit Kunst aus dem Lebensumfeld der DDR-Bürger, oftmals bereichert durch Leihgaben der Künstler oder anderer Galerien. Gegenwärtig sind unter dem Motto »Lebens-Mittel Kunst« nicht nur Bilder aus dem Kunstarchiv Beeskow, sondern auch (neu!) aus der Sammlung der Sozialen Künstlerförderung (West-)Berlin zu sehen. Dem Besucher fällt es nicht schwer, unter Lebens-Mittel Kunst zu assoziieren: Kunst ist lebensnotwendig. Als zweiter Gedanke kommt: Kunst ist für den Künstler das Mittel zum Leben – vorausgesetzt, sein Werk findet einen Käufer, am besten bereits einen Auftraggeber, der unbelastetes Arbeiten ermöglicht, weil die Bezahlung garantiert ist. Die DDR hatte solche Bedingungen geschaffen. Ein ausreichendes Einkommen der Künstler war Ziel von Auftrags- und Fördermaßnahmen des Staates, der Parteien und Organisationen. Zu diesem Zweck entstand beispielsweise gleich 1949 der Kulturfonds der DDR, finanziert unter anderem mit dem »Kulturgroschen«, einem Aufschlag auf jede Eintrittskarte in Museen, Theatern und Kinos. Der Kulturfonds war eine einflußreiche und angesehene Institution, die Berufs- und Laienkünstler gleichermaßen förderte. Mit ähnlicher Intention wurde 1950 in Westberlin die Soziale Künstlerförderung gegründet, interessanterweise als Teil einer Sofortmaßnahme zur Ankurbelung der Wirtschaft in der Frontstadt. Werkverträge, vergeben von den Senatsverwaltungen für Soziales und für Kultur, sollten es auch hier den Künstlern ermöglichen, in ihrem Beruf zu arbeiten und davon zu leben. Das ging 54 Jahre gut, bis die Soziale Künstlerförderung 2004 wegen der »Haushaltsnotlage« eingestellt wurde – eine Schandtat des Kultursenators Thomas Flierl (PDS) im Verein mit dem sozialdemokratischen Finanzsenator Thilo Sarrazin (die Verantwortung der regierenden Parteien SPD und PDS sei nicht vergessen). Wenn aus der Masse der mit staatlichen Mitteln angekauften Kunstwerke (in Westberlin 30.000, in der DDR ungezählt) jetzt nur 33 gezeigt werden (17 West, 16 Ost), muß ein Auswahlprinzip zugrunde liegen. Das ist nicht zu erkennen. Überzeugend aber, zum Teil geradezu hinreißend ist die Qualität der ausgestellten Bilder, zum Beispiel von Wolfgang Mattheuer (»An der Unstrut«), Wolfgang Frankenstein (»Wolga bei Wolgograd«), Joachim Lautenschläger (»Holzhäuser in Nardia-Karelien«). Das stärkste Bild ist die melancholische Wunschlandschaft von Thomas J. Richter. Mit einprägsamen Porträts sind Gudrun Brüne (»Meister Schuchna«), Werner Mühlbrecht (»Bauarbeiter«) und Roland Ladwig (»Porträt Eva-Katharina Schulz«) vertreten. Reine Satire bietet das »Stilleben« von Wolfgang Liebert: das Verhältnis von Perestroika und SED, symbolisiert in zwei Bücklingen neben einer zerknitterten Prawda – pikanterweise eine Auftragsarbeit des Zentralvorstands der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Ein Ereignis für sich ist der Katalog, gestaltet von den Kuratorinnen Simone Tippach-Schneider und Katja Widmann. Beeindruckend die akribische Kleinarbeit, mit der sie die »Erwerbsbiographien« der Künstler zusammengetragen und nahezu alle noch lebenden hier beteiligten Maler interviewt haben. Der einführende Satz »Die Kunst geht nicht nach Brot« wird durch den folgenden Text, ja allein durch die Existenz der Fördersysteme und -institute in der DDR und Westberlin widerlegt. Daß Geld nicht der einzige Zweck des künstlerischen Schaffens ist, hätte sowieso niemand angenommen. Ungefähre Faustregel nach Westberliner Erfahrungen: Weniger als fünf Prozent der Künstler können von ihrer Kunst gut bis sehr gut leben. 15 Prozent kommen halbwegs klar. 80 Prozent aber brauchen eine andere Arbeit oder den Verdienst des Lebenspartners. Die Autorinnen analysieren die Kunstförderung in der DDR und in Westberlin. Ausführlich untersuchen sie die Arbeits- und Lebensumstände der bildenden Künstler, und sie stellen dabei auch die beunruhigende Frage: Was wird aus den Kunstwerken, wenn der Künstler nichts mehr verkaufen kann, wenn er aufgeben muß, nicht mehr arbeiten kann, wenn er stirbt? Wie sich herausstellt, sind viele gezwungen, ihre Bilder zu vernichten, weil kein Museum und keine Galerie sie übernehmen oder weil die Erben nichts damit anzufangen wissen. Harald Hakenbeck (81), ein renommierter Künstler der DDR, Professor an der Kunsthochschule Weißensee, mußte sein Atelier 1989 wegen zu hoher Miete aufgeben und sich aus Platzgründen von vielen seiner Arbeiten trennen. Sie wurden vernichtet. Thomas J. Richter hofft, daß es hundert Leute gibt, die sich freuen, nach seinem Tode kostenlos einen Richter zu bekommen. »Ich würde auch alles für Kuba spenden. Hauptsache, es kommt in die richtigen Hände.« Inzwischen geht das meiste einfach kaputt. Der Bericht legt skandalöse Zustände offen, die niemanden zu beunruhigen scheinen. Beim Anschluß der DDR, bei der Entwertung ihrer Werte wurden zehntausende Kunstwerke abgeräumt, notdürftig gelagert, viele verschwanden einfach. Was erhalten blieb, wurde von der Treuhand den neuen Bundesländern übergeben. Die baugebundene Kunst war ein großer Posten in der Kunstförderung der DDR; durch »Sanierung« und »Rückbau« ist schon viel davon zerstört worden. Wie aber geht es im Selbstbedienungsladen Westberlin zu? Bei seinem Amtsantritt als neuer Leiter der Sozialen Künstlerförderung ließ Winfried A. Langschied 1988 Inventur machen. Sämtliche Gebäude der Berliner Verwaltung wurden durchsucht. 16.000 Bilder waren verschwunden. Im gegenwärtigen Bestand sind noch 14.000. Ich erwähnte schon den Beschluß des Abgeordnetenhauses Berlin 2004, die Soziale Künstlerförderung abzuschaffen. Von 1950 bis 2004 waren 2149 Künstler gefördert worden, die meisten mehrfach. Ein Sonderprogramm für Ostberliner Künstler in wirtschaftlicher Not, gegründet 1990, wurde bald wieder eingestellt. Zahlen über die jeweils aufgewendeten Fördermittel nennt Tippach-Schneider nicht. Wie viele Künstler jetzt »in der Luft hängen«, ist nicht bekannt. Sie teilen das Schicksal der Berliner Symphoniker, denen vom Senat ebenfalls die Zuwendungen gestrichen wurden. Es klingt wie eine bösartige Erfindung, ist aber wahr: Als die Kulturstiftung der Deutschen Bank Anfang der 90er Jahre um ein langfristiges Sponsoring gebeten wurde, lehnte sie das ab, weil sie nicht eine Einrichtung finanzieren wollte, die sich sozial nennt und sich fast wie Sozialamt anhört. Es bleiben die kleinen Freuden der verdienstvollen Ausstellungen in der Burg Beeskow.
Die Ausstellung ist noch bis 2. Dezember täglich außer montags in der Burg Beeskow zu sehen. Im Januar und Februar soll sie im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales, Gustav-Meyer-Allee 25 gezeigt werden
Erschienen in Ossietzky 17/2007 |
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