Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Ein beängstigendes AushängeschildLudwig Elm Der Pfarrer, politische Schriftsteller und Politiker Friedrich Naumann (1860–1919) ist der Namenspatron der parteinahen Stiftung der Freien Demokratischen Partei (FDP). Wofür steht dieser Name? Eine kritische Erörterung ist schon wiederholt angeregt worden, so 1974 von Karl Holl. Als charakteristisch für Naumanns außenpolitisches Weltbild nannte Holl »die Englandfeindschaft und die Gewißheit, daß nur ein Weltkrieg die deutsche Selbstbehauptung gegenüber dem britischen Weltreich garantieren könne, die in der Geschichte beschlossene Vorbestimmung Deutschlands zur Weltgeltung, der die ›mittleren Völker‹ wie das deutsche auszeichnende Zwang zur nationalen Politik, die Vorstellung vom Krieg als unumstößlichem Naturgesetz«. Im Geleitwort zur Neuveröffentlichung des Zeitzeugenberichts »Armenien 1915« von Heinrich Vierbücher hob Walter Fabian 1985 die Kritik an der damaligen Rolle Naumanns hervor, »dessen verhängnisvolle außenpolitische Position bis heute von der deutschen Geschichtsschreibung und den meisten demokratischen Politikern übersehen oder bewußt verschwiegen wird«. An diesem Befund hat sich nach mehr als zwanzig Jahren nichts geändert. Politiker der FDP wie Vertreter ihrer Stiftung sahen bisher keinen Anlaß, Fragwürdiges in ihrem Traditionsverständnis zu klären. Die vom Schüler und Weggefährten Naumanns, dem Publizisten, Politiker und ersten Bundespräsidenten Theodor Heuß, in die frühe Bundesrepublik eingebrachte Verklärung wird bis heute fortgesetzt. In seiner Wochenschrift Die Hilfe verkündete Naumann im März 1895, man könne sich in diesem Zeitalter »der Möglichkeit nicht entziehen, daß es Gegensätze gibt, die nur mit Pulver und Blei ausgeglichen werden können. Es gibt Machtfragen, darum brauchen wir die Macht.« Die von Naumann entworfenen und vom konstituierenden Vertretertag des Nationalsozialen Vereins im November 1896 angenommenen Grundlinien erklärten sich im Paragraphen 1 für »die wirtschaftliche und politische Machtentfaltung der deutschen Nation nach außen« und wünschten »eine Politik der Macht nach außen und der Reform nach innen«. Es gehe nunmehr »um die Verteilung des Platzes auf der Erdkugel«, kommentierte Naumann, der davor warnte, »daß England allein über die ganze Erde seine Macht ausdehnt«. Deutschland brauche für sein Bevölkerungswachstum Kolonien sowie – um diese zu erhalten und zu erweitern – seine Flotte. Später schrieb er: »Wer nationalsozial denkt, ist für die Flotte. Es lebe die deutsche Seetüchtigkeit.« Im Reichstagswahlkampf 1898 war Naumanns Hauptanliegen, unter den Arbeitern für die Unterstützung deutscher Weltpolitik sowie der Flottenrüstung zu werben. Damit befand er sich nahe dem Alldeutschen Verband und der Deutschen Kolonialgesellschaft. Sein Verein brachte Broschüren und Flugblätter in riesigen Auflagen heraus, in denen für die Flottenrüstung, die deutsche Seemacht und die Weltpolitik Deutschlands geworben wurde. Naumann ermunterte die Revisionisten in der SPD, auch in dieser Hinsicht auf den herrschenden Kurs einzuschwenken. Im Spanisch-Amerikanischen Krieg sah er im August 1898 eine Rechtfertigung der deutschen Flottenrüstung sowie einen Anlaß, stärker mit möglichen Kriegen zu rechnen: »Noch ist die Welt nicht völlig englisch, noch steigt die deutsche Sonne!« Im gleichen Jahr warb der nationalsoziale Parteivorsitzende für die Nahostreise Wilhelms II., die – mit dem geplanten Bau der Bagdadbahn als Kernstück – im Dienst der Expansionsbestrebungen von Deutscher Bank, Krupp und Reichsregierung stand. Nach den opferreichen Pogromen an der christlich-armenischen Minderheit des Osmanischen Reiches von 1895/96 kritisierten viele seiner Anhänger und Leser diese Orientierung. Naumann rechtfertigte sich im September 1898 zynisch: »Es handelt sich bei den Armeniern weniger darum, daß sie Christen sind, als daß sie Armenier sind.« Als entschiedener Monarchist und Weltpolitiker nahm er an der kaiserlichen Nahostreise teil und meinte, aus macht- und bündnispolitischen Gründen sollte das Deutsche Reich die türkischen Verbrechen hinnehmen. Auch im Ersten Weltkrieg waren, wie Vierbücher in seinem Armenien-Buch konstatierte, »für Naumann die Türken ein tapferes und lebensfähiges Volk. Kein Wort der Verurteilung fand der Herr Pfarrer für den ihm zweifellos bekannten Armeniermord von 1915!« Angesichts des Krieges Großbritanniens gegen die südafrikanische Burenrepublik (1899–1902) verschärften die Nationalsozialen die englandfeindlichen Töne. Sie schlossen sich den chauvinistischen Kampagnen zugunsten der Intervention in China im Sommer 1900 an, und ihr Vorsitzender stellte sich ausdrücklich hinter die kriegshetzerische, menschenverachtende »Hunnenrede« des Kaisers. Etliche Mitglieder protestierten gegen den »Hunnenpastor« und traten aus. Auf dem Vertretertag im Herbst 1900 in Leipzig rechtfertigte er seine Haltung mit unverhohlen sozialdarwinistischen Argumenten. Im März 1904 forderte Naumann, einige Elemente des preußischen Militärwesens zu reformieren, um eine Harmonie zwischen Volk und Heer herzustellen: »Wir brauchen aber diese Harmonie, wenn wir in zukünftigen Kriegen siegen wollen.« Franz Mehring kritisierte »die militaristischen Sozialreformer à la Naumann«, die für Reformen mit dem Militarismus Frieden schließen wollen. Im südwestafrikanischen Kolonialkrieg ab 1904 standen die mehrheitlich nun als Freisinnige auftretenden ehemaligen Nationalsozialen hinter der verbrecherischen Unterdrückungs- und Ausrottungspolitik der Kolonialbehörden und der Truppe. Naumanns Wochenschrift wurde zum Durchhalte-Organ. Während der ersten Marokko-Krise 1905 unterstützte sie das deutsche Säbelrasseln und entdeckte weitere Gründe, die Flotte zu stärken. Naumann schwenkte nach der Auflösung des Reichstags im Dezember 1906 mit der Mehrheit des Freisinns zum politisch-parlamentarischen Block mit den Konservativen und wurde Anfang 1907 mit einem Reichstagsmandat belohnt. Im März 1910 nahm er am Zusammenschluß der freisinnigen Parteien zur Fortschrittlichen Volkspartei teil, in der er die Aufrüstung auf dem Weg in den Weltkrieg unterstützte. Auf dem zweiten Parteitag im Oktober 1912 in Mannheim belehrte Naumann die »marxistischen Theoretiker«, »daß man den Krieg zwar moralisch und theoretisch aus der Welt schaffen kann, aber nicht praktisch«. Nach Kriegsausbruch blieb er sich treu, unterzeichnete im September 1914 den chauvinistischen »Aufruf an die Kulturwelt« und meinte auch nach zwei Kriegsjahren noch auf einem parlamentarischen Vortragsabend der Deutschen Kolonialgesellschaft, »daß wir nicht ohne geeigneten und genügenden Kolonialbesitz aus dem Weltkrieg herauskommen«. Inzwischen war 1915 Naumanns Buch »Mitteleuropa« erschienen, das bis zum folgenden Jahr eine Auflage von 100.00 Exemplaren erzielte und 1917 nochmals in einer »Volksausgabe« herauskam. Der Weltkriegshistoriker Fritz Fischer (»Griff nach der Weltmacht«, 1961) bemerkte dazu, daß »die Mitteleuropa-Idee mit ihrem hegemonialen Anspruch Deutschlands« den Kern des Kriegszielprogramms der Regierung Bethmann Hollweg bildete und von »einem Teil führender deutscher Bankiers und Industrieller« unterstützt wurde. Im Auftrag von Reichsregierung und Oberster Heeresleitung sowie von Dienststellen, Propaganda-Organistionen und Verbänden absolvierte Naumann während des Weltkrieges für »die deutschen Waffen« ein umfangreiches Programm als Berater, Gutachter, Verfasser von Flugschriften sowie Redner im In- und Ausland und an der Front. Noch am 18. März 1918 erläuterte er im Reichstag die annexionistischen Ziele seiner Partei, die vier Tage später auch den Raubfrieden von Brest-Litowsk billigte. Naumanns Wirken als Publizist und Politiker in den Jahren 1895 bis 1918 stand nachdrücklich und lückenlos im Dienst deutscher imperialer Aufrüstungs- und Expansionspolitik, der Vorbereitung und Führung von Kriegen sowie der nationalistischen Massenbeeinflussung. Er haftet mit für die damaligen Fehlentwicklungen, Verbrechen und Opfer. 2008 wird die nach ihm benannte Stiftung 50 Jahre alt. Das halbe Jahrhundert der Verdrängung unbequemer Wahrheiten sollte genügen. Oder ermuntert die neue deutsche Weltpolitik die heutigen Freidemokraten, nun erst recht an einem Namen festzuhalten, der Programm ist: für Rüstung, Expansion, Kolonialismus und Krieg? Wir sind wieder bei Naumann – ist das die beängstigende Devise?
Erschienen in Ossietzky 17/2007 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |