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Obwohl Herzenssympathisant der neuen Partei Die Linke, trete ich nicht bei. Im Juli 2007 lag mein SED-Parteiausschluss exakt 50 Jahre zurück. Seither bin ich so notorisch parteilos wie parteiskeptisch geblieben. So hat jeder seine ganz eigenen Erfahrungen im Gepäck. Im Vorjahr erschien im Kai Homilius Verlag Siegfried Prokops Buch »1956 – DDR am Scheideweg«. Danach gab Prokop den Diskurs-Band »Zwischen Aufbruch und Abbruch – Die DDR im Jahre 1956« heraus. Beide Bücher wurden im Osten beachtet, im Westen mißachtet, und das aus schlechten Gründen. Ich bin mir sicher, 1956 stand mit Chruschtschows ritualer Anti-Stalin-Rede zum 20. Parteitag der KPdSU das sowjetische Modell am Scheideweg. Im Rückblick wollen viele Genossen nichts davon wissen. Weil sie zu jung oder zu alt sind oder weil sie sich damals schon nicht trauten oder weil sie dafür gewesen sind, deshalb repressiert wurden und sich dann widerwillig beugten, was sie im Nachhinein lieber vergessen. Das ist verständlich. Trotzdem bin ich sauer. Die Partei selbst verhielt sich 1956 gespalten und abwartend. So meine Erfahrung. Unsere Sympathie für Chruschtschow saß tief. Den Rat, die DDR zu verlassen, gab mir im Juni 1957 ein Genosse der Staatssicherheit. Während einer Vernehmung ging einer auf die Toilette, der zweite flüsterte: Hau ab. Höchste Zeit … Da erkannte ich ihn, beide waren wir 1948 in Gefangenschaft für den Dienst in der Volkspolizei geworben worden, er hatte es inzwischen zum Sicherheitsoffizier, ich zum freischwebenden Oppositionellen gebracht. Ich bleibe dabei: Dieser Sozialismus war entgleist, doch noch nicht verunglückt. Es gab eine Chance. Es hieß sie wahrnehmen oder vergessen. Was 1956 verpaßt wurde, kann 2007 nicht nachgeholt werden. Die Gründung einer neuen Partei der Linken aber erfüllt wichtige Wünsche. Lafontaine und Gysi ergänzen einander als brillante Redner. Mehr noch, was sich da aus Ost und West bildet, bringt Leben in die erstarrte Parteienlandschaft. Soviel steht fest. Was daraus werden kann, ist linke Sozialdemokratie mit Gewerkschaftsnähe. Mehr nicht. Und nicht weniger. Als Teil deutscher Arbeiterbewegung und Nationalgeschichte ist es europäische Normalität, auch wenn die Gegner und Feinde vor Wut heißlaufen. Ich finde diese Partei unterstützens- und wählenswert. Die vielfältigen Vorbehalte gegen eine linkssozialdemokratische Linke kenne ich und finde sie falsch. Diese Linke ist für Deutschland eine Hoffnung und für Europa eine Ermutigung. Beides wird gebraucht. Denn der Epochenbruch von 1990 kann den von 1945 konterkarieren und in eine Situation vom Anfang des 20. Jahrhunderts mit einem Krieg wie 1914 zurückführen. Weltkrieg, Bürgerkrieg, Religionskrieg, Krieg der Kontinente als Kampf um Macht und Ressourcen. Das Verschwinden der Sowjetunion setzte eminente Kriegskräfte frei. Das Modell der europäischen Parteiendemokratie ist verbraucht. Die intellektuellen und moralischen Kräfte einer Erneuerung, wie wir die ausstehende Reformation nennen wollen, sind nicht in Sicht, wenn auch als Möglichkeiten nicht ganz unbekannt. Tausendschaften von Milliardären und Millionären, die in ihrem phantastischen Spekulationsreichtum leben, wollen den Herrenkasten-Status nicht aufgeben. Sie existieren in ihrem elitären Kommunismus finanzieller Klassenlosigkeit. Ihr strategisches Spekulantentum macht Kriege so logisch wie einträglich, also unverzichtbar. Die Dokumentation von Inga Wolfram »Verraten – Sechs Freunde und ein Spitzel«, in der ARD am 11. Juli gesendet, erinnert in der Konsequenz an Brechts Lehrstück »Die Maßnahme«. Ich konnte mich mit jeder der sieben Personen identifizieren, den Spitzel inbegriffen. Der aus dem Westen stammende, von der Bundeswehr desertierte Kommunist bekämpfte die sechs oppositionellen Studenten, deren Eltern zur DDR-Politklasse zählten, mit deren Mitteln. Diese Elternklasse verzichtete auf rigorose Strafverfolgung ihrer opponierenden Sprößlinge. Wäre sie doch bei weniger auf Verwandtschaft basierenden Beziehungen mal ebenso klug verfahren. Die Ausspäher-Identität des IM speiste sich auch aus dem Wunsch des Deserteurs, eine von ihm verlassene Armee nicht siegen zu sehen. Genau das aber geschah 1989/90. Diese eminente kommunistische Tragödie deutet sich in der TV-Dokumentation an. Das Drama geht heute noch weiter. Es begann 1956, als der Ungarn-Aufstand durch den sowjetischen Gegenschlag per Panzer niedergewalzt wurde und damit zugleich die Reform-Alternative im gesamten Machtbereich. Wo lag der Fehler? Die sich auf Marx berufende sowjetische ML-Ideologie suchte die Geschichte militärisch anzuhalten. So ging die Geschichte über ihre Verweigerer hinweg. Die neue Linkspartei findet auf diese eskalierenden Langzeit-Konflikte auch keine Antwort. Sie reagiert jedoch auf die sozialen Fragen einer in Bewegung geratenden, anwachsenden Minderheit, die Mehrheit werden will. Ihr Pragmatismus kann eine Sozialdemokratie ersetzen, die sich von 1914 an so weit aufgab, daß sie sich selbst zum Liquidator werden mußte. Wenn alle jene, die von den Sozis jemals enttäuscht, abgestoßen, ausgestoßen worden sind, von der neu antretenden Linken nicht die Rettung der Welt erwarten, aber so viel Zeitgewinn, daß die anstehenden Weltkrisen und ihre Kriege sabotierbar werden, wenn wir alle diese Möglichkeit nutzen, ist mehr zu erreichen, als selbst Optimisten bisher annahmen. Ich bleibe ein unkorrigierbarer 56er. Wir waren damals nur zu wenige, die sich trauten. Alternativen fallen nicht vom Himmel. Man muß sie schaffen. Eine SPD, die seit 1914 ihre opportunistische Kriegsteilnahme als Burgfriedenspolitik deklariert und heute Bush so folgt wie damals dem Kaiser und Hindenburg, ist in ihrer Alternativlosigkeit schlechthin von vorgestern.
Erschienen in Ossietzky 17/2007 |
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