Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Nachdenken über einen VordenkerRalph Hartmann Es stimmt nachdenklich: Deutschlands bekanntester »Vordenker«, Andrè Brie, ist wieder einmal heftiger Kritik von links ausgesetzt. Im Neuen Deutschland haben sich zahlreiche Leser erbost zu seinem jüngsten Spiegel -Interview über »den Populismus seiner Partei und den Rückfall in bolschewistische Machtpolitik« zu Wort gemeldet. Scharf kritisieren sie seine »populistischen Statements«, »seine Abneigung gegen Sozialisten, Kommunisten und gegen Marx« sowie sein »modernes Flagellantentum« und vor allem »seinen Frontalangriff gegen den mit 87,9 Prozent gewählten Vorsitzenden der Linkspartei«. Erzürnt äußern sie Unverständnis, daß »Brie gerade nach unserer hoffnungsvollen Vereinigung ausgerechnet zur Attacke gegen Lafontaine aufruft«, und meinen, daß Brie sich dadurch »profilieren möchte«. Wie ungerecht! Es ist an der Zeit, die haltlosen Angriffe zurückzuweisen und den verdienstvollen Europa-Abgeordneten zu verteidigen . Hat der Vordenker doch nur das geäußert, was solche bewährten Arbeiterführer wie Beck, Struck, Müntefering und Heil seit langem über die Linkspartei und ihren Ko-Vorsitzenden aus dem Saarland verbreiten. Was ist denn schon dabei, wenn er Oskar Lafontaine davor warnt, »die gesamte Linkspartei in eine radikale Feindschaft zur SPD (zu) führen, nur weil er selbst diesen Bruch schwer verarbeiten kann«? Brie zeigt doch Verständnis dafür, daß der frühere SPD-Vorsitzende »nach seinem Bruch mit der SPD psychologisch in einer schwierigen Situation« ist, und meint es doch nur gut, wenn er anerkennt, daß das eine »dramatische Zäsur war, die schwer zu verarbeiten ist«. Faktisch empfiehlt er ihm, einen Psychiater aufzusuchen. Wie fürsorglich. Und ist es etwa falsch, wenn er die Linkspartei verurteilt, weil sie »das Schwarz-Weiß-Denken des George Bush« kritisiert und es selbst praktiziert? Und hat er nicht Recht, die Kritiker in der Dresdner Parteiorganisation am Totalverkauf der kommunalen Wohnungen als Anhänger der »reinen Lehre« zu brandmarken und ihr Vorgehen als »uralte bolschewistische Machtpolitik« zu geißeln? Warum sollte man an seinem Verlangen, »auf die SPD zu(zu)gehen ... übrigens schon mit Blick auf 2009«, Anstoß nehmen? Bekanntlich ist die von dieser Partei initiierte und durchgesetzte »Agenda 2010« die entscheidende Rettungstat für die Bewahrung des Sozialstaates. Besonders deplaciert und ungerecht ist die Kritik an Bries Forderung nach einer gegen Lafontaine gerichteten »Opposition in der Partei, etwa ostdeutscher Landesvorsitzenden und deren Basis«. Schließlich war »Veränderung beginnt mit Opposition« lange Zeit eine Losung der Vorgängerpartei PDS. Und zu verändern gibt es nicht wenig an den Ansichten des Saarländers. Man lese nur noch einmal dessen Rede auf dem Vereinigungsparteitag, wo er sich nicht scheute, »für den Generalstreik, für den politischen Streik als Mittel demokratischer Auseinandersetzungen« einzutreten, die »Systemfrage« aufzuwerfen, das Wort des französischen Sozialisten Jean Jaurès »Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen« zu zitieren und »Bush, Blair und viele andere, die völkerrechtwidrige Kriege zu verantworten haben«, als »Terroristen« zu beschimpfen. Er forderte gar, dem Treiben des »Raubtierkapitalismus, des Finanzkapitalismus« ein Ende zu bereiten, und gab, welche Dreistigkeit, die Losung »Freiheit durch Sozialismus« aus. All das muß gestandene Vertreter der Moderne wie André Brie und seine Kampfgefährten in Berliner Theoriehochburgen und den Führungszirkeln einiger Landesverbände der Linkspartei doch zwangsläufig in Rage bringen. Sollen solche Losungen und solch eine Wortwahl etwa ihre schwer gewonnenen Erkenntnisse über »die Zivilisationsgewinne moderner bürgerlicher Gesellschaften« und die »zivilisationsgeschichtlich vorwärtsweisenden Potentiale einer marktwirtschaftlichen Moderne« ersetzen? »Eine moderne Linke« braucht schließlich, wie Brie dem Spiegel erläuterte, »ein eigenes, erneuertes sozialistisches Profil statt platter Rufe nach Systemüberwindung«. Bei den heftigen Angriffen auf Brie wird einfach vergessen, wie geistsprühend er schon manche Denkverbote aufgebrochen und sich um die Linkspartei verdient gemacht hat. Erinnert sei nur daran, mit welchem politischem und theoretischem Weitblick er schon 1995 das Banner der Totalismus-Theorie hißte und in ihrem Sinne das nationalsozialistische System mit der DDR verglich: »Die DDR war nicht verbrecherischer als der Nationalsozialismus, ganz und gar nicht. Aber totalitärer waren Sowjetkommunismus und DDR im Anspruch, alles unterzuordnen unter einen gestaltenden gesellschaftlichen Willen.« Das festzustellen, erforderte Mut, an dem es bisher selbst den gut besoldeten Mitarbeitern in den staatlich finanzierten DDR-Aufarbeitungseinrichtungen gebricht. Mutig war er auch, als er 2005 gemeinsam mit zwei anderen Abgeordneten der Linkspartei einer antikubanischen Resolution des Europaparlamentes zustimmte und die einstimmig angenommene Gegenerklärung des PDS-Parteivorstandes als »unfaßbar und abenteuerlich« bezeichnete. Wie wahr! Einem Vordenker zu widersprechen, ist »unfaßbar und abenteuerlich«. Es ist einfach ungehörig. Sowas tut man nicht.
Erschienen in Ossietzky 17/2007 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |