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Die geostrategischen Interessen des Westens sowie der Israel-Palästina-Konflikt trugen zur Radikalisierung der politischen Strömungen und zur Entstehung von Nationalismus und religiösem Fundamentalismus bei. Hinzu kommen die offenen Grenzkonflikte und ethnischen Gegensätze, die aus dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und der kolonialistischen Grenzziehung zu Beginn des 20. Jahrhunderts hervorgegangen sind. Die Verquickung vielfältiger territorialer, ethnischer, religiöser und politischer Konflikte mit den externen ökonomischen und geostrategischen Interessen des Westens, speziell der USA, ergab im Mittleren und Nahen Osten ein explosives Gemisch. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, daß der Nahost-, der Libanon- und der Iran-Atom-Konflikt wie alle anderen Konflikte, einschließlich des Irak-Kriegs, nicht mehr einzeln lösbar sind. Auch die Annahme, der Israel-Palästina-Konflikt sei der Schlüssel für alle anderen Konflikte der Region, ist überholt. Vielmehr spricht alles dafür, daß eine Konfliktbearbeitungsstrategie für die gesamte Region gebraucht wird und wahrscheinlich die einzige friedliche Perspektive öffnet. Daher liegt die Frage nahe: Können europäische KSZE-Erfahrungen für den Mittleren und Nahen Osten nutzbar gemacht werden? Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) entstand auf dem Höhepunkt der Ost-West-Konfrontation, und zwar aus dem gebieterischen Interesse aller Beteiligten, auch und gerade der Blockfreien, die Hochspannung zwischen westlichen und östlichen Staaten durch die Idee der gemeinsamen Sicherheit abzubauen. Gemeinsame Sicherheit meint ein Sicherheitssystem für Staaten unterschiedlicher Kulturen und Lebensstandards, das es erlaubt, mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Sicherheit zu erzielen. Sie beruht auf dem Ausschluß konfrontativen Verhaltens durch Bereitschaft zum Dialog zur Bewältigung realer Konflikte, auf der rechtlichen Gleichheit aller Mitgliedsstaaten und der Möglichkeit zur ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Kooperation. Die KSZE wurde 1973 gegründet und führte 1975 zur Schlußakte von Helsinki; 1995 wurde sie in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übergeführt. Ihr gehören heute 55 Staaten an, nämlich alle europäischen Staaten sowie die USA und Kanada. Das Ergebnis der OSZE nach anfänglicher Zuversicht, ja Euphorie ob der friedlichen Zukunft für alle Europäer ist allerdings nicht ermutigend: Von der ursprünglichen Idee der gemeinsamen Sicherheit und umfassenden globalen Abrüstung ist wenig übriggeblieben, vielmehr droht angesichts neuer amerikanischer Weltraumwaffensysteme ein neues Wettrüsten auszubrechen. Realistische Hoffnungen, die einstige Entspannungs- und Abrüstungspolitik fortzuentwickeln und nach dem Ende des Kalten Krieges eine friedliche Weltordnung aufzubauen, wurden mutwillig zerstört. Unilateralismus, militärisches Denken und Handeln überlagern inzwischen alle kooperativen Lösungsansätze, die in der Ära des Kalten Krieges entwickelt und teilweise auch umgesetzt wurden, nicht zuletzt im KSZE-Prozeß. Diese Rückschritte resultieren daraus, daß die US-Hegemonialmacht kooperative Ansätze gezielt torpedierte, da sie sich durch sie in ihrer Existenz massiv bedroht sah. Hegemoniestreben und Kooperation verhalten sich zueinander wie Feuer und Wasser. So fiel der Clinton-Regierung 1995 im Bosnien-Krieg nichts Besseres ein, als alle Bemühungen der OSZE um gewaltfreie Konfliktlösung zu desavouieren und diese Organisation selbst als friedensuntauglich vorzuführen. Mit ihrer Entschlossenheit, den Kosovo-Konflikt zu einem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien eskalieren zu lassen, erreichte es die US-Regierung, unterstützt von der damaligen deutschen Bundesregierung, die OSZE und die Idee der Kooperation und der gemeinsamen Sicherheit vorerst erfolgreich zurückzudrängen. Tatsächlich hätten europäische Erfolge in Bosnien und Kosovo durch friedliche Konfliktbeilegung einen vielversprechenden Prozeß in den internationalen Beziehungen ausgelöst, der dem US-Hegemonialsystem die legitimatorische und moralische Grundlage entzogen hätte. Diese Sichtweise spricht jedoch gerade dafür, am Konzept der Kooperation und der gemeinsamen Sicherheit nicht nur für Europa festzuhalten, sondern es auch für andere Regionen, ganz besonders im Mittleren und Nahen Osten, zu aktualisieren. Die Staaten in dieser Region können allerdings nicht nach europäischem Muster unmittelbar mit der ökonomischen Integration beginnen, dazu sind ihre ökonomischen Systeme, ihr Lebensstandard und ihre kulturellen Erfahrungen viel zu verschieden. Sie können sich jedoch sehr wohl auf den Weg der gemeinsamen Sicherheit begeben, den Europa beschritten hat. Dieser Weg ist auch dringend geboten, weil alle beteiligten Staaten der Region daraus mittel- und langfristig Vorteile ziehen und darüber hinaus dadurch die Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden schaffen könnten. Dies gilt nicht zuletzt auch für Israel. Mittel- und langfristig zentrales Ziel einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten KSZMNO müßte es sein, eine atomwaffen- oder massenvernichtungswaffenfreie Zone zu ermöglichen. Neu ist diese Idee nicht. Sie scheiterte bisher hauptsächlich an Maximalforderungen der Konfliktparteien. Während Israel stets die umfassende Friedensregelung mit den Palästinensern zur Voraussetzung für Gespräche über atomare Abrüstung erklärte, verlangten die arabischen Staaten genau die umgekehrte Reihenfolge. Beide Seiten haben offenbar das erst nach mehrjährigen Verhandlungen zu erreichende Ergebnis zur Voraussetzung für den Beginn der Verhandlungen gemacht und sich damit gegenseitig blockiert. Will man nicht auf ein Wunder warten, das verhindert, daß die Region, Israel eingeschlossen, in den Abgrund stürzt, dann bleibt keine andere Wahl, als die Konflikte in ihrer Gesamtheit in Betracht zu ziehen und in eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit einzubringen. Darum sollte sie umgehend und ohne Vorbedingungen ins Leben gerufen werden. Die KSZMNO darf nicht als letzter Schritt, auch nicht als zweiter, sondern muß als allererster Schritt gesehen werden. Es gilt, eine Wende herbeizuführen – weg vom Geist der Spaltung und der Bildung von Konfliktallianzen, weg von immer teurerer, immer gefährlicherer Aufrüstung hin zum neuen Geist gemeinsamer Sicherheit und Kooperation. Die konkrete Aufgabe der Konferenz besteht darin, einen neuen Rahmen zu schaffen, der es allen Staaten im Mittleren und Nahen Osten ermöglicht, sich auf den Weg zu einem Dialog für gemeinsame Sicherheit und Kooperation zu begeben. Einzige Voraussetzung für den Konferenzbeginn ist die unmittelbare Bereitschaft zum Dialog: Teilnehmen können alle Konfliktparteien, die keine Vorbedingungen stellen. Selbst eine kleinere Zahl von Teilnahmewilligen würde den Beginn der Konferenz rechtfertigen. Ihr Beginn würde dann voraussichtlich eine Dynamik in Gang setzen, der sich auf Dauer kaum eine der betroffenen Parteien entziehen kann.
Prof. Dr. Mohssen Massarrat, der aus dem Iran stammt, arbeitet seit über 30 Jahren als Politikwissenschaftler an der Universität Osnabrück.
Erschienen in Ossietzky 17/2007 |
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