Werner Mittenzwei zum 80.

Manfred Wekwerth

Ein Gericht würde meine Aussage, Werner Mittenzwei sei ein großartiger Menschen, wie ich nicht viele kenne, glatt wegen Befangenheit zurückweisen, da ich mit ihm befreundet bin, und zwar lange zurückreichend ins vorige Jahrtausend. Unsere Freundschaft begann – der alte Hegel hätte seine Freude – mit einer echten Negation, als Werner uns sein erstes Brecht-Buch »Von der Maßnahme zu Leben des Galilei« brachte und ich den unaufhaltsamen Aufstieg Brechts von der »Maßnahme« zu »Leben des Galilei« nicht nachvollziehen konnte, dazu mochte ich die »Maßnahme« zu sehr. Sein zweites Buch über Brecht sah uns bereits als gemeinsame Streiter, denn diese zuverlässige Biographie enthielt auch eine zuverlässige Geschichte der DDR, die die Politiker des Landes allerdings nicht sehr mochten, was ihre Freude am Herauskommen des Buches nicht vergrößerte. Wieder half uns der alte Hegel mit seinem Vorschlag zur »List der Vernunft«. Wir stellten in der Akademie der Künste unter der Hand etwa 50 Exemplare her und verteilten sie systematisch an alle, die daran interessiert sein mußten, darunter eben auch die Politiker. So wurde die Brecht-Biografie noch vor ihrem Erscheinen zur vollendeten Tatsache und jeder Einwand gegen sie zur öffentlichen Angelegenheit.

Der Leser wird verstehen, daß ich Werner Mittenzweis enorme Verdienste hier nicht weiter aufzählen und preisen will, denn ich will meine Freundschaft mit ihm nicht aufs Spiel setzen. Auch von einem Vorschlag für ein Mittenzwei-Kolloquium zu seinem 80. Geburtstag mußte ich absehen, da es gerade Werner Mittenzwei war, der bei unserer gemeinsamen Arbeit an Brechts »Tudandot« den Begriff des »Kongreßmenschen« erfand und sich über diese menschliche Spezies lustig machte. So bleibt mir nur der Vorschlag, seine Bücher zu lesen. Wie sehr gerade die neuen (das jüngste ist erst einige Monate alt) unsere Zeit durcheinanderbrachten, zeigte sich, als der Rezensent der FAZ nach der Lektüre von ­Mittenzweis »Die Intellektuellen« von Balzacschem Format schrieb, während der Rezensent des ND ihm riet, mit dem Schreiben von Büchern besser aufzuhören.

Ich hoffe, lieber Werner, ich habe Deinen Geburtstagswunsch erfüllt und nichts gesagt. Was es noch zu sagen gibt, sage ich Dir wie immer nächsten Sonntag am Telefon, so daß die Medien nichts davon erfahren. Denn es besteht immer die Gefahr, daß Verdienste durch »Goldne Hennen«, Geburtstags-Galen und bunte Ansteck- oder Umhängekreuze geschmälert werden.

Erschienen in Ossietzky 16/2007