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Früher war die Stadt auch wegen des Honigkuchens bekannt, und noch heute ist Grünkohl – dort Braunkohl genannt – das braunschweigische Nationalgericht. In dieser schönen Stadt gibt es auch den Archiv-Verlag, dessen Publikationen mittelalterliche Themen ebenso berühren wie solche der jüngsten Vergangenheit. Er bringt Wichtiges wie auch weniger Bedeutendes unter das Publikum und mußte deshalb in Ossietzky 3/05 schon einmal nachdenklich betrachtet werden. Vor kurzem nun gelangten »Dramatische Dokumente zum Dritten Reich« zu den Interessenten, die sich für diese Reihe entschieden hatten, nachdem ihnen versichert worden war (als hätte es seit Jahrzehnten nicht massenhaft Bücher, Groschenhefte oder Illustrierte oder auch veritable Fälschungen zu diesen Themen gegeben), daß »ein für lange Zeit fast totgeschwiegenes Kapitel ... nun mit Macht in unser Blickfeld« drängt und deshalb vom Verlag verwertet werden muß. Seither kann jeder beispielsweise Hitlers Testament, die letzten Funksprüche aus der Reichskanzlei sowie Berichte über den Werdegang Hitlers und seiner Vasallen in das »edle Erscheinungsbild« der Ordner einfügen. Wer mag, kann damit aber auch einen Erinnerungsschrein bestücken. Ein ganz neues Angebot, dem potentiellen Käufer als eine »persönliche Empfehlung von Konrad Adenauer« vorgestellt, wird bereits auf dem Umschlag der Postsendung als »Weltpremiere« angepriesen und zur »Großen Deutschland-Sammlung« erklärt. Zuständig für die Zusammenstellung war die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, deren Chef in einem Begleitschreiben darauf verweist, daß die Auflage »streng limitiert« und deshalb nicht im Handel erhältlich sei. Außenminister a. D. Hans-Dietrich Genscher sei bereits stolzer Besitzer des Buches, das in keiner Büchersammlung fehlen sollte. Man könne dieses »einmalige Werk deutscher Geschichte« zum Vorzugspreis von nur 119,85 Euro – um 30 Euro günstiger als später – sofort kaufen. Irritiert wird man dann erst einmal, wenn sich der genannte Konrad Adenauer nicht als derjenige erweist, der lieber »das halbe Deutschland ganz als das ganze nur halb« haben wollte, sondern als dessen Enkel, der für werbende Sätze gewonnen wurde. Irritierend wirkt auch, daß etwa zur gleichen Zeit ein anderes Literatur-Versandhaus (die Firma Akzente in Lahnstein) das gleiche Werk, allerdings für »nur« 129,90 Euro, auf den Markt zu bringen versucht . Was erwartet den Leser? Eine, wie erklärt wird, »noch nie dagewesene Top-Sammlung« deutscher Geschichte mit Abbildungen, dazu Original-Sammlerstücke, und alles mit hohem Sammlerwert, da eben streng limitiert. Der Ordner in einem, wie versichert wird, außergewöhnlichen Luxusformat, sogar mit Goldschnitt. Im Zeitraum von 1949 bis 1974, der im ersten Band behandelt wird, besteht Deutschland anscheinend lediglich aus der alten Bundesrepublik, wenn man einmal von der Mauer absieht, die mit statistischen Daten vertreten ist. Man erinnert sich, wie damals westdeutsche Politiker und Publizisten die Landschaften östlich von Elbe und Werra zum Inland zählten, die DDR für nichtexistent erklärten und deren Bürger zwar als »Brüder und Schwestern«, aber nicht als richtige Deutsche anerkannten, was sich zum Beispiel in Sportnachrichten gelegentlich so ausdrückte: »Die Goldmedaille erhielt Hans Meyer aus Oberwiesenthal, bester Deutscher wurde Kurt Krause aus Oberammergau auf Platz 17.« Möglich, daß das Bonner Haus bestrebt war, seinem Namen streng gerecht zu werden, so daß über den deutschen Restbereich erst ab dem 3. Oktober 1990 zu reden wäre. Über weitere Bände geben die vorliegenden Informationen nichts her, außer daß der zweite ein Vorwort von Helmut Kohl enthalten wird. Aber man wüßte doch gern, warum zum Beispiel die Streitkräfte des zweiten deutschen Staates noch nach der Übernahme durch die Bundeswehr als »fremde Heere« eingestuft wurden und daher sicherlich in der »Großen Deutschland-Sammlung«, weil eben nicht wirklich deutsch, nicht auftreten können und werden. Till Eulenspiegel, der bekanntlich aus der näheren Umgebung Braunschweigs stammte, buk, wie erinnerlich, Eulen und Meerkatzen und verkaufte sie, nachdem der Bäcker die Annahme verweigert hatte, selbst nach der Überlegung: »Du hast oft gehört, man könne nichts so Seltsames gen Braunschweig bringen, daß man nicht Geld daraus löse.« Das Traditionsbewußtsein beschränkt sich in dieser Gegend heutzutage offensichtlich nicht nur auf Braunkohl oder auf das Schloß der Welfen.
Erschienen in Ossietzky 16/2007 |
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