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Ich war sechzehn, als ich in unserem Wohngebiet einen Klub der neugegründeten Amerikanischen Jugend für Demokratie (AYD) besuchte, die mitten im Weltkrieg versuchte, weniger linkssektiererisch zu sein als die vorhergegangene Jungkommunistenliga. Oder so etwa. Ein wichtiger Grund, weshalb ich im Klub blieb, war die Vorsitzende Nina, eine hübsche, zierliche Schwarzhaarige mit viel Energie und viel Grips. Leider hatte damals mein bester Freund Jack viel mehr Glück bei Nina als ich, doch wurde ich in dem linken Verein fest verankert wie auch bald in weiteren linken Vereinen. Genau das brachte mich in der nach dem Krieg einsetzenden McCarthy-Ära in die Bredouille, erst recht als ich zum Militär eingezogen wurde. Um mich vor dem Schlimmsten zu retten, desertierte ich in Bayern aus der US-Army. Bald landete ich ausgerechnet in Sachsen und schließlich in der Berliner Karl-Marx-Allee, wo ich heute noch bin, geographisch wie gedanklich, also wohl wenig beweglich. Gelegentlich fragte ich mich, was aus Nina geworden war, die zu meiner Schicksalswende beigetragen hatte. Einige Versuche, sie zu orten, schlugen fehl, zumal sie durch eine Ehe den Namen verändert hatte. Nina fragte auch gelegentlich nach mir, doch auch ich hatte den Namen verändert, nicht durch meine Ehe, sondern wegen der Desertion. Eines Tages hörte sie etwas von meinem Buch, in dem meine beiden Namen standen. Sie bestellte es, erfuhr nun, daß ich einst für sie geschwärmt hatte, und schrieb mir über den Verlag aus ihrem Wohnort Burlington im kleinen US-Bundesstaat Vermont. Wir tauschten dann E-Mails mit unseren nostalgischen Geschichten aus; ich erfuhr, daß sie, nach vielen Schwierigkeiten, Kunstwissenschaftlerin, Museumskuratorin und nun Rentnerin geworden war. Bei einer USA-Reise (seit 1994 durfte ich solche Reisen unternehmen) habe ich sie sogar in dem ruhigen Städtchen am See besucht. So schlank und energisch wie einst waren wir beide nicht mehr, doch pochten unsere Herzen immer noch, nicht für einander, doch gegen Krieg und Unterdrückung, auch gegen George W. Bush. Und nun folgte das nächste Kapitel in dieser Geschichte von alten Linken. Ein Mann, der sich seit Jahren für jene oft bedrängten Soldaten einsetzt, die durchschauen, wie sie zum Töten mißbraucht werden, und der helfen will, daß viel mehr Soldaten das begreifen, bekam durch einen Freund ein Buch von jemandem, der selbst einmal desertiert war. Keiner der beiden Autorennamen bedeutete ihm etwas. Doch plötzlich, nach wenigen Seiten, so sagt er, »bekam ich fast einen Herzinfarkt«. Denn in dem gleichen Klub war auch er gewesen, und für die gleiche Nina hatte auch er geschwärmt! Nach 60 Jahren erinnerte er sich noch an den einzigen Kuß von ihr – denn er hatte nicht mehr Glück gehabt als ich. An mich hatte er keinerlei Erinnerung, doch er schrieb mir sofort. Ich konnte mich an ihn gut erinnern; denn als Emigrant aus Nazi-Europa war er damals aufgefallen. Aber auch er hatte inzwischen seinen Namen geändert. Seit Monaten korrespondieren wir nun, er jetzt auch mit Nina. Nur mit dem Besuchen ist es schwieriger, denn Max Watts wohnt jetzt in Sydney, Australien. Und siehe da, es gab weitere Zufälle. Denn wie ich schreibt auch Max gelegentlich für Ossietzky ; er ist einer der wenigen Experten für Entwicklungen auf den vielen Inselstaaten im Stillen Ozean wie auch in Australien, wo er, soweit es ihm die alten Beine erlauben, weiterhin aktiv bleibt. Berlin kennt er auch; er hat es vor Jahren öfters besucht, ohne von mir zu wissen. Und das führt zum letzten Zufall. Es stellte sich heraus, daß »unsere« Nina eine geborene Berlinerin ist. Auch sie mußte in den 30er Jahren emigrieren, weil ihr Vater, Martin Gumpert, nicht nur jüdisch, sondern auch links war, ein fortschrittlicher Arzt und auch Dichter, der Thomas Mann mit medizinischem Fachwissen unterstützen konnte und manche anderen Autoren in der Weimarer Zeit behandelte. Wer weiß, vielleicht kannte er auch Carl von Ossietzky! Es muß ein guter Klub gewesen sein – oder wir sind sehr stur, denn wir alle drei hassen immer noch die Kriegsmacher, wir freuen uns über jeden Erfolg der »kleinen Leute unten«, wir tun so viel, wie die nicht mehr ganz so starke Energie (oder Beineskraft) zuläßt, und wir hegen ähnliche Hoffnungen für eine bessere Zukunft, auch wenn deren Horizont allmählich aus unserer persönlichen Sehweite entschwindet. Und ob in Sydney oder Berlin, schreiben wir noch für Ossietzky . Zu den Lesern des Blattes gehört nunmehr auch Nina in Vermont.
Erschienen in Ossietzky 16/2007 |
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