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Die deutsche Truppe, die unter dem Label der International Security Assistance Force (ISAF) von ihren Tornados aus die afghanische Infrastruktur fotografiert, stellt die Aufnahmen unmittelbar den Kampfflugzeug- und Bomber-Mannschaften der Operation Enduring Freedom (OEF) zur Verfügung, die sie für ihre Angriffe nutzen. Die getöteten afghanischen Zivilisten sind die Opfer der Tornado-Befürworter, die auch das Renteneintrittsalter 67 beschlossen haben. Wer nicht so lange arbeiten kann, erhält pro Jahr früheren Rentenbezugs 3,6 Prozent weniger Rente; wer mit 63 in Rente geht, muß also bis zum Tode auf 14,4 Prozent der Rente verzichten, Außerdem fehlen ihm/ihr die jährlichen Punktwerte, die er/sie in den Jahren bis 67 sammeln würden, wenn sie noch arbeiten könnten. Steuergeld für NATO-geführte Kriegseinsätze ja, Steuergeld für ein Leben in Würde nach einem kräftezehrenden Arbeitsleben nein – das ist die klare, grundsätzliche Entscheidung der von Angela Merkel geführten Bundestagsmehrheit sowie vieler grüner und liberaler Abgeordneter. Ein Zeitsoldat der Bundeswehr erhält für vier Tage im Auslandseinsatz 368 Euro. Das ist etwa der Betrag, mit dem ein »Hartz IV«-Empfänger einen ganzen Monat auskommen soll. Ein Kindergarten mit 30 Plätzen kostet, wie ich der Cannstatter Zeitung entnehme, 990.000 Euro. Erst im Jahr 2013 will Familienministerin von der Leyen für jedes dritte Kind einen Kindergartenplatz zur Verfügung stellen. Die Korvette Oldenburg, gerade vom Stapel gelaufen, kostet uns SteuerzahlerInnen 300 Millionen Euro oder, anders ausgedrückt, 300 Kindergärten mit je 30 Plätzen. Mit den 14,1 Milliarden Euro, die uns die Eurofighter kosten, könnten wir 475.000 Kindergartenplätze finanzieren. Und würden die vier Fregatten F 125 nicht gebaut, gäbe es gleich noch 78.000 Kindergartenplätze mehr. Setzten wir die Gegenüberstellung fort, würde mit jedem neuen Posten offensichtlicher, daß Rentenkürzungsprogramme, Studiengebühren und Mangel an bezahlbarer Kinderbetreuung nicht sein müßten – wenngleich die Regierenden immerzu behaupten, es gebe keine Alternative zu ihrer Politik. Allein ihr politischer Wille entscheidet, wohin das vorhandene – von uns erarbeitete – Geld fließt. 645 Millionen Euro sollen 2008 für die Renovierung von Kasernen ausgegeben werden. Für die Instandhaltung von Schulen und Kindergärten dagegen zieht man zunehmend die Eltern zu »Subbotniks« heran. Offensichtlich sieht Kanzlerin Merkel die Zukunft unseres Landes nicht in unseren Kindern, sondern in den Märkten, Rohstoffen, Transportwegen am Hindukusch und in anderen Weltgegenden. Doch wessen Interessen liegen dort? »Das Land am Hindukusch ist für Deutschland ein kleiner, aber lukrativer Markt«, las ich neulich in einer ausländischen Zeitung. Neben den 3000 deutschen Soldaten hielten sich deswegen in Afghanistan auch 500 deutsche Zivilisten auf. Im Jahre 2005 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Waren im Wert von 122 Millionen Euro nach Afghanistan geliefert, im vergangenen Jahr stieg der Export schon auf 203 Millionen Euro. Glücksritter oder Verzweifelte wollen von den Geschäften profitieren. Für den Mitte Juli zu Tode gekommenen Bauingenieur aus Mecklenburg-Vorpommern hieß die Devise offensichtlich: Afghanistan statt Hartz IV. Er war mit seiner eigenen Baufirma in Konkurs geraten und wollte in Afghanistan Geld verdienen, um seine Familie zu ernähren und seine Schulden abzubezahlen. In Deutschland fand er dafür keine Perspektive. In Mecklenburg-Vorpommern liegt die Arbeitslosigkeit bei 15,8 Prozent. Und ausreichend Geld für zivile Arbeitsplätze stellt die Regierung nicht zu Verfügung. Daß Konzerne wie Siemens Interessen am Hindukusch haben, ist auf den vorderen Zeitungsseiten nicht zu lesen. Als 2004 der damalige Außenminister Afghanistans, Abdullah Abdullah, anläßlich der internationalen Afghanistan-Konferenz in Berlin war, erwähnte er, Siemens sei in die »Aufbauarbeiten« in seinem Land »stark involviert«. Dafür erwartete er verbindliche Zusagen für Finanzhilfen. Dieser skandalumwitterte Konzern wie auch der Rüstungsprofiteur EADS (in dessen Auftragsbüchern der Eurofighter und der Kriegstruppentransporter A400M mit zusammen 22,7 Milliarden Euro stehen) haben eben andere Interessen als die 77 Prozent der Bevölkerung, die sich gegen die Tornado-Einsätze ausgesprochen haben. Und es sind auch nicht die Interessen der 65 Familien, deren Söhne bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen sind, sowie all der nicht gezählten Familien, deren Söhne und Töchter verletzt oder traumatisiert von dem 1992 – ganz im Sinne der deutschen Konzerne – in den Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr formulierten Auftrag zurückgekommen sind, »die Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt« zu sichern.
Erschienen in Ossietzky 16/2007 |
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