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Zur Geschichte der Demokratie, die zum ersten Mal auftrat in Griechenland, muß man wissen, daß es eine Sklavenhalter-Demokratie war, die nicht mehr als 60 Jahre dauerte und in diesen 60 Jahren den ersten Weltkrieg der Menschheitsgeschichte produzierte, einen Krieg, der 26 Jahre dauerte. All dies war legitimiert durch ihren Begriff der Freiheit. Der Philosoph Sokrates war entsetzt von diesem Begriff der Freiheit, sagte das auch seinen Studenten, die seine Weisheit verehrten, ihm sogar zur Flucht verhelfen wollten. Es kam zu einem ersten und einem zweiten Prozeß, in dem er dann zum Tode verurteilt wurde durch Gift. Nach dem Urteil sagte er, er wolle lieber sterben, als die Wahrheit über die demokratische Freiheit verraten. Sokrates nahm den Giftbecher, den die Demokratie ihm reichte, und trank ihn aus bis auf den Grund. Denn auf diesem Grund – das wußte der Weise – hockte jene Freiheit ohne Wahrheit, von der er sagte, daß sie die Demokratie am Ende in die Tyrannis stürzt, stürzen muß. Jetzt zu Düsseldorf! Dort kämpften gegen Handke die gleichen »Brüder und Schwestern«, die ihre bösen, zentnerschweren Vorwürfen noch heute auf dem Fließband der Medien ablaufen lassen: »Es gab keine Meinungsfreiheit für die Menschen in der DDR.« Ach ja, ach ja, und keine Meinungsfreiheit jetzt für Peter Handke in der BRD. Was für eine Offenbarung! Ist die Meinungsfreiheit also doch ein Popanz? Soll die Abdikation, aus der der Führungsstil der Demokratie kommt, nämlich »das freie Gewährenlassen der Untergebenen, wobei auf jeglichen Einfluß von oben verzichtet wird«, jetzt an den Haken einer demokratischen Diktatur gehängt werden? Keine Meinungsfreiheit, zumindest für Handke, wenn er von Deutschland – dem immer noch mit Auschwitz am Hals belasteten – erwartet, daß man Milosevic bitte nicht mit Hitler vergleichen möge. Das ist zuviel verlangt. Das geht nicht. Wenn Deutschlands Volk nicht lernt, Milosevic mit Hitler zu vergleichen, dann versteht es die Bomben aus Deutschland auf Frauen und Kinder in Belgrad nicht; denn es ist noch nicht lange her, daß eben dieser Präsident Milosevic in den USA als »der Abraham Lincoln von Jugoslawien« gefeiert wurde. Und nun ist er ein Hitler? Also ein Vieh, ein Verbrecher und gehört ins Gefängnis? Solche Metamorphosen sind möglich, wenn die Freiheit wieder einen Krieg braucht. Besonders, wenn man auf ihn 50 Jahre verzichten mußte (was sogar der Kanzler Kohl wußte, als er sagte: »Aus historischen Gründen geht das nicht«). Trotzdem ist Vergessen die Voraussetzung für das Gelingen einer Metamorphose, die man täglich füttern muß mit dem, was in der Zeitung steht, wenn es um Krieg geht. Hat ein mageres Hirn davon genug gegessen, getrunken, geschluckt, ist es handbar, willig. Das genügt. Begeisterung ist nicht von Nöten. Im Gegenteil. Sie kann sich in Schrecken, in Entsetzen verkehren, sobald die Wirklichkeit des Krieges sich die Kinder holt. Die Wahrheit ist dem Krieg nicht zumutbar. An ihr muß er verrecken. Darum wünschte sich dieser Krieg, daß die Deutschen vergessen, daß die Serben sich selber von Hitler befreit haben. Ohne Hilfe. Ganz allein. Die Deutschen sollen glauben, Auschwitz liege jetzt da, wo sie den serbischen Hitler besiegten. An den Verteidigungskrieg der Serben gegen Hitler soll man sich in Deutschland nicht mehr erinnern – jetzt, wo Auschwitz nicht mehr in Auschwitz liegt und, was noch toller ist, das ganze Deutschland am Hindukusch liegt und künftig in der ganzen Welt. So las man es in den Zeitungen, so sollte man es lesen lernen, eingeschenkt als reiner Wein, zu trinken als die große Offenbarung der losgelassenen Freiheit, die der Menschheit unter der Obhut der neuen Weltordnung die Demokratie mit Flugzeuggeschwadern bescheren will. Zu fragen ist: Befriedigt diese Freiheit den moralischen Anspruch in der Demokratie, den sie so laut im Mund führt und auf den sie pocht? Schlägt sie da ihre eigene Moral nicht mit dem bekannten Sprichwort »Der Schritt von der absoluten Moral bis zum blutigen Massaker ist kurz«? Stimmt da nicht, was Friedrich Nietzsche wußte: »Moral ist Notlüge, damit wir von ihr nicht zerrissen werden«? Ist dieses ständige Lügen und Belogenwerden nicht eine Moral, die den weitesten Fußtritt verdient bei diesem Fußballspiel mit den Menschen, den Völkern? Soll man da mitmachen? Ist es nicht würdiger, wenn Peter Handke diesen politischen Moralisten in Düsseldorf den Preis vor ihre Füße legt, damit das moralisierende, heuchlerische Fußballspiel, das Foulen ein Ende hat? Als wir hörten, Handke sei den Preis nicht wert, ging ich zornbeflügelt zu Eckart Spoo und fragte ihn, ob wir in Berlin diesen Preis, der nun im Düsseldorfer Dreck lag, nicht aufheben sollten. Er war gleich dafür. Und hatte auch gleich einen Titel: »Berliner Heinrich-Heine-Preis für Peter Handke«. Als Handke davon hörte, berührte ihn das, und er schrieb uns einen lieben Brief, aus dem wir seine Müdigkeit und seine Gewißheit lesen konnten, daß das die aufgehetzte Öffentlichkeit wiederum auf die berühmte Palme bringen würde. Daß es ihm aber gefallen würde, wenn wir ein Zeichen setzten. So beschlossen wir, das Geld zu sammeln – als ein ihm naheliegendes Zeichen und auch als einen sanften Verband gegen die grobe Wunde aus Deutschland. Und wollen dann – gegen die Freiheitskämpfer der großen Lügen, die nach gemeinster Freiheit gieren – das nun zu sammelnde Preisgeld in die Dörfer bringen, die letzten Enklaven in Kosovo, allseits umzingelt, denen aus dieser Freiheit nicht mehr das trockene Brot wächst. Nicht als Herr, lieber als Gast wollen wir zu den bettelarm gewordenen Dörflern gehen – eine Hand mit Geld und eine Hand mit einer Rose, damit das oft so Dreckige am Geld auf eine Rose sehen muß. In einer Pressekonferenz im Berliner Ensemble, dem Theater am Schiffbauerdamm, stellte die Schauspielerin Käthe Reichel am 22. Juni 2006 mit diesen Worten die Initiative vor, über die in diesem Heft berichtet wird.
Erschienen in Ossietzky 15/2007 |
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