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Nicht besser sind Führungen mit bis zu 50 Teilnehmern, die am Mund einer Kunsthistorikerin kleben und nur ab und an einen Blick aufs Bild riskieren. Vielleicht geht es hier aber auch gar nicht um Kunst, sondern um den Erwerb von »kulturellem Kapital« (Pierre Bourdieu), das in der Konkurrenz mit anderen zur Statusverbesserung führt, und sei es nur beim Small talk auf der nächsten Party. Wie soll man es aber verstehen, wenn Gruppen Kunstinteressierter beim Besuch einer Ausstellung daran gehindert werden, ein Gespräch über das Gesehene zu führen? So geschehen beispielsweise vor einigen Jahren in der Sammlung Berggruen in Berlin. Auf die Frage nach der Begründung meinte einer vom Bewachungspersonal: »Herr Berggruen« – der damals noch lebte – »mag das nicht.« Das mußte genügen und war ein schöner Beweis für das, was heute Public Private Partnership (PPP) genannt wird. Die Stadt Berlin hatte Berggruen ein Haus als Museum bereitgestellt, damit er seine private Sammlung der Allgemeinheit zur Verfügung stellte. Das Hausrecht aber hatte offenbar er – nach einem durchaus feudalen Verständnis. Ähnlich geht es auf der Documenta 12 in Kassel zu. Obwohl sie mit Millionenbeträgen vom Steuerzahler finanziert ist, dürfen Schulklassen mit ihren Lehrern, Professoren mit ihren Studenten oder Vereine nicht ohne weiteres das machen, was sinnvoll wäre: gemeinsam über das sprechen, was dort geboten wird. Sie werden zur Anmeldung und Bezahlung von Führungen gezwungen, selbst wenn es, wie an Wochentagen begrenzt erlaubt, ein von ihnen selbst moderiertes Gespräch sein soll. Angesichts des ausgedehnten Sponsorings der Documenta, unter anderem durch einen schwedischen Autokonzern, können hier Geldnöte nicht das entscheidende Argument sein. Es scheint auch darum zu gehen, die Kontrolle zu behalten und eine »geschulte« Sichtweise auf die ausgestellten Werke durchzusetzen. Wie das funktioniert, hat kürzlich eine Gruppe der KunstGesellschaft Frankfurt am Main erfahren. Vor einem der »Lost Boys« des schwarzen US-amerikanischen Malers Kerry James Marshall im Schloß Wilhelmshöhe deutete eine Documenta-Führerin auf die beim Malen wie absichtslos auf der Stirn des dargestellten Jungen aus einem New Yorker Farbigen-Ghetto heruntergelaufene weiße Farbspur. Sie meinte, dies sei ein vom Künstler gesetztes Zeichen dafür, daß der Junge lieber weiß sein wolle. Die Zuhörer schwiegen dazu. Kein Wunder, hatte ihre Führerin doch vermutlich genau das ausgesprochen, was sie sowieso denken: Weiß sein ist besser. Da nützt es auch nichts, wenn die Leitung der Documenta beteuert, bei ihren Führungen gehe es nicht um »definitive Wahrheiten«, weil die »Eigenart und Kraft« von Kunst in ihrer »Vieldeutigkeit« liege. Die Gruppe aus Frankfurt machte gleich im Anschluß an diese Führung ein kleines Bildergespräch, bei dem sich herausstellte, daß mit der Farbspur eher eine »Verletzung durch Weiße« assoziiert wurde. Im Fridericianum und in den anderen Häusern wurden wir dann mehrmals vom aufmerksamen Personal gestoppt. Ich wurde nach dem Dienstausweis gefragt, der mich berechtigen würde, Führungen zu machen. Ich las dann jedesmal vor, was die Kuratorin Ruth Noack in einem Interview der Frankfurter Rundschau gesagt hatte: »Wir wollen, daß die Leute sowohl miteinander diskutieren können als auch sich kontemplativ der Kunsterfahrung widmen.« Nach einigem Hin und Her wurde geduldet, daß wir über die Bilder sprachen, nicht ohne Hinweis darauf, daß dies eine absolute Ausnahme sei. Sonst hätte ich noch den Leiter der Documenta 12, Roland M. Buergel,zitiert, der in der Zeit proklamiert hatte: »Wir leben in schadenverursachenden Gesellschaften. Es muß darum gehen, die Leute aus ihrer Lethargie zu holen.« Nichts anderes hatten wir vor. Auf der Rückfahrt nach Frankfurt lasen wir Passagen aus dem Buch »Hype. Kunst und Geld« von Piroschka Dossi. Diese Insiderin beschreibt in klarer, manchmal sarkastischer Sprache, daß der Kunsthandel zum großen Teil zu einer Waschanlage für Schwarzgeld verkommen ist und der Kunstbetrieb schon weitgehend von privaten Sponsoren gesteuert wird, die sich durch Ausstellungen Wertsteigerungen für die von ihnen erworbenen Objekte erwarten. Der diesjährigen Documenta kann man, so meinten wir nach ihrem Besuch, zugute halten, daß sie dieser Tendenz einen stillen Widerstand zu leisten versucht. Noch nie waren zum Beispiel so viele Künstlerinnen vertreten und so viele weniger bekannte Namen. Ai Weiweis aus den Türen alter Häuser, die dem Neubauboom in China weichen mußten, zusammengesetztes Denkmal »Template«, das ein über Kassel hinwegfegender Sturm niedergelegt hat, ist zu einem Mahnmal für den Klimawandel geworden. Manchmal hilft sogar die Natur nach, um die Kunst freizusetzen. Aber die Freiheit, über Kunst zu sprechen, müssen wir uns schon selbst nehmen.
Erschienen in Ossietzky 14/2007 |
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