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Unser Kranker, der einen leichten Schlaganfall erlitten hatte und jetzt hier in der Reha-Klinik die Lähmungserscheinungen auskurieren soll, kann zum Glück ganz gut reden und macht uns einander wieder bekannt. Eigentlich wollte ich mich gerade verabschieden, anderthalb Stunden haben der Patient und ich schon geredet. Doch jetzt einfach zu verschwinden, wäre unhöflich. Die Unterhaltung kreist zunächst um frühere Erlebnisse und wie es unsereinem so ergangen ist, alles in groben Zügen. Auch Egon, den Kranken, kennen wir schon aus Jugendzeiten, und selbstverständlich reden wir miteinander nur im uns vertrauten Plattdeutsch. Dann wird das Gespräch etwas spezieller: Heinz will wissen, wie Egon denn mit seinen vermieteten Wohnungen zurechtkommt? Gut, alles läuft bestens, er hat keinen Grund zur Klage, die Miete kommt pünktlich vom Sozialamt aufs Konto. Ich frage vorsichtig nach und erfahre, daß Egon sich vor Jahren von dem Ersparten aus seinen Jahren als kleiner Selbständiger drei alte Häuser mit jetzt zwölf Wohnungen hier in der Kleinstadt hat kaufen können, wo er seitdem Asylbewerber und Sozialhilfeempfänger unterbringen kann. Das rechnet sich ganz gut und bessert die Rente auf. »Und Du hast da wirklich keine Probleme, immer genug Leute vom Amt zu bekommen?« fragt Heinz. Nein, hat Egon nicht. In letzter Zeit schicke man ihm hauptsächlich Rußlanddeutsche, die hier ja kaum noch Arbeit fänden oder aus anderen Gründen auf Sozialhilfe angewiesen blieben: Alter, chronische Krankheiten und so weiter. Manche blieben auch dann bei ihm wohnen, wenn sie Arbeit gefunden hätten. Da kann Heinz nur neidisch lachen, so gut hat er es nicht mehr! Da ich das genauer wissen will, erzählt er uns die Gründe für seinen aktuellen Ärger und nach und nach auch die ganze Geschichte. Mitte der neunziger Jahre kam er günstig an einen zwanzigjährigen Pachtvertrag für einen Teil eines aufgelassenen Fabrikgeländes im Industriegebiet der nahen Großstadt. Dort standen schon über dreißig Wohncontainer, die einst als Übergangsheime für Gastarbeiter genutzt worden waren. Auf dem Amt, wo er jemanden gut kannte, holte er sich die Genehmigung, die Zahl der Container auf hundert aufzustocken. Zugleich mußten die Sanitäranlagen renoviert und erweitert werden. Auch Gemeinschaftsküchen ließ er installieren, jeweils für zehn Container eine – »gibt’s ja heutzutage alles als Bausatz aus Blech!« Der Betrieb lief sehr gut an, denn sein Gewährsmann in der Bauverwaltung hat ihm damals auch die Kanäle zum Sozial- und zum Wohnungsamt »geöffnet – sagen wir mal ... Dort waren die noch dringend auf Unterkünfte für die vielen Asylbewerber aus Jugoslawien angewiesen und sehr froh, daß sie bei mir auf einen Schwung so circa 60 Familien unterbringen konnten. Die Rechnung, die das Amt so Pi mal Daumen vorgab, war ganz einfach: ungefähr drei Familienmitglieder auf einen Raum, bei kleinen Kindern auch schon mal vier; war die Sippe größer, gab’s einen zweiten Container. Wird gut bezahlt! Ich mußte dann auf Drängen des Amtes natürlich noch ein Hausmeisterehepaar einstellen. Damit hab’ ich großes Glück gehabt, die beiden hatten den Laden bald gut im Griff – von wegen, seinen Dreck nicht wegmachen in der Küche oder auf den Fluren, das gibt’s bei uns nicht! Ein Reihum-System für den täglichen Reinigungsdienst wird vorgegeben und strengstens überwacht, auch mit Sanktionen.« Und wo liegt nun das Problem? »Die Schwierigkeiten begannen schon Ende der neunziger Jahre, als die damals mit der NATO den Verrückten da auf dem Balkan – in Bosnien, im Kosovo und vor allem in Serbien – klar gemacht haben, wo’s lang geht. Seitdem gibt’s von dort keinen Nachschub mehr an Flüchtlingen. Und auch für all die anderen, die hierher wollen, sind doch die Grenzen so gut wie dicht. Die lassen lieber die Afrikaner im Mittelmeer ertrinken, als sie reinzulassen in die EU. Als Staatsbürger find’ ich auch, daß wir hier nicht noch mehr Fremde reinlassen dürfen. Aber als Geschäftsmann habe ich darunter zu leiden. Zunächst lief noch alles ganz gut. Die Abschiebeverfahren zogen sich ziemlich in die Länge, was mir nur recht sein konnte. Und meine Kontaktleute auf dem Amt wußten mir mehrere Jahre lang Ersatz zu liefern. Da zog ein Gutteil Rußlanddeutsche ein. Aber sobald die Arbeit fanden, waren sie weg – wollten ein besseres ›Wohnumfeld‹ haben, wie mir die Leute in der Behörde erklärten. Und so standen bald immer mehr Wohncontainer leer, ohne daß die auf dem Amt mir zu helfen wußten. Aber am schwersten ist es geworden, seitdem mein Freund dort in Pension gegangen ist. Die Nachfolger sind harthöriger. Sie sagen, es gebe einfach keinen Bedarf mehr für mein Angebot! Ja, und jetzt hab‘ ich dieses Containerlager an der Hacke. Zur Zeit sind noch gut vierzig bewohnt. Mit dem Hausmeisterpaar hab’ ich schon gesprochen, ab 1.1. brauche ich nur noch eine Stelle. Es ist noch nicht so, daß ich direkt einen Verlust einfahre, die Bankkredite hab’ ich in den ersten guten Jahren ziemlich schnell tilgen können, auch mein eigenes Geld ist längst wieder raus. Aber es schmerzt doch, wenn die Rendite immer geringer wird! Und ich bin doch noch fast acht Jahre an den Pachtvertrag gebunden. Das wäre echt schmerzhaft, wenn ich den Laden schließen müßte und noch länger blechen sollte. Was meint Ihr, ob die bald mal Ernst machen und diese faulen Arbeitslosen mit Hartz IV aus ihren zu teuren Wohnungen holen? Hab‘ ich neulich in der Bild-Zeitung gelesen, daß man das jetzt zügig durchziehen will. Da könnte ich doch ein gutes und preiswertes Angebot vorlegen! Ich sollte wohl mal neue Fäden zu den Leuten vom Arbeitsamt knüpfen, oder?« Er guckte uns an, wartete wohl auf Ratschläge… Nur noch ein paar höfliche Entschuldigungs- und Genesungswunschformeln murmelnd machte ich schnell den Abgang. Draußen fiel mir ein: »Wo ein Aas ist, sammeln sich die Geier.«
Erschienen in Ossietzky 14/2007 |
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