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Offenbar beruhigte die mehrfach gegebene amtliche Auskunft die auf Einhaltung der Menschenrechte besorgte Weltöffentlichkeit, vorweg das besonders besorgte bundesdeutsche Gewissen. Wenn nicht auf Menschen geschossen wird, sondern nur auf Deserteure, ist alles halb so schlimm. Schließlich erklären bundesdeutsche Gerichte die Exekution von Wehrmachtsdeserteuren für Rechtens. Schließlich dürfen Bundeswehrtotalverweigerer mehrfach bestraft werden und landen im Gefängnis. In der Kriminalisierung und Verfolgung von Deserteuren und Totalverweigerern besteht gesamtdeutsche Einigkeit und Unfreiheit. Sie zu erhalten und zu erweitern will der BRD-Bundespräsident, ein Wehrmachtshauptmann und Leningradkämpfer a.D., gar das Grundgesetz ändern. Zu den erlaubten Todesschüssen auf heutige Deserteure schweigt der DDR-Verteidigungsminister, ein ehemaliger Wehrmachtsdeserteur, der damit seine damalige Fahnenflucht widerruft. Somit wird die gesamtdeutsche Blutlinie wiederhergestellt: Soldaten haben zu gehorchen. Wer sich verweigert, hat die Folgen zu tragen. Da helfen keine Volksarmee-Bauarbeiterbataillone, da hilft kein gnädig erlaubter Zivildienst als bundesdeutsches Ersatzprogramm. 200 Jahre nach Erklärung der Menschenrechte ist aber als deren längst fällige Komplettierung das allgemeine Menschenrecht auf Totalverweigerung jeglichen Militär- und Ersatzdienstes zu fordern und zu erkämpfen: national und international. Das heißt: Kein Staat besitzt das Recht, auf Deserteure zu schießen. Kein Staat hat das Recht, Verweigerer zu bestrafen oder irgendwelche Ersatzdienste zu verlangen. Kein Staat besitzt das Recht, aus Menschen Soldaten zu machen. Es ist das natürliche Recht eines jeden Menschen, Militär- oder Ersatzdienste zu verweigern oder sie – nach besserer Einsicht – jederzeit zu verlassen. Kriminell ist nicht die Verweigerung. Kriminell ist deren Verbot und Verfolgung. Soweit mein damaliger taz-Artikel. Inzwischen veränderten sich die Machtverhältnisse. Radikalen Pazifismus kann ich heute nur noch in Ossietzky vertreten. Wo sonst ? Die Grenze zwischen BRD und DDR ist weg. Die Volksarmee auch. Als die Sowjetunion in Afghanistan Krieg führte, nahm die NVA nicht daran teil. Bundeswehrsoldaten aber stehen jetzt auf Seiten der US-Army am Hindukusch. Vor kurzem betrauerten in der ARD eine sächsische Soldatenwitwe ihren Mann und eine Schwester ihren Bruder, die in Kabul den Tod fanden. Warum gingen die Männer zum Bund? Gegen Krieg hilft nur Totalverweigerung. Der beste Kämpfer ist der Deserteur. Das gilt für sämtliche Armeen. Alle Kriegstoten hätten überleben können, wären sie beizeiten tapfer genug gewesen, nicht zu gehorchen und nicht zu schießen. Ja, höre ich sagen, wenn die Rote Armee der Wehrmacht nicht widerstanden hätte, wären die Nazis Herren der Welt. Das stimmt. Es ist deutsche Schuld, Hitlers Krieg geführt statt gekontert zu haben. Übrigens wird die Zahl der hingerichteten sowjetischen Deserteure auf mehr als 150.000 geschätzt. Sowjetsoldaten von Sowjetsoldaten erschossen. Auch dies durch Deutschland verursacht und nachhaltig verschwiegen. Deshalb steht es jetzt hier. Es steht auch hier, weil ich soeben in der Zeitung las: »Tornado-Einsatz in Afghanistan rechtmäßig – Karlsruhe weist Klage der Linken ab – Isaf-Mandat entspricht Nato-Vertrag – Jung: Ich freue mich« Ich freue mich nicht. Der neue imperiale Kolonialkrieg geht also rechtmäßig weiter. Laut FAZ vom 4. 7. 07 sogar überschriftlich auf Seite 1: »Im Rahmen des Friedensgebotes.« Aber gewiß: »Krieg bedeutet Frieden« (Orwell). Die heutige Generation hat also ein Problem wie die Urgroßväter unter Kaiser Wilhelm und die Großväter unter Adolf Hitler: Krieg führen oder Gehorsam aufkündigen … Du sollst Gott mehr gehorchen als dem Menschen, erklärten die Bibelforscher und Zeugen Jehovas. 300 von ihnen ließ das Reichskriegsgericht hinrichten. Ich bin ungläubig. Unsereinem hilft kein Gott. Seine priesterlichen Stellvertreter sind bei allen Kriegen eilfertig dabei. Mit 19 Jahren ging ich von der Wehrmacht zu den Sowjets, die mich vier Jahre behielten und dann insgeheim zu einem der ersten Volksarmisten machten. Dort ärgerte ich mir eine Tbc an den Hals und nahm mir vor, bis ans Ende meiner Tage Krieg und Militär zu destruieren. Deshalb steht das jetzt hier: Du brauchst keinen Gott und keinen Menschen dazu, die Waffe wegzuwerfen. Trau keinem Politiker, General, Kriegsrechtler. Ob Jung, Struck oder Scharping, der beim Radfahrer-Dope-Verein landete, nachdem er den Jugoslawien-Krieg im Swimmingpool betrieben hatte, sie allesamt sind keinen Milliliter Blut wert. Sollen die Waffengeilen doch ihr Eigenblut vergießen.
Erschienen in Ossietzky 14/2007 |
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