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Steffen Hebestreit, Spitzenrechercheur. – In Ihrer Nachbetrachtung zur »Gewalt in Heiligendamm« in einem Leitartikel der Frankfurter Rundschau informieren Sie über die »Vermummten und Bewaffneten«, die »die Auseinandersetzung mit der Staatsmacht führen«: »Der Schwarze Block bestand in Rostock aus 5000 Autonomen, von denen sich die Hälfte massiv an den Ausschreitungen beteiligte.« Wir dürfen demnach annehmen, daß Sie, da die Polizei nicht dazu in der Lage war, selbst nachgezählt haben, um zu diesen präzisen Angaben zu kommen. Alsdann: Respekt!

Ralf Fücks, Kronzeuge. – Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung gibt in einer Sonderbeilage »Leben mit dem Klimawandel« Entwarnung: »Die Menschen haben Kühlschrank und Klimaanlage erfunden, da wird ihnen wohl auch noch etwas einfallen, wenn es demnächst ein paar Grad wärmer wird« – und das Blatt beruft sich dabei per Zitat auf Ihre, des »grünen Vordenkers« Systemkenntnis: »Der Kapitalismus ist ein hochgradig lernfähiges System, das bisher noch jede Krise und jede Opposition in einen Innovationsschub verwandelt hat.« Auf klimawissenschaftliche Grundlagen wird sich Ihr Lehrsatz nicht stützen, wohl aber auf politologische Erfahrungen: In der Tat ist Ihre Partei ein schönes Beispiel dafür, wie aus einem Hemmklotz ein Systembaustein werden kann.

Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh. – In Ihrem Auftrage haben Meinungsforscher herausgefunden, daß 60 Prozent aller deutschen Abgeordneten im Europaparlament und im Bundestag sowie in den Landtagen, aber nur 28 Prozent der wahlberechtigten BürgerInnen der Bundesrepublik der Auffassung sind, Einkommen und Vermögen hierzulande seien »gerecht verteilt«. Da ist also noch reichlich Aufklärungsarbeit unter Ihrer Regie fällig, damit die Repräsentierten dieselbe Einsicht gewinnen wie die Repräsentanten.

WAZ-Konzern, Essen. – Fälschlich haben wir im vorigen Heft Ihnen die Monopolzeitungen in Erfurt, Gera und Suhl zugeschrieben. In Wirklichkeit besitzen Sie in Thüringen nur die Blätter in Erfurt, Gera und Weimar, das Suhler Blatt gehört dem Verlag der Süddeutschen Zeitung, den Sie noch nicht übernommen haben. Thüringen ist also erst zu drei Vierteln in Ihrer Hand, ähnlich wie Kroatien, Makedonien, Bulgarien und andere.

Guido Westerwelle, auf dem Horrortrip. – Beschwörend haben Sie Ihren Parteitag und das Medienpublikum vor Deutschlands Untergang gewarnt, falls die Linkspartei weiter Zulauf bekomme: Jetzt heiße es »Freiheit oder Sozialismus«. Weil einige Ihrer Parteifreunde diese Erregtheit nicht mitvollziehen mochten, haben Sie Beweismaterial nachgeschoben: Oskar Lafontaine habe doch erklärt, »eine Presse in Händen der Wirtschaft« könne »nicht wirklich frei sein« – und in der Öffentlichkeit habe sich kein Sturm der Entrüstung gegen diesen »Extremismus« erhoben, also komme alles auf die tapfere FDP an. Wir sind Ihnen dankbar: Sie haben klargestellt, was Sie unter Freiheit verstanden wissen wollen. Erst recht sind Ihnen unsere Pressemonopolisten Springer, Bauer, Burda, Bertelsmann, Holtzbrinck, DuMont und der WAZ-Konzern zu Dank verpflichtet.

Roland Koch, politischer Sittenwächter. – Selbstverschuldet, so haben Sie in einer öffentlichen Abmahnung Ihrem Kollegen Beck in Rheinland-Pfalz gesagt, seien die Sorgen, die dieser sich als Parteivorsitzender nun über die linke Konkurrenz machen muß: Die SPD habe in Länderkoalitionen die PDS hoffähig gemacht und auf diese Weise »die Grenzen verwischt zwischen demokratischen Parteien und solchen, die man in der Demokratie nicht haben will«. Wer »man« ist, lassen Sie ungesagt; die WählerInnen meinen Sie damit jedenfalls nicht. Wir müssen aber nicht weiter rätseln, wer der ideelle Gesamtdemokrat sein mag; »man« steht für Koch.

Dieter Salomon, grüner Oberbürgermeister von Freiburg i.Br.– Weil der historische Rathausplatz überlaufen sei und Touristen sich gestört fühlen könnten, haben Sie den unentwegten Demonstranten gegen Sozialabbau und Hartz IV verboten, sich dort jeden Montagabend zum Protest zu versammeln. Nun dürfen sie es nur noch jeden zweiten. Zugleich haben Sie Café- und Restaurant-Besitzern erlaubt, Tische auf dem Platz aufzustellen. Und so haben Sie trefflich bewiesen, daß einem führenden Grünen der »freie Markt« wichtiger ist als das Demonstrationsrecht.

Erschienen in Ossietzky 13/2007