Heimwärts aus der Ewigkeit

Anne Dessau  

Können Sie sich vorstellen, was unter einem »Rückholauftrag« aus der »Oase der Ewigkeit« zu verstehen ist? Es hört sich an wie die Verheißung, einen Verstorbenen wieder bei sich haben zu können, lebend.

»Dem Himmel ein Stück näher« verspricht die Werbung eines Unternehmens, das eine gewinnträchtige Marktlücke besetzt hat. Der Vorgang wird auch zum Gewinn für andere, für Menschen, die Bedarf haben an diesem Angebot.

Man höre und staune.

Ein Mensch stirbt. Er hatte zuvor darum gebeten, seine Asche an jenem Ort verwehen zu lassen, der ihm in seinem Leben wichtig geworden war, weil seine Seele dort Heiterkeit und Gelassenheit erfahren hatte. Dorthin schickte er seine Gedanken während langer Krankenzeit, dahin sollte die Liebste seine Asche bringen und auf dem Hügel dem Wind übergeben.

Die Stunde war gekommen, seinem Wunsch zu folgen.

Die Vertreterin des Bestattungshauses reagierte ratlos auf das Ansinnen. Erd-, Feuer-, See- und Friedwaldbestattung konnte sie vorgeschlagen.

Das alles hatte der Verstorbene nicht gewollt. Er hatte sich seinen Ort des Friedens gewünscht, wollte dorthin, wo er bereits in stürmischen Zeiten seines Lebens Ruhe gefunden hatte. Und die Frau, seine Frau hatte ihm versprochen, seinen Wunsch zu erfüllen.

Was nun?

Das Gesetz in Deutschland verbietet, die Asche, somit die Urnen »kremierter Personen« Hinterbliebenen zu überlassen. Der Weg, den eine Urne bis ins Grab nimmt, ist streng vorgeschrieben. Außer den Angestellten von Krematorien und Friedhöfen darf keiner Person die Urne ausgehändigt werden.

Die Bestatterin bat um Bedenkzeit. Sie wollte dem Wunsch des Verstorbenen entsprechen, ohne die Rechtslage zu verletzen.

Am nächsten Tag hatte sie eine Lösung gefunden. Holländer, Österreicher und Schweizer bieten an, was in ihren Ländern ohnehin gesetzlich gesichert ist: Jeder kann über die Urnenasche seiner Verstorbenen frei verfügen. Erwirbt man in ihrem Land eine Grabstätte, darf man auch als Ausländer nach dortigem Bestattungsrecht handeln.

Die Schweizer »Oase der Ewigkeit« bekam den Zuschlag, denn sie garantiert auch die Rücklieferung. Vertraglich wurde aufgesetzt, daß die »Empfängerin der Urne auf dem Postweg« die Ehefrau ist. Der kremierte Tote wurde also von einem Krematorium in Deutschland auf den Weg in den Schweizer Kanton Wallis gebracht. Dort hatte die Hinterbliebene eine Grabstätte zur Almwiesenbestattung »Zurück in die Heimat« erworben (erstaunlich preiswert gemessen an hiesigen Bestattungskosten), und so trat der eingeäscherte Verstorbene seine erste und letzte Reise in die Schweiz an, zwecks vorgeblicher »Naturbestattung inmitten der Walliser Alpen«, wie es im verlockenden Prospekt heißt. Entscheidend: versehen mit einem Rückführungsantrag. Monate später brachte UPS die Retoure. Ein unscheinbares Paket, welches das Objekt der Gesetzeswidrigkeit (nach deutschem Recht) enthielt.

Ein grotesker Vorgang, jedoch: Das Vermächtnis des lieben Toten konnte endlich erfüllt werden. Ein Begleitschreiben enthielt die Zusicherung, daß die Urne, wann immer man wollte, wieder beigesetzt werden könnte.

Auf Wunsch unter einem Edelweiß.

Erschienen in Ossietzky 13/2007