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Februar 2007. Unter den Augen unbefangen scherzender Polizisten wurden die weinenden Kazans aus ihrer Wohnung im südhessischen Gründau-Rothenbergen (Main-Kinzig-Kreis) in einen Bus verfrachtet und noch am selben Tag in die Türkei geflogen. Seitdem vegetiert die Familie in Ostanatolien. Im Grenzgebiet zum Irak sind die Kazans bei Verwandten unterkommen. 14 Jahre waren sie in Deutschland geduldet worden, sozial waren sie gut integriert. Nun leben sie ohne Einkommen in einem Dorf unter primitivsten Verhältnissen. Tagsüber rattern Panzer vorbei, nachts sind Schußwechsel zu hören. »Ich halte es hier nicht mehr aus. Seit wir hier sind, kann ich nicht mehr schlafen. Wir sind alle sehr krank. Ich muß immer an meinen Lehrern und Freunden denken«, schreibt Berivan Kazan, die in Gründau-Rothenbergen die sechste Klasse besuchte, in fast fehlerfreiem Deutsch ihren hessischen Freundinnen. Auch die anderen Kinder sind traumatisiert. Gülüstan Kazan, die einen deutschen Vorlesewettbewerb gewonnen hat und im Sommer in die siebte Klasse des Gymnasiums wechseln sollte, klagt: »Ich will wieder in die Schule gehen. Hier in Türkei kann ich nicht mehr in die Schule, weil ich nicht Türkisch sprechen kann.« Derweil verschlechtert sich Ömers Gesundheitszustand. »Medizinisch wird er notdürftig von einem Tierarzt versorgt«, berichtet der Gewerkschafter Peter Völker, der zum hessischen Unterstützerkreis für die Kazans gehört. Den haben die Pastorin Edda Deuer und die Elternbeiratsvorsitzende Sylvia Dahlheimer mit etlichen anderen Bürgern im Main-Kinzig-Kreis ins Leben gerufen. Hunderte Unterschriften haben sie gesammelt, damit Ömer in Gießen operiert werden darf. In beispielhafter Solidarität haben sie verbindliche Patenschaften für die Kazan-Kinder und eine Arbeitsstelle für die Mutter eingeworben, so daß die Familie in Deutschland unabhängig von öffentlicher Unterstützung leben könnte. Ihr Engagement ist ein Wettlauf mit dem Tod, ein Kampf gegen die Unmenschlichkeit deutscher Behörden. »Der Gesundheitszustand von Ömer hat sich innerhalb kurzer Zeit sehr reduziert, so daß der operative Eingriff nicht mehr auf lange Frist geplant werden kann«, urteilte der Leiter des Kinder-Herzzentrums der Uniklinik Gießen, Professor Schranz, bereits am 29. März 2006. Eine adäquate kardiologische Versorgung sei für Ömer in der Türkei »nicht gegeben. Sollte die erforderliche Operation nicht ermöglicht werden, wird er sterben.« Doch die deutschen Behörden verweigern die Genehmigung zur Rückkehr, rechtfertigen die Abschiebung der Familie mit Verfehlungen des Vaters: Selim Kazan sei straffällig geworden. Er hat nämlich Mitarbeiter der Ausländerbehörde beleidigt und tätlich angegriffen – das war vor acht Jahren am 28. Juni 1999 und wurde längst mit einer Geldstrafe geahndet. Auch die Mutter sei damals gewalttätig und beleidigend geworden, so der Landrat des Main-Kinzig-Kreises, Erich Pipa (SPD). Zudem verursache die Familie hohe Kosten für die öffentliche Hand. Kurz: In Gründau-Rothenbergen sei der soziale Frieden bedroht, sollte die Abschiebung rückgängig gemacht werden, meinte Volker Bouffier (CDU), Hessens Staatsminister des Innern. Die südhessische Presse hat über den Fall mehrfach berichtet. Am 12. Juni 2007 wollte auch das ZDF-Magazin Frontal 21 den Skandal beleuchten. Doch kurz vor seiner Ausstrahlung wurde der Beitrag gekippt. Zur Begründung hieß es, die Anwältin der Kazan-Familie habe das ZDF falsch informiert, was diese bestreitet. In überarbeiteter Form sollte der Beitrag am 19. Juni gesendet werden. Auch dies unterblieb. Zu sehen ist der Film lediglich im Internet auf der Web-Seite von Frontal 21 () – daneben prangt eine Stellungnahme von Landrat Pipa. Der hat sich am 11. Juni 2007 an das ZDF gewandt und seine Hände in Unschuld gewaschen: Sollte Ömer »wider Erwarten« nur in einem deutschen Krankenhaus operiert werden können, werde er sich dafür unter der Bedingung einsetzen, daß die Kazan-Unterstützer die Kosten trügen. Und: »Eine mit der Behandlung des Jungen verbundene Rückkehr der Mutter lehne ich ab.« Für eine Rückkehr der beiden Mädchen der Kazan-Familie nach Deutschland sei er bereit, sich dann bei Innenminister Bouffier einzusetzen, wenn die Kazan-Unterstützer die Abschiebekosten in Höhe von 17.000 Euro und die Flugkosten der Mädchen bezahlten und wenn diese außerdem Pflegefamilien für die Mädchen Berivan und Gülüstan organisierten. »Öffentliche Mittel«, so der Landrat, »werden nicht zur Verfügung gestellt.« Mit einer Petition (»Wir bitten Sie, für Frau Kazan und ihre Kinder von dem Gnadenrecht Gebrauch zu machen, das Ihnen der Artikel 60 des Grundgesetzes gibt«) haben sich die Kazan-Unterstützer am 5. April 2007 an Bundespräsident Horst Köhler gewandt. Der hat bislang nicht reagiert. Ohne Echo verhallt auch ein Appell des Frankfurter Medizin-Professors Ulrich Gottstein, Ehrenvorstand der »Internationalen Ärzte zur Verhütung von Atomkrieg«: »Es entspricht einer großen Inhumanität, wenn die deutsche Bundesregierung keine sofortige Erlaubnis für Mutter und Kind geben würde, sofort nach Gießen reisen zu dürfen. Der Tod des Kindes wäre dann der Bundesregierung anzulasten.«
Erschienen in Ossietzky 13/2007 |
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