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Der 1874 in Lothringen geborene Felden, Sohn eines Gendarms und enger Studienfreund von Albert Schweitzer, begann als Pastor an St. Martini, die durch ihn zu einer Arbeitergemeinde wurde. Und der 1880 geborene Sohn eines Rittergutsbesitzers aus Sachsenburg/Thüringen, Ernst Richard Vonhof (ab 1919 Richard von Hoff), wurde als wissenschaftlicher Hilfslehrer (ab 1909 Oberlehrer) an der Oberrealschule an der Dechanatstraße eingestellt. Seine Dissertation über das nordisch-germanische Kulturgut führte ihn mit Ludwig Roselius zusammen. Dieser hatte 1906 die Kaffee-Handels-AG (Kaffee-HAG) gegründet und prägte von nun an mit von Hoff den Verein für Niedersächsisches Volkstum, die Nordische Gesellschaft und die Nordische Kunsthochschule. Von Hoff gab lange vor 1933 die Monatsschrift der Nordischen Bewegung, Rasse, heraus, für »einige Jahre mit der von ihm nicht anders zu erwartenden wissenschaftlichen Gründlichkeit«, wie die »Bremische Biographie 1912-1962« glaubte festhalten zu müssen. Der Frontoffizier des 1. Weltkrieges wurde im November 1919 der erste Leiter der Volkshochschule in Bremen. Pastor Emil Felden scheiterte mit seinem Versuch der Gegengründung, weil die Arbeiterparteien weiter auf den »Rat für Arbeiterbildung« setzten. Selbst die SPD, die er zwischen 1921 und 1924 in der Bürgerschaft und im Reichstag vertrat, folgte dem Freund und Biographen Friedrich Eberts nicht. Dagegen hatte sich von Hoff für die Tätigkeit durch die Gründung des Bundes niedersächsischer Volkshochschulen in Bremen ins Gespräch gebracht, dessen Ziel der »Pflege heimischen Volkstums« galt. Schon im August 1918 erschien seine zweite, vermehrte Aufsatzsammlung über »Die Niedersächsische Volkshochschule« im Bremer Carl Schünemann Verlag, mit der er an »das völkische Fühlen und Denken« von Bruno Tanzmann und seiner »Denkschrift zur Begründung einer deutschen Volkshochschule« anknüpfte, die 1917 im Hakenkreuz-Verlag in Dresden-Hellerau erschienen war. Im ersten Jahresbericht der Bremer Volkshochschule von1919/20 faßt Richard von Hoff noch einmal die Zielvorstellungen seiner VHS zusammen: Mitarbeiten am Wiederaufbau des Vaterlandes, die völkische Einheit fördern und der Gefahr begegnen, als Volk »Kulturdünger für fremde Völker« zu werden. »Völkischer Geist«, das »Volk als Blutsgemeinschaft«, als »Schicksals- und Wertegemeinschaft« blieben seine zentralen Begriffe auch in der Weimarer Republik. Sie zielten darauf ab, »Rassenfragen, Vererbungsprobleme und familiengeschichtliche Forschungen« in den Mittelpunkt des Volkshochschulprogramms in einer Stadt zu stellen, in der Kaufmannschaft und Arbeiterbewegung Kultur und Politik bestimmten. Wen wundert es – angesichts dieser Funktion der VHS als Vorläufer und Wegbereiter der nationalsozialistischer Volksbildung in Bremen –, daß Richard von Hoff, ab 1930 Mitglied der NSDAP, im März 1933 zum Senator für das Bildungswesen ernannt wurde und zum SS-Oberführer und Hauptschulungsleiter für Rassenfragen aufstieg. Im Gegensatz zu anderen großstädtischen Volkshochschulen konnten die neuen Machthaber 1933 auf Entlassungen und Namensänderungen verzichten, nicht einmal eine Selbstgleichschaltung war vonnöten. Noch das Veranstaltungsverzeichnis der 1941 neugegründeten »Volksbildungsstätte Bremen« hält fest: »Volksbildungsstätte Bremen, Traditionsträgerin der Bremer Volkshochschule, gegründet 1919 von Senator Dr. R. v. Hoff in Abwehr jüdisch-marxistischer Zersetzungsbestrebungen und zur Pflege völkischer Kulturüberlieferung.« Am 7. Mai 1945 verstarb Richard von Hoff infolge eines Luftangriffs. Pastor Emil Felden, einer der entschiedenen Gegner von Hoffs, kämpfte in zahlreichen Vorträgen gegen den aufkommenden Antisemitismus und für die Sicherung der Menschenrechte. 1921 veröffentlichte er den Roman »Die Sünde wider das Volk«, eine deutliche Absage an das völkische Denken und den Antisemitismus der von Hoffs. Unterstützung fand er bei Julius Bamberger, der die Ortsgruppe des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens in Bremen leitete und dem Hauptvorstand in Berlin angehörte. Zusammen veröffentlichten beide das Stichwortlexikon »Anti-Anti« auf losen Blättern, das handliches und kostenloses Material für die Auseinandersetzungen mit dem Antisemitismus und gegen die Nationalsozialisten lieferte. Vergeblich. Felden und Bamberger gehörten zu den ersten, die von den Nazis verfolgt und verhaftet wurden. Ihr Leben konnten sie dann aber noch durch Flucht ins Ausland retten. 1953 kehrte Emil Felden aus dem Elsaß nach Bremen zurück. Gelegentlich tauchte er noch auf Diskussionsveranstaltungen der VHS auf und setzte sich für die Wahl des Emigranten und jugendbewegten Sozialdemokraten Fritz Borinski als Leiter der Bremer Volkshochschule ein. Borinski hatte kurz vor seinem Amtsantritt (Anfang 1954) die politische Aufgabe der freien Volksbildung in seinem Hauptwerk »Weg zum Mitbürger« als »Weg zur humanen und sozialen Demokratie« definiert. Nach dem nicht besonders geglückten Neugründungsprozeß von 1945 begann so 1954 endlich die »wahrhaftige Auseinandersetzung mit den Mächtigen und den Nöten des heutigen Lebens« (Borinski im Vorwort zum Arbeitsplan des Wintertrimesters 1954). Die Rolle des VHS-Gründers Richard von Hoff und der »Sündenfall von 1919 bis 1945« blieben jedoch ausgespart und harrten bis heute einer genauen Beschreibung und Analyse. Vielleicht könnte die Einrichtung eines Emil-Felden-Saales im Bamberger-Haus, dem neuen Zentralgebäude der Bremer Volkshochschule, dazu den Anstoß geben.
Erschienen in Ossietzky 13/2007 |
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