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Auch Moskau kehrt »neosowjetisch« mit seinem »wiedererwachten Herrschaftsanspruch des Kremls« zurück (FAZ 1. 6. 07). Fragt sich, wer denn die westlichen Untoten des Kalten Krieges sind, diese Schafspelzwölfe von Rhein und Spree – zur Feindschaft gehören immer zwei Seiten. So las ich denn endlich die 2002 im seriösen Freiburger Herder-Verlag von der Adenauer-Stiftung herausgegebene Anthologie »Der mißbrauchte Antifaschismus – DDR-Staatsdoktrin und Lebenslüge der deutschen Linken«. Die Autoren sind herrschaftlich dislozierte Publizisten, Professoren, Politologen von Backes, Jesse, Moreau, Münkler bis vormals linkische Linke wie Konrad Weiß, Manfred Wilke, Rolf Schneider, Cora Stephan, dazu als Rechtsschwenker Hubertus Knabe sowie der gewaltige Berliner Hans Dieter Zimmermann. Das Vorwort zum Werk erbrach Wolfgang Schäuble, es geht vollmäulig gegen »Gutmenschen, linke Intelligenz, postkommunistische Überzeugungstäter und militante Modernisierungsgegner«. Im Haß auf die Linke vergreift sich ein Heribert Seifert an Sebastian Haffners stern-Kolumnen der sechziger und siebziger Jahre. Knabe boxt gegen Götz Aly. Wilke sucht Abendroth und Carlebach aufs Kreuz zu legen. Ehrende Trommelwirbel gelten den Regimentskameraden Bohrer, Nolte, Stürmer, Fest, FAZ, kurzum der ganzen traditionellen Funktionsbagage rechter Wölfe ohne Schafspelz, die schon immer den fürchterlichen Antifaschismus im Visier hatten. Dies sind die Lebenslügen jener Fundis, die unter Schäubles Fahne versammelt das seit 1848 vorherrschende deutsch-nationale Staatsziel zu vervollständigen suchen. Schließlich gelang es 1870, 1914, 1939 schon dreimal, und nach der Vereinigung von 1990 klappt es endlich wieder: Der deutsche Soldat steht Wacht auf dem Balkan, in Asien und Afrika. Seine Niederlage ist gewiß, der Zeitpunkt ungewiß. Merkel aber redet an der Wolga Tacheles mit Putin, wie die FAZ triumphierte. Es gibt in dem Band, wir freuen uns, einige taktische Zugeständnisse. Hans Dieter Zimmermann notiert sogar ein Verdienst der Antifa. Selbst Schäuble räumt auf Seite 9 ein: »In der Bundesrepublik war der Antifaschismus als Reaktion auf die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten durchaus zunächst einer der Gründungsimpulse.« Durchaus zunächst? Und dann? Bleibt tatsächlich die Frage des Antifaschismus, der in der DDR oft und von manchen orthodoxen Gruppen bis in die Gegenwart taktisch unklug benutzt wurde und wird. Die ihn als »verordneten« Antifaschismus des Ostens denunzieren, wecken im Westen den Anschein, es gäbe keinen unverordneten, ergo originären Antifaschismus. Die herrschende politische und intellektuelle Klasse der Bonner Republik vermochte kaum Männer und Frauen vorzuweisen, die tatsächlich gegen Hitler gekämpft hatten, stattdessen waren die führenden Leute aufs engste mit dem Dritten Reich verbunden gewesen. Im bürgerlichen Westen fehlt die emotionale Nähe zum Widerstand. Der typische Bundestagsabgeordnete der fünfziger und sechziger Jahre hatte den Krieg als Nazi, Mitläufer, zumindest als gehorsamer Soldat, meist Offizier, durchlebt. Die nachfolgenden jüngeren Generationen projizierten ihre Abneigung und Feindschaft auf die gleichen Personen wie ihre Vorgänger, so dass sich eine sämtliche Altersgruppen verbindende Kampfbereitschaft gegen alles Linke ergab – zu Kaiser Wilhelms Zeiten waren das die Sozialdemokraten, nach deren Einzug in Regierungsämter wurden es die Kommunisten, die ihrerseits auf sowjetischen Druck hin wiederum Feindschaften produzierten. Die Kommunisten aber wurden 1989/90 besiegt, was die deutsche Niederlage von 1945 als vorübergehendes Ärgernis zu relativieren scheint. So viel zum Fußabdruck der jüngsten Geschichte im kollektiven nationalen Nervensystem. Wer es sich leicht macht, schwimmt im morosen Mainstream bedenkenlos mit. Wer das nicht will, braucht zum Widerstand intellektuelles Interesse und ein wenig Charakter. Da könnte ein Blick in die Bibel, in Büchners Hessischen Landboten sowie ins Kommunistische Manifest nicht schaden. Die drei Bücher sollten Pflichtlektüre an den Schulen sein, wo sich die Beiträger der Anthologie gegen den Antifaschismus den ABC-Schützen anschließen dürfen. Hat die »deutsche Linke« den Antifaschismus »mißbraucht«? Dann könnten die vielen Herren (und eine Dame) ihn ja reinwaschen. Aber das ist das Letzte, was ihnen einfiele. Ganz gewiß wird der Name Herder mit diesem nationalen Elaborat mißbraucht wie auch die Begriffe Freiheit und Demokratie. Man lese dazu Brechts Gedicht »Der anachronistische Zug oder Freiheit und Democracy« aus dem Jahr 1947. 1933, am vierten Tag seiner Reichskanzlerschaft hielt Hitler vor Generälen eine geheime Rede, in der er ankündigte, Pazifismus, Marxismus und Demokratie »auszurotten«; als weiteres Ziel nannte er die »Eroberung neuen Lebensraums im Osten und dessen Germanisierung«. Bei den Adenauer-Fundis ist davon die fatale Feindschaft gegen Antifaschisten geblieben. Wir empfehlen einen Blick in »Widerstand als Hochverrat« (Verlag K.G. Saur), wo sie lesen könnten, falls sie dazu noch imstande sind: »Politisch motivierter Widerstand war … zu 75 % kommunistischer, zu 10 % sozialdemokratischer und nur zu 3% christlich-bürgerlicher Widerstand.« Wen ich in meinem Leben auch als Genossen oder Kollegen kennenlernen durfte, ob antifaschistische Kommunisten wie Emil Carlebach und Peter Gingold, ob Oppositionelle wie Wolfgang Harich und Walter Janka, Trotzkisten wie Ernest Mandel und Jakob Moneta, linksintellektuelle Remigranten wie Ernst Bloch, Hans Mayer und Ludwig Marcuse, Exkommunisten von Leo Bauer, Alfred Kantorowicz bis zu ihrem Klassiker Arthur Koestler, ungeachtet aller Pluralität und Konflikte einte sie ihr Antifaschismus. Es gehört eine ebenso kuriose wie furiose Erblindung im Haß als Krankheit des Intellekts, der Seele, des Herzens und der Ganglien dazu, den Antifaschismus als kollektive linke Lebenslüge zu verleumden. Nichts und gar nichts verbindet unsereinen mit diesem Deutschen Reich, seiner Wehrmacht und seinen imperialen Eroberungsfeldzügen. Wer statt des Faschismus den Antifaschismus zum Feind erklärt, reiht sich in den anachronistischen Zug Richtung Beinhaus ein. Nun wollen Adenauers Nachfolger ein neues Trauermonument errichten. Der bekanntgewordene Entwurf, die Helden mögen’s verzeihen, erinnert an die Münchner Feldherrnhalle. Da wendet selbst Heiner Geißler sich von Adenauers Enkeln ab und attac zu.
Erschienen in Ossietzky 13/2007 |
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