Neoliberale Verteidiger der Arbeitsplätze

Werner René Schwab

Obwohl in 18 von 26 EU-Mitgliedsstaaten ein Mindestlohn gesetzlich vorgeschrieben ist, der zum Teil höher liegt als in Deutschland von Gewerkschaften, SPD und Linkspartei angestrebt, hat die Union ihn erwartungsgemäß abgelehnt, und die SPD gibt sich um der Regierungsbeteiligung willen mit minimalen Zugeständnissen zufrieden. An der Entschlossenheit der Union – unterstützt von der FDP und gefordert von den Unternehmerverbänden – konnte auch eine Intervention der EU-Kommission nichts ändern, die sich für die Einführung eines Mindestlohns in der BRD ausgesprochen hatte. Unbeachtet blieb zum Beispiel auch das renommierte englische »Center of Economics«, das im Mai festgestellt hatte: »Wir haben keinerlei Beleg gefunden, daß Unternehmen durch die Mindestlöhne aus dem Markt gedrängt werden.«

Solche empirischen Argumente interessieren Union, FDP, ihnen nahestehende Wirtschaftsprofessoren und die organisierte Unternehmerschaft einen Dreck. Mit unbewiesenen und unbeweisbaren Behauptungen lobpreisen und rechtfertigen sie den, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt, »ganz wichtigen Schritt«, einen Mindestlohn zu verhindern. Einige dieser Äußerungen sind es wert, für spätere Zeiten festgehalten zu werden:

»Mindestlöhne sind ein süßes Gift, das Arbeitsplätze zerstört.« (Roland Profalla, CDU-Generalsekretär) – »Gesetzliche Mindestlöhne sind ein Eingriff in die Tarifautonomie.« (Delegierter auf dem FDP-Bundesparteitag) – »Der Arbeitsmarkt ist ein Markt und keine sozialstaatliche Wellness-Oase.« (Kurt Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrates) – »Mindestlöhne sind Jobvernichter, weil dann die Zeitarbeitsfirmen weniger Leute einstellen.« (Der von der Bundesregierung eingesetzte und bezahlte wirtschaftliche Sachverständigenrat) – »Jeder Mensch begibt sich schließlich ja freiwillig in die Abhängigkeit des Arbeitgebers.« (Professor Lüder Gerken, Leiter des neoliberalen Eucken-Instituts) – »Gesetzlicher Mindestlohn vernichtet über 100.000 Arbeitsplätze.« (Guido Westerwelle, FDP-Bundesvorsitzender) Und diese Zahl nimmt sich geradezu bescheiden aus gegenüber den Angaben des Professors Hans-Werner Sinn vom IFO-Institut: Zwischen 465.000 und 621.000 Entlassungen sagte er voraus (s. Ossietzky 12/07). Eben dieser Experte verteidigte vor einigen Jahren die Verlängerung der Ladenschlußzeiten mit der Behauptung, sie schaffe 80.000 neue Stellen. In Wirklichkeit gingen 100.000 verloren.

Wenn ich solche dem Kapital wohlgefälligen Sätze höre und lese, muß ich immer an Nestroy-Possen denken, in denen der Lakai die Wünsche seines Herrn mit den Worten ausführt: »Gehorsamster Diener.«  

Herrn Achtern, Errata (16. Jul. 2007, 10:30)

Erschienen in Ossietzky 13/2007