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Denn das jahrzehntelang gesungene Lied, daß jeder sich um sich selbst kümmern solle, hatte nicht nur die Deiche weich gemacht. Es gab auch keine öffentlichen Massenverkehrsmittel, vor allem keine Eisenbahnen mehr, mit denen eine Halbmillionenstadt hätte zügig evakuiert werden können. Es galt die kalte kapitalistische Devise: Jeder ist sich selbst der Nächste. Der Regierung Bush war New Orleans zu zwei Dritteln gleichgültig. Denn nur ein Drittel der Einwohner war weiß – das waren die, die überwiegend noch aus der absaufenden Stadt herauskamen. Die 67 Prozent Afroamerikaner aber flohen auf die Dächer und in das etwas höher gelegene Stadion »Superdome«, von wo, so hieß es, die Nationalgarde sie evakuieren würde. Aber die Evakuierung fand nicht statt. Große Teile der Nationalgarde waren im Irak. Schulterzuckend sah Bush zu, wie der Strom ausfiel, wie Dreck und Schutt auch in den Supderdome geschwemmt wurden und Bürgermeister Ray Nagin unter Tränen, die Regierung wegen ihrer Untätigkeit anklagend, ausrief: »Die Stadt stirbt!« Heute, zwei Jahre danach, ist sie nicht tot, aber halbiert. Nennenswerte staatliche Hilfen zum Wiederaufbau der Stadt gibt es nicht. Das hat zu einer Verknappung des von der Flut zu 80 Prozent vernichteten oder schwer beschädigten Wohnraums geführt. Verknappung aber bedeutet im Kapitalismus immer die Chance für die Besitzer eines knappen Gutes, dessen Preise zu erhöhen. Also haben sich die Mietpreise verdoppelt – vor allem in den überwiegend von armen Schwarzen bewohnten Gebieten, die von der Überflutung am meisten betroffen waren. Weil immer weniger Menschen dort leben, haben auch die – privat betriebenen – Busgesellschaften den Verkehr eingeschränkt und stellenweise eingestellt. Es rechnet sich nicht mehr. Verglichen mit der Situation vor August 2005 sind 30 Prozent aller Jobs verschwunden. Weiterhin präsent ist die Nationalgarde. In dem linken amerikanischen Monatsmagazin Political Affairs beschreibt sein Autor Pat Gowens, daß die Garde wenig hilft – aber daß sie eine Atmosphäre der Kontrolle und der Angst im einst für seine Leichtigkeit berühmten New Orleans verbreitet. Weiterhin präsent sind aber auch andere: die, die sich nicht unterkriegen lassen wollten, weder vom Hurrikan noch von seinen viel schlimmeren menschengemachten Folgen. Und die vielen Helfer, die – anders als die Bush-Regierung – New Orleans nicht aufgeben wollten und wollen. Da ist – beschreibt Pat Gowens – auch Angela Davis, die sich, seitdem sie so lange unschuldig in der Todeszelle saß, bevor internationale Solidarität sie befreite, vor allem für die überwiegend farbigen Gefangenen der USA – zwei Prozent ihrer Bevölkerung – engagiert. Das ist in New Orleans besonders nötig. Denn statt zu helfen, hat die Nationalgarde vor allem verhaftet. Angela Davis berichtete auf einer Kundgebung von einer 75jährigen Frau, die mit ihrem behinderten Mann in eine Hochgarage gefahren war, um dort den Sturm zu überstehen. Als sie aus dem Kofferraum Sandwichs holte, wurde sie verhaftet und wegen angeblicher Plünderung eines nahegelegenen Delikatessenladens angeklagt. 61 Tage saß die Frau in einem der überfüllten Massengefängnisse, bevor sie freigelassen wurde. Entschädigung erhielt weder sie noch ihr Mann. Solche Geschichten gibt es viele aus der Zeit von »Katrina« und danach. Wenn es nach den Herrschenden der USA ginge, wäre New Orleans schon tot. Weil sie aber nicht allein die Geschichte schreiben, lebt die immer noch leidende Stadt. Wer glaubt, New Orleans sei weit und bei uns sei alles ganz anders, irrt. So wie die vielen Baumaschinen, die Heerlager in Bagdad errichteten, die Vordeiche des Mississippi-Deltas nicht verstärken konnten, so können die Baumaschinen, die jetzt deutsche Heerlager in Afghanistan errichten, nicht helfen, die Deiche an der langsam, aber stetig steigenden Nordsee zu verstärken. Der Zeitgeist des kapitalistisch pervertierten Individualismus hat den öffentlichen Nahverkehr in und um Hamburg oder Bremen noch nicht dermaßen zernagt wie die Schienennetze in den USA – aber er ist bemüht, hierzulande ähnliche Vernichtungswerke zu vollenden. Und die Wetterforscher haben letztes Jahr vor der europäischen Atlantikküste etwas beobachtet, was es in unseren Breiten vor der sich entfaltenden, vom Kapitalismus gemachten Klimakatastrophe noch nie gab: einen Hurrikan.
Erschienen in Ossietzky 13/2007 |
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