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Vor elf Jahren hatte der damals weltgrößte Autobauer, General Motors (GM), das erste Electric Vehicle (EV1) auf den US-amerikanischen Markt gebracht. Wegen der extremen Luftverschmutzung in Millionenstädten wie Los Angeles, San Francisco und San Diego hatte der Bundesstaat Kalifornien den Autoherstellern per Gesetz auferlegt, »Null-Emissions-Autos« anzubieten. Der EV1 bewies, wie rasch selbst die träge US-amerikanische Autoindustrie ganz Neues fertigbringt, wenn sie muß. Auch deutsche Autohersteller, wir erinnern uns an ihre Blockadehaltung gegen Abgas-Katalysator und Rußfilter, behaupten ja gern, Produktionsumstellungen gingen nicht so schnell. Wenn sie dennoch umstellen, dann vorzugsweise auf teure und gewinnträchtige Gas- oder Wasserstoffantriebe (beide liegen zugleich im Interesse der Ölwirtschaft) oder die extrem aufwendige Brennstoffzelle (an deren Entwicklung der militärisch-industrielle Komplex großes Interesse hat, zum Beispiel im U-Boot-Bau). Der EV1 war ein vollwertiger viersitziger Personenwagen, alltagstauglich, sparsam, leise und elegant. Mit einer Batterieaufladung erzielte es Reichweiten bis 300 Kilometern und ließ sich problemlos mit der in den USA erlaubten Höchstgeschwindigkeit (80 Meilen, also 128 Kilometer in der Stunde) bewegen. Tausende wollten ihn kaufen. Doch General Motors baute nur 1134 Stück und gab davon lediglich 800 in einem komplizierten Leasingverfahren zur befristeten Miete heraus. Die Kunden mußten sich unwiderruflich zur jederzeitigen Rückgabe verpflichten. Kauf war ausgeschlossen. Warum? Der EV1 wurde innerhalb kürzester Zeit zum Kultauto. Trotzdem stoppte GM das Programm, zog die vermieteten EV1 ein und verschrottete sie. Nur Einzelstücke überlebten als Museumsexponate – ohne Motoren. Was war vorgefallen? In seinem Film »Who Killed the Electric Car?« (Wer brachte das Elektro-Auto um?) ging der US-Filmer Chris Paine dieser Frage nach. Paines These: Der EV1 war einfach zu gut. Es stellte eine ernste Bedrohung für die beiden mächtigsten Wirtschaftszweige dar: Ölindustrie und Autobranche. Der EV1 und seine fortschrittliche kalifornische Gesetzesgrundlage wurden konsequenterweise kassiert. Bedrohlich war das Elektromobil für die Ölindustrie, weil es zum Aufladen der Batterie nur kurze Zeit an eine Steckdose mußte – zu einem Viertel der Kosten einer Tankfüllung mit Benzin oder Diesel. Für die Autobranche mitsamt Herstellern, Zulieferern und Werkstätten war es gefährlich, weil man ihm zutraute, den herkömmlichen Produkten große Marktanteile abzunehmen. Es war verschleißarm, nahezu wartungs- und reparaturfrei, denn ein Elektromobil hat rund 90 Prozent weniger bewegliche Teile als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Elektro-Autos wären nicht nur in der Anschaffung billiger und sparsamer im Betrieb. Sie könnten auch doppelt so lange gefahren werden wie herkömmliche Benzinfahrzeuge. An denen verdienen die Hersteller und Händler auch deswegen weit mehr, weil die Kunden häufiger ein neues brauchen. Was also werden sie lieber anbieten: was die Kundschaft interessiert oder was mehr Geld bringt? Paines Film zeigt in bedrückenden Bildern, wie biedere US-Bürger, sogar Hausfrauen, von der Polizei in Handschellen abgeführt wurden, als sie gegen die Einziehung ihrer Elektroautos protestierten. Der Film dokumentiert, wie GM sogar Werbung gegen das eigene Produkt machte und die Urheber der fortschrittlichen Gesetzgebung sich an der Anti-Werbung beteiligten. Der Film über das Kultauto wurde zum Kultfilm – und trotzdem boykottiert. Kein kommerzieller Filmverlag nahm ihn ins Programm. Nur gewitzte Sucher finden ihn im Internet (bei Videogoogle oder Mininova, /). Wie sich europäische und amerikanische Markt- und Machtverhältnisse gleichen: Seit wenigen Monaten wird in London ein häßlicher zweisitziger Smart EV angeboten. In 100 Exemplaren, wiederum nur zum befristeten Leasing. Dabei gäbe es gerade in London einen großen Kundenkreis, weil für emissionsfreie Wagen in der Innenstadt keine Citymaut erhoben wird, für alle anderen dagegen täglich 12 Pfund (fast 18 Euro). Und in Deutschland? Unsere Auto-Industrie verzeichnete im ersten Quartal einen Absatzeinbruch von happigen 27 Prozent. Die Autobauer behaupten, allein die höhere Mehrwertsteuer sei schuld. Nachlassendes Interesse an Fahrzeugen mit umweltschädigender Antriebstechnik wird nicht eingestanden. Als ob nicht jeder vom Treibhausgas wüßte und davon, daß Benzin und Diesel nur teurer werden können. Regierung und Parlament könnten den Automobilbauern zwar Schranken setzen. Doch Tempolimits wie weltweit üblich, kalifornische Abgasgrenzwerte oder Londoner Mautgebühren sind hierzulande nicht geplant. Ein Verbrennungsmotor hat, konstruktionsbedingt, nur rund 30 Prozent Wirkungsgrad. Hingegen wandelt ein elektronisch geregelter Elektromotor fast 90 Prozent seiner Energieaufnahme in Antrieb um. Ohne Lärm, ohne Abgase, ohne Feinstaub. Unsere Autoindustrie will Hybridfahrzeuge bauen, mit einer sehr teuren Kombination beider Motorenarten. Solche Autos sind aber, wie Ossietzky-Leser Michael Mansion schrieb, nur »... ein Späßchen für die Besserverdienenden, die damit ihr Umweltgewissen befrieden«. Und die Extraprofite, die sich daraus ziehen lassen, werden ein Spaß für die Hersteller. Bei rund 85 Prozent aller Privatfahrten legen deutsche Autobesitzer weniger als 30 Kilometer zurück. Am häufigsten nutzen sie das Auto zum Einkaufen und für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz. Die Entfernung beträgt im Durchschnitt weniger als zwölf Kilometer. Transportiert werden dabei höchstens zwei Personen und eine Zuladung von weniger als 25 Kilo. Elektroautos wären bei diesen Anforderungen die ideale Alltagslösung: preiswert und verbrauchsarm, sogar komfortabel und ansehnlich – wie der EV1. Solche Wagen, ausgestattet mit neuester Batterietechnik (kassettenförmige Akkus, die zum »Tanken« entweder komplett ausgetauscht oder zu Hause über Nacht an der Steckdose wiederaufgeladen werden) haben nach den Erfahrungen in den USA pro 100 Kilometer einen Stromverbrauch, der bei uns den Kosten für ein bis anderthalb Liter Benzin entspricht, also weniger als 2.50 Euro. Selbstverständlich böten sie erst dann eine ökologisch uneingeschränkte Alternative, wenn ihre Batterien mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen betankt würden. Deutschland könnte längst über ein engmaschiges, flächendeckendes und leistungsstarkes Netz mittelgroßer Ökostrom-Hersteller verfügen, sogar einem Massenverkehr von Elektroautos gewachsen – wäre da nicht das Blockadekartell der Ölwirtschaft, der Kraftwerksmonopolisten und des militärisch-industriellen Komplexes. Dieses nicht nur hierzulande, sondern weltweit herrschende Kartell verhinderte den Großserienbau erfolgversprechender und begehrter Elektroautos wie Toyota RAV 4 EV, Subaru Elcat Lithium, Honda EV Plus (Japan), Chevrolet S10 EV, Ford Ranger EV, Chrysler EPIC EV (USA), Fiat Multipla Electric (Italien), Citroen Berlingo Electrique (Frankreich), Daimler Benz A Klasse Electric, VW CitySTROMer (Deutschland) – die Liste ist bei weitem nicht vollständig. Das Kartell erzwang den Verzicht auf diese Fahrzeuge oder zumindest den Umstieg der Firmen auf Hybrid-Technik oder Brennstoffzellen-Technik (wie im Benz A1, der nun ziviles Versuchskaninchen für den Rüstungsmulti EADS ist, an dem Daimler mit 30 Prozent beteiligt ist. Die US-amerikanischen Protestler gegen den Baustopp für Elektrofahrzeuge brachten es auf den Punkt: »Use less gas or fight more wars!« (Sinngemäß: Verbraucht weniger Sprit oder führt mehr Kriege!) Die zum Klimaschutz überfällige ökologische Konversion der Wirtschaft ist ohne Änderung der Machtverhältnisse nicht denkbar. Darum werden Sie, lieber Leser, bis auf weiteres kein umweltschonendes, bedarfsgerechtes Elektroauto bekommen können.
Erschienen in Ossietzky 13/2007 |
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