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Bis zum nächsten Fall Kurnaz?Max Stadler Die Beschäftigung des BND-Untersuchungsausschusses mit dem Fall des von der CIA verschleppten Bremers Murat Kurnaz, der fünf Jahre unschuldig in Guantanamo inhaftiert war, brachte eine besondere Absurdität des deutschen Ausländerrechts an den Tag: die Vorschrift des Paragraphen 51 Absatz 1 Nr. 7 Aufenthaltgesetz, die (auszugsweise) besagt: »Der Aufenthaltstitel erlischt, wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten Frist wieder eingereist ist.« Der in Deutschland geborene, in Bremen lebende türkische Staatsangehörige Murat Kurnaz wurde bekanntlich als 19jähriger während einer Pakistan-Reise Ende 2001 von der Polizei festgenommen, als er sich gerade auf dem Weg zum Flughafen befand, um nach Frankfurt zurückzufliegen. Kurnaz wurde – vermutlich gegen ein Kopfgeld – den Amerikanern übergeben, die ihn über Kandahar ins Foltergefängnis Guantanamo verschleppten. Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz befragten Kurnaz im September 2002 in Guantanamo und kamen zu dem Ergebnis, daß sich der Verdacht, er habe die Taliban oder Al Kaida unterstützt, nicht bestätigt habe. Dennoch verständigte sich die »Präsidenten-Runde« (die Spitzenbeamten der Sicherheitsbehörden unter Leitung von Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier) am 28. Oktober 2002 darauf, Kurnaz’ Wiedereinreise nach Deutschland sei unerwünscht. Das Bundesministerium des Innern (BMI) wurde beauftragt, zu prüfen, wie denn diese Auffassung der Präsidentenrunde juristisch umzu- setzen sei. Die Ausländerrechtsspezialisten im BMI fanden heraus, daß aufgrund des oben zitierten § 51 Aufenthaltsgesetz das Aufenthaltsrecht von Murat Kurnaz (obwohl dieser sein ganzes Lebens in Bremen verbracht hatte) automatisch erloschen sei. Daher habe er kein Recht auf Rückkehr und man könne demnach eine Wiedereinreisesperre verhängen. Das geschah dann auch. Erst 2006 kam Kurnaz frei. Da das Verwaltungsgericht Bremen mittlerweile entschieden hatte, daß Kurnaz’ Aufenthaltsrecht fortbestehe, konnte er nach Bremen zurückkehren. Im BND-Untersuchungsausschuß vertraten der frühere Bundesinnenminister Otto Schily und hohe Beamte des Bundesinnenministeriums dennoch weiterhin die Meinung, die damalige Anwendung des § 51 sei juristisch korrekt gewesen. Tatsächlich stellt die Vorschrift nur auf die Tatsache ab, daß sich ein Ausländer mehr als sechs Monate außerhalb des Bundesgebiets befunden hat. Auf den Grund der Abwesenheit kommt es nach dem Gesetzestext nicht an. Das Resultat ist absurd. Es kann nicht richtig sein, daß jemand, der Opfer eines Verbrechens geworden ist und zwangsweise daran gehindert war, innerhalb von sechs Monaten nach Deutschland zurückzukehren, deswegen einen Rechtsnachteil erleidet. Für solche Fälle paßt die Vorschrift offenkundig nicht. So entschied erstmalig Ende 2005 das Verwaltungsgericht Bremen. Die Rechtslage ist aber immer noch nicht zweifelsfrei geklärt. Das BMI hält bis heute das Bremer Urteil für juristisch falsch: Es sei nur deswegen nicht angefochten worden, weil die neue Bundesregierung die politische Entscheidung getroffen habe, sich für Kurnaz’ Freilassung und Rückkehr einzusetzen. Das Urteil sei also nur aus politischer Opportunität rechtskräftig geworden. Das heißt: Nach Auffassung des Ministeriums wird konsequenterweise weiterhin die Vorschrift des § 51 auch in den Fällen anzuwenden sein, in denen der Reisende durch Zwang gehindert wurde, die Rückkehrfrist einzuhalten. Somit besteht aller Anlaß, daß der Gesetzgeber eine Klarstellung vornimmt. Gelegenheit dazu gab es am 13. Juni 2007 im Innenausschuß des Bundestags. Dort wurde über zahlreiche Änderungen des Ausländerrechts abgestimmt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung brachte viele Verschärfungen. Zu einer Entschärfung des § 51 war vor allem die CDU/CSU nicht bereit. Anträge aus den Reihen der Opposition hatten zum Ziel, den automatischen Verlust des Aufenthaltsrechts nach halbjähriger Abwesenheit auf die Fälle freiwilliger Absenz zu beschränken. CDU/CSU und SPD lehnten diese Anträge ohne Begründung ab. Da nützte es nichts, daß Redner der SPD einen Tag später im Plenum betonten, sie hätten eine solche Änderung durchaus für sinnvoll erachtet. Die Untätigkeit der Bundesregierung und der Koalition in dieser Frage läßt die Vermutung aufkommen, daß die gegenwärtige absurde Rechtslage nicht unerwünscht ist. Denn das BMI verweist Kritiker darauf, Ausländer, deren Aufenthaltsrecht nach sechsmonatiger Abwesenheit erloschen ist, bräuchten ja nur einen neuen Visumsantrag zu stellen. Dazu muß man wissen, daß es prinzipiell keinen einklagbaren Rechtsanspruch auf Einreise gibt. Eine Ausweisung eines in Deutschland befindlichen Ausländers wäre schwerer zu begründen als die Verweigerung der Einreise. Die Rechtsposition des Betroffenen ist also weitaus schwächer, wenn er sich im Ausland aufhält und in dieser Zeit sein ursprüngliches Aufenthaltsrecht für Deutschland erlischt. Wer also den künftigen Aufenthalt eines Ausländers in Deutschland verhindern will, für den ist der derzeitige § 51 ein nützliches Hilfsmittel. Das gilt übrigens nicht nur für Ausnahmefälle wie Murat Kurnaz, sondern kann eine praktische Bedeutung auch für Personen erlangen, die während eines Auslandsaufenthalts »zwangsverheiratet« werden. Auch ihnen droht das Damoklesschwert der Sechsmonatsfrist. Es ist schäbig, wenn die Verschleppung von Menschen dazu genutzt wird, ihnen ihre Rechtsposition zu nehmen. Schade, daß das Parlament eine Gelegenheit versäumt hat, dieser Schäbigkeit ein Ende zu bereiten. Max Stadler, stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestages, ist auch Obmann der FDP-Fraktion in dem Untersuchungsausschuß, der sich mit dem Fall Kurnaz und anderen heiklen Punkten der Zusammenarbeit deutscher Dienststellen mit dem US-Geheimdienst CIA befaßt. Außerdem leitet er das Parlamentarische Kontroll-Gremium, das sich bemüht, den Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz zu beaufsichtigen.
Erschienen in Ossietzky 13/2007 |
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