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Mai 1991 veranstalten und mit denen sie »unter dem Eindruck der deutschen Einheit die Einheit der europäischen Kultur« beschwören wollen – in europäischen Kunst-Metropolen: Prag, Budapest, Krakow, St. Petersburg, in Versailles, London, Florenz, Stockholm, Istanbul, Athen und Lissabon. Ein großes Unterfangen. Und nicht unproblematisch. Denn sie kehren an einige Orte zurück, an denen sie schon früher gewesen sind – als Sendboten der Sieger in unterworfenen Ländern. Die Philharmoniker von heute sind nicht mehr die von 1940, nicht als Personen, nicht als – ja was? Als Institution schon, denn ihre Existenz seit 125 Jahren währt ununterbrochen. Der Name steht für die Geschichte als Ganzes. Wie reflektiert man das? »An einigen Orten konnten die Berliner Philharmoniker mehr oder weniger unbelastet agieren«: Stockholm 1998, Istanbul 2001, Lissabon 2003. Und wo »belastet«? 1997 in der Opéra Royal des Schlosses Versailles. »Die Philharmoniker hatten dort schon einmal gespielt: kurz nach der Besetzung Frankreichs 1940.« 1999 in Krakow hatte »man« (wie sich die Philharmoniker in ihrem Magazin gern nennen) »durchaus eine heikle Mission: Die alte polnische Königsstadt kannte man seit 1900, aber auch 1941 und 1943 waren hier, wo sich der deutsche Generalgouverneur eingenistet hatte, philharmonische Konzerte gegeben worden.« Siegesfeiern also und Festkonzerte in Frankreich und Polen. Mit den Musikern aus Berlin schmückte sich der Generalgouverneur Hans Frank, der sich in Krakow »eingenistet hatte« und sich als Mäzen aufspielte; später verurteilte ihn das Nürnberger Tribunal wegen Kriegsverbrechen zum Tode, und er wurde hingerichtet. Nun, das liegt Jahrzehnte zurück. Die Auftraggeber, für die »man« spielte, sind nicht mehr. Welche Botschaft bringt das verjüngte Orchester laut Magazin »auf Spuren der europäischen und der eigenen, philharmonischen Geschichte«? Das Europakonzert in Versailles »gab der Welt zu verstehen, daß der deutsch-französische Antagonismus ein für allemal überwunden ist«. Und in Krakow: »Polen hat nicht nur dieses tragische Kapitel seiner Geschichte überwunden [1941 und 1943; S.Sch.], es hat auch Wesentliches zur Niederwerfung der kommunistischen Diktatur beigetragen.« Da möchte »man« feiern. »Feiern, das dürfen wir angesichts dieser wundersamen Orchestergeschichte nur um so mehr. Denn sie ist Teil der Freiheitsgeschichte Europas und damit der ganzen Welt.« Da hatten sich die Amerikaner aber geirrt, als sie Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan 1945 nicht mehr dirigieren lassen wollten! Treibende Kraft war damals die Musikabteilung der Information Control Division (ICD), der Michael Josselson und Nikolas Nabokow angehörten. Deren Aufgabe war es, den Nazismus in Deutschland zu zerstören und »Nazis aus dem deutschen Musikleben zu entfernen«. Zu jener Zeit hatten sie noch »Jagd auf Nazis recht erfolgreich betrieben und einige berühmte Dirigenten, Pianisten, Sänger sowie eine Reihe von Orchestermusikern (von denen die meisten nichts anderes verdient haben, manch andere doch) außer Gefecht gesetzt« (Nikolas Nabokow, 1951, zitiert bei Frances Stonor Saunders, »Wer die Zeche zahlt – CIA und die Kultur im kalten Krieg«, Berlin 1999). Das änderte sich später im Konkurrenzkampf mit der Sowjetunion, wodurch Furtwängler und Karajan wieder zugelassen und die Berliner Philharmoniker »als symbolisches Bollwerk gegen den sowjetischen Totalitarismus aufgebaut wurden«, wie Saunders schreibt. Freiheitsgeschichte also. – Spaß beiseite. Eine Aufarbeitung der Vergangenheit ist angekündigt. Ein Hauptthema wird laut Pamela Rosenberg die Nazizeit sein, in der jüdische Musiker vertrieben wurden und das Orchester als Vorzeigeensemble der Nazis für Jahre seine internationale Vorzeigbarkeit einbüßte. Die Berliner Philharmoniker werden, wie man annehmen darf, ihre Geschichte gründlich und differenziert darstellen lassen; persönliche Schuld darf da nicht ausgespart werden. Musiker der jungen Generation aber, die damit nichts gemein hatten und haben, müssen vor Schuldzuweisungen verschont bleiben. Das neue Profil prägen seit Jahren auch Orchestermusiker, Dirigenten und Solisten aus aller Welt, die kulturelle Vielfalt mitbrachten. Sie haben große Kapitel Kulturgeschichte mitgeschrieben und zur Verständigung und Versöhnung beigetragen. Zur Skepsis veranlassen jedoch Zungenschläge wie jüngst in einer Kurzbiographie des Orchesters für die Presse: »Kriegswirren. Die nationalsozialistische Diktatur und der Krieg richteten in der deutschen Kulturlandschaft irreparable Schäden an. Dies betrifft auch die Berliner Philharmoniker. Durch den Rassenwahn der Machthaber [sic] verlieren sie wertvolle Musiker und geraten im weltweiten Austausch von Solisten und Dirigenten in die Isolation.« Allesamt Opfer? Sind sie in Versailles und Krakow etwa nur unter Zwang aufgetreten? Irreparable Schäden richten Hofhistoriker an, die alle Schuld und Verantwortung Hitler zuschreiben.
Erschienen in Ossietzky 12/2007 |
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